Vancouver in British Columbia (CAN) war Veranstaltungsort des 12. OITAF-Weltseilbahnkongresses
Foto: C. Mantona

OITAF

Das war der OITAF-Weltseilbahnkongress 2024

Der 12. Weltkongress der OITAF (Internationale Organisation für das Seilbahnwesen) fand vom 17. bis 21. Juni 2024 in Vancouver/Kanada statt und war sowohl fachlich als auch gesellschaftlich ein schöner Erfolg. Das zentrale Motto lautete: "Ropeways – Smart Transport Solutions".

von: JN/CM

Kennern der OITAF-Statuten wird bereits aufgefallen sein, dass der diesjährige Weltseilbahnkongress der OITAF – der Organisation, in der alle seilbahninteressierte Personen, Ins­titutionen, Behörden, Hersteller und Seilbahnbetreiber in einem weltweiten Verband organisiert sind – statutengemäß nicht sechs Jahre, sondern pandemiebedingt sieben Jahre nach dem OITAF-Kongress 2017 in Bozen stattgefunden hat. Der scheidende OITAF-Präsident Mag. Jörg Schröttner, Leiter der Obersten Seilbahnbehörde im österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), war somit der einzige Präsident in der langen Geschichte der OITAF mit einer länger als sechs Jahre dauernden Amtszeit. Wir sind aber sicher, dass Jörg Schröttner auf diesen Rekord liebend gern verzichtet hätte.

Die erste Veranstaltung des OITAF-Kongresses 2024 war eine interessante Sightseeing-Tour für die Kongressteilnehmer in Vancouver am Vortag (17. Juni) der eigentlichen Arbeitssitzungstage. Der 18. Juni begann mit der offiziellen Begrüßung der ca. 190 Kongressteilnehmer aus der ganzen Welt durch den scheidenden OITAF-Präsidenten. Danach starteten die Vorträge, deren zentrales Motto Ropeways – Smart Transport Solutions durch folgende vier Themenkreise repräsentiert wurde:

  • Entwicklung der Seilbahnen im urbanen und im touristischen Bereich,
  • Betrieb von Seilbahnen,
  • Seilbahntechnik – neue Entwicklungen,
  • Dimensionen der Nachhaltigkeit.

Das neue OITAF-Führungsduo

Am Ende des zweiten Kongresstages (19. Juni) wurden während des exklusiven Gala-Dinners sowohl der frisch gewählte OITAF-Präsident Aureli Bisbe Lluch – ehemaliger Vorsitzender des renommierten spanischen Skigebiets Baqueira Beret – als auch der neue OITAF-Generalsekretär Nicola Barbolini vom Landesamt für Seilbahnen der Autonomen Provinz Bozen vorgestellt. Sie treten die Nachfolge von Jörg Schröttner als Präsident sowie Markus Pitscheider als OITAF-Generalsekretär an.

Aureli Bisbe Lluch, Vorsitzender von Baqueira Beret, dem größten Skigebiet Spaniens, leitete diese Wintersportdestination ab 1984 30 Jahre lang als General Manager. In dieses glamouröse Skigebiet kommt beispielsweise auch der spanische König sehr gerne zum Wintersport. Baqueira Beret befindet sich im Arantal (Val d‘Aran) in der katalonischen Provinz Lleida. Das Wintersportgebiet erstreckt sich auf einer Seehöhe von ca. 1.500 bis 2.510 m und verfügt dank seiner Ausrichtung in westlicher Richtung (Atlantik) während der ganzen Wintersaison über sehr gute Schneeverhältnisse.

Vor seiner leitenden Tätigkeit in Baqueira Beret hat der gebürtige Barceloner Aureli Bisbe Lluch, in La Molina, Espot, Vallter und Cerler gearbeitet. Der Wirtschaftsingenieur und in seiner Jugend Leistungsskifahrer war Präsident des Tourismusverbands der Ski- und Bergresorts in Spanien (ATUDEM) und ist derzeit Präsident des katalanischen Verbandes der Skigebiete und Aktivitäten in Muntanya (ACEM). Aureli Bisbe Lluch ist der erste Spanier, der zum OITAF-Präsidenten gewählt wurde. In seiner Ansprache betonte er das enorme Wachstumspotenzial der Seilbahnbranche, insbesondere als umweltfreundliches, nachhaltiges Verkehrsmittel auch in den Städten.

Referate der ersten Session

Vorweg sei festgehalten, dass die OITAF zwischenzeitlich die Referate in Form der von den Referenten vorbereiteten Texte und Powerpoint-Präsentationen auf der OITAF-Website online veröffentlicht hat. Die nachfolgenden Kurzfassungen der Referate dienen daher lediglich der inhaltlichen Orientierung – ein vertiefendes Nachlesen ist dann durch Abruf der Referatsunterlagen auf der OITAF-Website möglich. Die Referate der ersten Session gehörten zum Themenschwerpunkt Entwicklung der Seilbahnen im urbanen und im touristischen Bereich und umfassten die nachfolgend beschriebenen Vorträge.
 

