Die ISR sprach mit den Geschäftsführern einiger Seilbahnunternehmen des Alpenraums über den Verlauf der Wintersaison 2020/21 und über ihre Pläne für die Zukunft.
Foto: Marjon Besteman-Horna
Wirtschaft Tourismus

ISR-INTERVIEW

Saison-Bilanz: Wie geht es weiter?

Die Wintersaison 2020/2021 war mit Abstand die schwerste in der Geschichte des alpinen Tourismus seit 1945. Wir haben die Geschäftsführer von maßgeblichen Seilbahnunternehmen zum Saisonverlauf, über Investitionspläne und über ihre Erwartungen für die kommenden Monate befragt.

von: Dieter Krestel

Markus Hasler, CEO Zermatt Bergbahnen AG (CH)

ISR: Herr Hasler, wie ist die Wintersaison 2020/21 generell bis jetzt für Sie verlaufen?

Markus Hasler: Die Wintersaison ist den Umständen entsprechend gut verlaufen. Wir sind froh, dass überhaupt eine Wintersaison stattgefunden hat, zumindest auf der Schweizer Seite des Skigebiets. Das komplette Pistenangebot in Zermatt stand die gesamte Wintersaison zur Verfügung. Mit Blick auf das Saisonende per 2. Mai 2021 müssen wir bei den Besucherzahlen und beim Umsatz mit einem Rückgang im Bereich von 20 bis 30 % rechnen. Wie es bis Ende Saison genau aussieht, ist schwer vorauszusagen, da der Frühling mit den Osterferien jeweils eine sehr umsatzstarke Zeit ist.

ISR: Herr Hasler, wie sieht es nach der Wintersaison 2020/21 mit künftigen Investitionen aus?

Markus Hasler: Wir werden weiterhin an unserer Investitionsplanung festhalten. Die großen Investitionen wie die Gondelbahn Kumme und das AlpineX haben wir trotz Pandemie getätigt und planmäßig vollendet bzw. weitergeführt.

ISR: Herr Hasler, wie schnell wird sich der Wintertourismus bei Ihnen wieder erholen?

Markus Hasler: Diese Saison hat man gemerkt, dass die Leute, die es auf die Piste geschafft haben, das Angebot sehr geschätzt haben und sich immer sicher gefühlt haben. Als Destination mit 60 % ausländischen Gästen mit großem Überseeanteil im Winter sind wir auf uneingeschränkte Reisemöglichkeiten angewiesen. Diese werden spätestens im Winter 2022/23 wieder vollständig vorhanden sein. Je nach Entwicklung darf auch mit Blick auf den Winter 2021/22 bereits mit einer weitgehenden Normalisierung gerechnet werden. Die Gästezahlen aus den asiatischen Märkten haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Wir rechnen damit, dass bei freien Reisemöglichkeiten in diesem Bereich ein relativ hoher Nachholbedarf vorhanden sein wird.

Andy Varallo, Präsident der Alta Badia Brand Konsortialgesellschaft m.b.H, Präsident Dolomiti Superski (IT)

ISR: Herr Varallo, wie ist die Wintersaison 2020/21 generell bis jetzt für Sie verlaufen?

Andy Varallo: Unsere Skiregion Alta Badia hat sich heuer mit einem fast 100%igen Verlust abfinden müssen! Lediglich der Vierersessellift Gardenaccia in La Villa ist ausschließlich für Trainingsläufe bzw. Rennen der lokalen Skiclubs, für Skikurse und für Ausbildungszwecke des Bundesheeres in Betrieb gegangen. Wir haben das Glück gehabt, zwei Weltcuprennen austragen zu dürfen, der hohe mediale Wert der Events ist heuer erst richtig zum Tragen gekommen!

ISR: Herr Varallo, wie sieht es bei Ihnen in Hinblick auf Investitionen aus? 

Andy Varallo: Zum heutigen Stand sind wir noch nicht in der Lage langfristig zu planen. Aktuell investieren wir in eine Verbesserung der Beschneiungsanlagen, Fertigstellung und Begrünung von Erdarbeiten, die für den Bau von neuen Liftanlagen schon im Vorjahr durchgeführt worden sind. „On hold“ ist ein großes Projekt zum Bau eines Family B&B gehobener Kategorie.

ISR: Herr Varallo, wie schnell, denken Sie, wird sich der Wintertourismus in Ihrer Region erholen?

Andy Varallo: Diese Krise hat wirklich hart in unserer Wirtschaft eingeschlagen, etwas nachzuholen oder sogar das Verlorene aufzuholen wird wohl Utopie bleiben. Die Politik ist aktuell mit den Schwierigkeiten einer Pandemie konfrontiert, die wirklich nicht leicht zu überwinden sind. Wichtig ist, konsequent alle Wirtschaftskreise in die Diskussion für Zukunftsstrategien einzubeziehen und mit höchster Priorität eine ausgewogene Verteilung der Hilfspakete auszuarbeiten. Persönlich schätze ich, dass eine Normalisierung der Ankünfte mit der Wintersaison 2022/2023 stattfinden wird, das Skifahren als individuelle Sportart im Freien kann nicht länger gedrosselt werden.

