Das Ergebnis der Studie soll ein Leitfaden für die „Realisierung von Seilbahnen als Bestandteil des öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV)“ sein, der in zwei Jahren vorliegen soll. „Mit Studie und Leitfaden wollen wir Anreize setzen, eine nachhaltige Mobilität im urbanen Raum zu fördern und das öffentliche Verkehrssystem sinnvoll zu ergänzen“, erklärt dazu Steffen Bilger, der zuständige Parlamentarische Staatssekretär im deutschen Bundesverkehrsministerium. „Unser Ziel ist, einen nationalen Standard für urbane Seilbahnen in Deutschland zu schaffen, an dem sich Städte und Kommunen orientieren können“, so Bilger. Denn trotz der „beachtlichen Erfolge und nachweislichen Vorteile“ von Seilbahnen in vielen Metropolen weltweit, gebe es in Deutschland „wenig Erfahrungen mit Seilbahnsystemen im urbanen Bereich“, heißt es in der Leistungsbeschreibung des BMVI.
Weltweite Analyse von bestehenden Seilbahnen
Ein wesentlicher Bestandteil der Studie von Drees & Sommer und des VWI ist, die bereits existierenden urbanen Seilbahnen in Städten wie Medellín, La Paz, New York, Portland, Algier, Lissabon, Brest, Bozen, London und Ankara zu untersuchen. Im Fokus der Analyse der acht Fallbeispiele stehen jeweils der Einsatzzweck der Seilbahn, der Planungsprozess, die städtebauliche Integration, die Verknüpfung mit dem übrigen ÖPNV und die Auswirkungen auf den Verkehr. Abgeleitet werden sollen daraus Erkenntnisse für mögliche Seilbahnprojekte in Deutschland.
Seilbahnen als „nicht mehr wegzudenkende Option“
„Bei der Analyse gilt es natürlich, die teils großen gesellschaftlichen und politischen Unterschiede im Vergleich zu Deutschland einzubeziehen“, erklärt Sebastian Beck, Infrastruktur-Experte bei Drees & Sommer und Projektleiter für die Studie. Er ist überzeugt: „Seilbahnen als Ergänzung zum bestehenden öffentlichen Nahverkehr werden in Zukunft eine nicht mehr wegzudenkende Option sein, zumal der Verkehr in Städten und Ballungsräumen zunehmend an seine Grenzen stößt.“
Urbanen Raum optimal nutzen
Sein Kollege Stefan Tritschler vom VWI und stellvertretender Projektleiter der Studie pflichtet ihm bei: „Staus, Luftverschmutzung, Verkehrslärm, Flächeninanspruchnahme und Verkehrsunfälle zwingen uns zur Reduktion bestehender Belastungen. Seilbahnen nutzen den Luftraum weitestgehend unabhängig vom übrigen Verkehr, sind technisch ausgereift und erzeugen vor Ort kaum Emissionen. Vor allem aber sind sie leise, sicher, leistungsfähig und vergleichsweise kurzfristig realisierbar.“
Noch wenig Praxiserfahrung in Deutschland
Von verschiedenen Seilbahntypen in Bergtourismus-Destinationen abgesehen, existieren in deutschen Städten lediglich Seilbahnen in Berlin, Koblenz und Köln, die anlässlich der Bundesgartenschau entstanden sind. Allerdings gibt es zahlreiche Überlegungen und unterschiedlich weit fortgeschrittene Vorhaben zum Bau von Seilbahnanlagen als Ergänzung zum bestehenden öffentlichen Personennahverkehr, wie beispielsweise in Berlin, Bonn, Düsseldorf, Köln, München, Stuttgart oder Wuppertal. „Seilbahnen stellen für die Verkehrsbetriebe und die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger ein noch relativ neues Verkehrsmittel dar, das andere, zum Teil anspruchsvollere Anforderungen hinsichtlich Planung, Kommunikation und Realisierung erfordert, als die bisher gängigen Transportmittel“, meint dazu Sebastian Beck von Drees & Sommer.
Offensive Kommunikation gegenüber Anrainern
Vielfach würden Anrainer urbanen Seilbahn-Projekten zu Beginn äußerst kritisch gegenüberstehen, in der Folge aber nicht mehr auf Seilbahnen als urbanes Transportmittel verzichten wollen. „Wenn die Seilbahn auch in Deutschland Teil des Nahverkehrs werden soll, ist es zwingend notwendig, die Bevölkerung von Anfang an mitzunehmen. Nur wer den Dialog sucht und offensiv kommuniziert, kann auch die Bedenken der Menschen berücksichtigen und ausräumen“, so Beck. Erfolgsprojekte wie das in Koblenz würden zeigen, dass die Akzeptanz von urbanen Seilbahnen rasch steigt, wenn diese einmal errichtet wurden.