Die Förderleistung von Seilbahnen im ÖPNV // Klaus Erharter & Paul Abed
Der Einsatz nachhaltiger Transportmittel ist eine Herausforderung, der sich Städte auf der ganzen Welt stellen müssen. Hier kann die Seilbahn eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Alternative darstellen. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, muss die Seilbahn bereits in der Planungsphase an die Bedürfnisse des ÖPNV angepasst werden. Der wichtigste Planungsparameter ist neben der Auswahl des Seilbahnsystems die Wahl der Förderleistung der Anlage. Die Förderleistung bestimmt maßgeblich sowohl den ökologischen als auch ökonomischen Mehrwert der Anlage. Sie bestimmt außerdem die Investitions- und Unterhaltskosten sowie die Akzeptanz der Seilbahn bei den Fahrgästen.

Um einen Überblick über die relevanten Planungsparameter zu gewinnen, wurde ein Erfahrungsbericht der 10er-Kabinenbahn Ecatepec in Mexiko-Stadt erstellt, die seit 2016 als innerstädtisches Transportmittel in Betrieb ist. Basierend auf diesem Erfahrungsbericht wurde eine Simulation der täglichen Passagierströme und deren Auswirkungen auf die erforderliche Förderleistung durchgeführt. Dabei wurden auch die Möglichkeiten einer dynamischen Anpassung der Förderleistung an das Passagieraufkommen analysiert. Für die verschiedenen Förderleistungen wurde jeweils eine Ökobilanz nach ISO 14044 und ISO 14040 erstellt, um deren ökologische Auswirkungen zu bewerten und damit wertvolle Entscheidungshilfen für die Planung von Seilbahnen im urbanen Raum zu liefern. Insbesondere werden folgende Empfehlungen gegeben:

  • Der tatsächliche Nutzungsgrad hat einen geringen Einfluss auf die Investitions- und Lebenszykluskosten.
  • Eine genaue Analyse der zu erwartenden Verkehrs­ströme wird dringend empfohlen. Eine Unterdimensionierung der Förderleistung führt zu langen Wartezeiten und ist nahezu unmöglich zu beheben.
  • Eine Überdimensionierung der Förderleistung lässt die Investitions- und Betriebskosten sowie den CO2-Fußabdruck ansteigen.
  • Eine geringfügige Überdimensionierung der Förderleistung sichert einen Spielraum für ein künftig höheres Verkehrsaufkommen. Dabei sollte die Anlage für eine höhere Fahrzeuganzahl und nicht für eine höhere Nennfahrgeschwindigkeit ausgelegt werden.

Burnaby Mountain Gondola: Herstellung der Rapid Transit Connection // Holly Foxcroft
Kabinenseilbahnen, die Teil regionaler Verkehrssysteme sind, gibt es beispielsweise in Mexiko-Stadt, Barcelona oder Medellín. In Nordamerika ist ihre Verbreitung jedoch weitaus geringer. Dabei könnten Kabinenbahnen für den städ­tischen Nahverkehr mehr Menschen effizienter und komfortabler befördern, sie benötigen weniger Platz für die Infrastruktur, nutzen erneuerbare Energien und können im Vergleich zu anderen ÖPNV-Projekten schnell gebaut werden. Im Beitrag wird untersucht, warum in Nordamerika angesichts ihrer zahlreichen Vorteile für Fahrgäste und Verkehrsbetriebe nicht mehr Seilbahnsysteme für den ÖPNV in Betrieb sind.

Antworten auf diese Frage und einen Überblick über einige der wichtigsten Überlegungen und Herausforderungen von Seilbahnen im städtischen Umfeld liefern die beim Projekt Burnaby Mountain Gondola (BMG) in der Stadt Burnaby in der Metropolregion Vancouver gewonnenen Erkenntnisse. Das BMG wurde erstmals 2009 als Erweiterung des bestehenden Schnellverkehrsnetzes konzipiert. Seit 2011 treibt TransLink, die regionale Verkehrsbehörde von Metro Vancouver, die Planung einer 3S-Bahn-Verbindung zwischen dem Schnellverkehrsnetz der Region und dem Gipfel des Burnaby Mountain mit der Simon Fraser Universität voran. Das Projekt befindet sich in der letzten Planungsphase vor der Umsetzung, eine baldige Finanzierung des Projekts scheint in Aussicht, ist jedoch derzeit noch nicht finalisiert.

Bereits jetzt kann man aber resümieren, dass das multidis­ziplinäre BMG-Projektteam einen kollaborativen und ganzheitlichen Ansatz für die Projektplanung gewählt hat, der Einblicke in die Sichtweise eines Verkehrsunternehmens bei der Planung einer städtischen Seilbahn gewährt. Diese Überlegungen können hilfreiche Informationen für Verkehrsunternehmen darstellen, die über den Bau einer Seilbahn für den ÖPNV nachdenken.

Drei Vorträge über herausragende städtische Seilbahnen
Der Themenschwerpunkt Entwicklung der Seilbahnen im urbanen und im touristischen Bereich wurde mit drei Referaten über äußerst erfolgreiche städtische Seilbahnverbindungen abgeschlossen, und zwar die 3S-Bahn Téléo in Toulouse (F), die Pendelbahn in Brest (F) mit zwei übereinander­liegenden Fahrspuren, das EUB-Seilbahnnetz Cablebús in Mexico City. Über diese Seilbahnanlagen haben wir in früheren ISR-Ausgaben bereits ausführlich berichtet.

Unsere Berichterstattung über den 12. OITAF-Weltseilbahnkongress in Vancouver setzen wir in den nächsten ISR-Ausgaben fort, die sie entweder als Abonnent beziehen oder als E-Paper zu einem späteren Zeitpunkt nachlesen können.


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