Dass ein offenes Oberdeck der Fahrzeuge beim herkömmlichen Pendelbahnsystem praktisch nicht möglich ist, versteht sich von selbst, denn ein offener Platz für Fahrgäste unter den Trag- und Zugseilen im Laufwerks- und Gehängebereich ist wohl kaum denkbar. Die Seile müssen also wo anders hin.
Die Lösung: Die bei größeren Pendelbahnen üblichen Doppeltragseile werden an die Seite der Fahrzeuge verlegt, ein Tragseil links und ein Tragseil rechts. Das Zugseil bleibt in der Mitte, wird aber vorne und hinten am Fahrzeug verankert.
Bei dem Projekt Cabrio-Bahn der Stanserhorn-Bahn-AG handelt es sich also um eine Pendelbahn mit breiter Spur der beiden Tragseile, zwischen denen die doppelstöckigen Wagen mit offenem Oberdeck von einem Zugseil bewegt werden. Die Führung der Fahrzeuge zwischen und nicht unter den Tragseilen macht den großen Unterschied und damit die Weltneuheit gegenüber dem Funifor-System aus, das ebenfalls ein Pendelbahnsystem mit breiter Tragseil-Spur ist. Es gibt bei der Cabrio-Bahn kein Gehänge, sondern einen Rahmen mit seitlich angebrachten Laufwerken, in dem die Doppelstockkabine niveaugeregelt gelagert ist. Die Drehachse der Kabine im Rahmen liegt im Deckenbereich zwischen oberem und unterem Fahrzeugdeck.
Jedem Seilbahntechniker ist klar, dass mit einer derartigen Anordnung eine Fülle von neuen Fragen auftaucht, die von den Garaventa-Konstrukteuren gelöst werden musste. Wir kommen darauf ein anderes Mal zurück.
Mutige Innovation
Eine neue technische Idee ist die eine Sache, die andere ist der Mut, ein innovatives Konzept in die Praxis umzusetzen und in einen Prototyp zu investieren. Innovationen haben bei der Stanserhorn-Bahn-AG eine lange Tradition. Historisch Wertvolles wie die Oldtimer-Standseilbahn (Baujahr 1893) bleibt erhalten, Neues mit viel frischem Wind im wahrsten Sinne des Wortes wird geschaffen. Mit der neuen Cabrio-Bahn, welche die bestehende Seilbahn von Kälti zum Stanserhorn im Jahr 2012 ersetzen wird, beweist die Stanserhorn-Bahn diese Einstellung. Das komfortable Doppelstockfahrzeug mit offenem Oberdeck ist eine absolute Neuheit in der Seilbahntechnik. Die untere Etage (weitgehend verglast) bietet Platz für 60 Gäste. Von den 60 Gästen können bis zu 30 Personen über die innenliegende Treppe aufs Sonnendeck wechseln. Die Fahrgäste genießen auf der Fahrt einen Rundblick und spüren den frischen Wind hautnah.
Zusätzlicher Erlebniswert
Den Verantwortlichen der Stanserhorn-Bahn war klar: wenn schon eine neue Bahn, dann eine, die neben der reinen Beförderungsaufgabe auch einen zusätzlichen Erlebniswert für die Gäste bringt. “Unsere Vision war es, das unvergleichliche Stanserhorn-Erlebnis noch zu verstärken. Wir wollen mit dieser technischen Innovation den Gästen während der Seilbahnfahrt eine weitere Dimension öffnen. Mit der Cabrio-Bahn spürt man den Fahrtwind und kann die Aussicht ‚Open-Air’ genießen“, erklärt dazu Reto Canale, Direktor der Kontrollstelle IKSS (Interkantonales Konkordat für Seilbahnen und Skilifte) und unabhängiger Berater der Stanserhorn-Bahn. Nach einer umfassenden Evaluierungsphase bekam die Schweizer Firma Garaventa AG den Zuschlag für Konzeption und Bau der neuen Anlage. Dazu Istvan Szalai, Direktor der Garaventa AG: „Wir freuen uns, zusammen mit der Stanserhorn-Bahn ein Zeichen schweizerischen Seilbahn-Know-hows zu setzen. Dass wir für die Stanserhorn-Bahn eine Weltneuheit entwickeln, welche Fahrgäste jeden Alters begeistern wird, erfüllt uns mit Stolz.“
Rücksichtnahme auf die Natur
Eine ursprüngliche, intakte Landschaft und die prächtige Vielfalt von Pflanzen und Tieren bilden mit der traumhaften Rundsicht das unverwechselbare Stanserhorn-Naturerlebnis. Um das Landschaftsbild möglichst wenig zu beeinträchtigen, ist eine harmonische bauliche Integration der Berg- und Talstation vorgesehen. Bei der Architektur setzt man auf ein bewährtes Team. Das Architekturbüro Waser und Achermann aus Stans, welches bereits im Jahr 2001 den Neubau des Drehrestaurants Rondorama auf dem Stanserhorn vorgenommen hat, wird auch beim neuen Projekt ihre Handschrift hinterlassen.
Finanzierungsmodell
Das Investitionsvolumen für das neue Seilbahnprojekt beläuft sich insgesamt auf rund 24 Mio. CHF (14,5 Mio. EUR). Ein Teil davon wird mit Eigenmitteln finanziert, ein weiterer aus Darlehen von Bund, Kanton und weiteren Investoren. Darüber hinaus ist im Rahmen der kommenden Generalversammlung der Stanserhorn-Bahn-AG im April 2010 eine Aktienkapitalerhöhung von 6.6 Mio. CHF (4,0 Mio. EUR) geplant. Jeder kann Mitbesitzer der neuen Cabrio-Bahn werden. Nach der Generalversammlung haben Interessierte die Möglichkeit, Aktien mit einem Ausgabekurs von voraussichtlich 1.200 CHF (727 EUR) zu zeichnen, was letztmals vor 37 Jahren der Fall war. Seit 15 Jahren zahlt die Stanserhorn-Bahn ununterbrochen Dividenden aus. Im Jahre 2008 waren es 8 %.
Betriebsaufname 2012
Die eigentlichen Bauarbeiten für die Bergstation und die Stützenfundamente beginnen im Sommer 2011. Nach Saisonschluss 2011 wird zunächst die bestehende Bahn abgebaut und umgehend der Bau der Talstation in Angriff genommen. Die Planung sieht vor, dass die neue Seilbahn am 1. Mai 2012 in Betrieb gehen wird.
JN