​​​​​​​Jakob Falkner, Geschäftsführer der Bergbahnen Sölden (AT)

ISR: Herr Falkner, wie ist die Wintersaison 2020/21 generell bis jetzt für Sie verlaufen?

Jakob Falkner: Insgesamt wird unser Umsatzrückgang bei über 99 % liegen, weil wir uns im hinteren Bereich eines Tals befinden und den Skibetrieb im Grunde nur für Einheimische aufrechterhalten. Wegen der geschlossenen Hotels haben wir in dieser Wintersaison keine Nächtigungsgäste. Bis auf eine durchgehende Unterbrechung von drei Wochen war unser Skigebiet immer offen, wobei je nach Besucherzahlen unterschiedlich viele Anlagen in Betrieb sind. Wir wollen auch in den Osterferien offen lassen. Das Offenhalten unseres Skigebiets in dieser Situation ist die beste Imagewerbung bei den Einheimischen, aber leider auch die teuerste.

ISR, Herr Falkner: Was hätte die Politik in der Wintersaison 2020/21 anders machen können?

Jakob Falkner: Obwohl wir uns als „Tourismus-Nation“ bezeichnen, besteht in Österreich ein relativ großes Unverständnis gegenüber dem Skitourismus. Hätten die Hotels – so wie in der Schweiz – unter Auflagen öffnen dürfen, wären unsere Umsatzrückgänge deutlich geringer ausgefallen.

ISR: Herr Falkner, welche Investitionen planen Sie demnächst?

Jakob Falkner: Wir investieren natürlich regelmäßig in die Pisten und in die Beschneiung. Größere Investitionen sind in diesem Jahr der Neubau des Restaurants in der Mittelstation der Gaislachkogl-Bahn sowie eine neue Mountainbike-Strecke. Investitionen in Seilbahnen sind derzeit keine geplant.

ISR: Herr Falkner, was erwarten Sie in Hinblick auf die Sommersaison?

Jakob Falkner: Der Sommer 2020 ist für uns überraschend gut verlaufen. Bei entsprechenden Rahmenbedingungen rechnen wir wieder mit einer guten Sommersaison. Was die Gesamtsituation betrifft, gehe ich davon aus, dass wir das Vorkrisen-Niveau in zwei bis drei Jahren erreichen. Ich denke, bevor Gäste wieder Fernreisen auf sich nehmen, werden sie erst einmal in der Nähe Urlaub machen.

Jörg Wilke, Geschäftsführer Ettelsberg Seilbahn GmbH & Co KG, Willingen (DE)

ISR: Herr Wilke, wie ist die Wintersaison 2020/21 generell bis jetzt für Sie verlaufen?

Jörg Wilke: Wir mussten unsere Bahnen ab dem 2. November 2020 schließen. Zum Ende unserer eigentlichen Saison durften wir am 8. März 2021 als erstes deutsches Skigebiet noch für ein paar Tage Wintersport anbieten. Wirtschaftlich sind diese Tage nicht mehr relevant. Wir sehen die Öffnung auf der Saisonzielgeraden vielmehr als positives Zeichen und Mutmacher an unsere Mitarbeiter, Liftkollegen sowie andere touristische Betriebe im Land. Zudem möchten wir der Politik hiermit klar aufzeigen, dass unsere Hygienemaßnahmen bestens funktionieren und das deutschlandweite Wintersportverbot in Summe sinnlos war.

ISR: Herr Wilke, welche Investitionen planen Sie demnächst?

Jörg Wilke: Nachdem wir zwei schwache Vorwinter hatten und der potentielle Jahrhundertwinter 2020/2021 nun nahezu ausgefallen ist, können wir dieses Jahr faktisch keine nennenswerten Investitionen durchführen. So müssen sowohl diverse Investitionen in unsere Beschneiungsanlage, in die Mountainbike-Infrastruktur, aber auch in Maßnahmen für unsere Sommerausflügler um mindestens ein Jahr verschoben werden.

ISR: Herr Wilke, wie schnell denken Sie, wird sich der Wintertourismus in Ihrem Skigebiet erholen – was wünschen Sie sich von der Politik?

Jörg Wilke: Unsere Gemeinde lebt mit ihren 10.000 Gästebetten, 1,2 Mio. Übernachtungen und einer vielfältigen touristischen Infrastruktur zu über 80 % vom Tourismus. Von der Politik würden wir uns wünschen, dass man von der aus unserer Sicht unbegründeten, aber restriktiven Behandlung der gesamten Tourismusbranche abrückt und mehr Augenmaß und Sachlichkeit bei der Öffnung, z. B. von Außengastronomien, walten lässt. Wenn dies zeitnah geschehen sollte, hätten sicher viele Unternehmen eine vernünftige Überlebenschance nach dieser für uns alle deprimierenden Zeit.


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