Die Gemeinde Adelboden im Berner Oberland gehört zu jenen Tourismusdestinationen, die einerseits in der Mentalität ihrer rund 3.600 Bewohner und in ihrer Bausubstanz ursprünglich und natürlich geblieben sind, andererseits aber neuere Entwicklungen durchaus nicht ablehnen. So gibt es hier einen berühmten Weltcup-Riesenslalom und -Slalom und das weltweit einzigartige „Trottiland“, ein 45 km umfassendes Wegenetz für die Trottis, eine Art Tretroller mit Handbremsen, mit denen man auf sieben verschiedenen Routen talwärts fährt und die dann mit den Seilbahnen wieder nach oben transportiert werden.
Eröffnung
VTK-Präsident Laurent Vaucher, Télé-Thyon SA, brachte in seiner Eröffnungsrede seine Freude über den Rekordbesuch der 53. VTK-Tagung zum Ausdruck und bezeichnete das alljährliche Treffen als absoluten Höhepunkt der Verbandstätigkeit. Er betonte, dass sich die Verantwortlichen in der VTK wieder sehr bemüht hätten, im Sinne des diesjährigen Mottos „Best Practice“ Referenten einzuladen, aus deren Erfahrungen die Teilnehmer praktischen Nutzen ziehen könnten.
Informationen der Aufsichtsbehörde IKSS
Das IKSS (Interkantonales Konkordat für Seilbahnen und Skilifte) war heuer aus besonderem Anlass mit zwei Referenten vertreten. Das IKSS hat eine turbulente Zeit hinter sich, die durch die überraschende Abberufung des Direktors der Kontrollstelle des IKSS, Reto Canale, gekennzeichnet war. Kuno Meier vom BAV (Bundesamt für Verkehr) übernahm am 1. Mai 2012 interimistisch die Leitung der Kontrollstelle.
Der Präsident der Geschäftsleitung des IKSS, Aurelio Casanova, ging auf die internen Probleme des IKSS nicht näher ein, sondern gab zunächst einen Überblick über die historische Entwicklung des IKSS und über die rechtliche Situation beruhend auf einem Konkordat (= Vertrag) zwischen dem Bund und den Kantonen, der 1951 geschlossen und 1955 in Kraft getreten ist. Gegenstand des Konkordates war und ist die Aufsichtstätigkeit über die nicht eidgenössisch konzessionierten Seilbahnen und Skilifte. Für die praktische Durchführung der Konkordatsaufgaben wurde eine technische Kontrollstelle eingerichtet, der im Wesentlichen folgende Aufgaben übertragen worden sind:
- Erstellen von Vorschriften für Bau und Betrieb der unter das Konkordat fallenden Anlagen,
- Begutachten von Projekten für Neuanlagen und Umbauten,
- Prüfung betriebsbereiter Anlagen,
- Durchführen von periodischen und außerordentlichen Kontrollen,
- Überwachen von Betrieb und Instandhaltung.
Seit 2006 ist die Kontrollstelle in Meiringen, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ausbildungszentrum der Seilbahnen Schweiz stationiert und hat zehn bis zwölf Mitarbeiter.
In den letzten Jahren musste sich das Konkordat vor allem den Herausforderungen im Zusammenhang mit dem neuen Seilbahngesetz stellen, welches am 1.1.2007 in Kraft gesetzt wurde. Die Umsetzung des neuen Gesetzes birgt auch heute noch reichlich Diskussionsstoff bis hin zur Frage, ob das Konkordat überhaupt noch zeitgemäß ist. Für Präsident Casanova steht das außer Zweifel. Per Ende 2011 seien vom Konkordat 230 Seilbahnen, 866 Skilifte, 755 Kleinskilifte und Förderbänder sowie 616 Schrägaufzüge und Rodelbahnen beaufsichtigt worden – und das professionell und zu angemessenen Kosten. Daher möchte das IKSS auch in Zukunft getreu dem Motto "Sichere Seilbahnen sind ein Stück Schweiz" einen Beitrag für die kantonalen Anlagen erbringen.
Kuno Meier, wie erwähnt seit dem 1. Mai interimistischer Leiter der Kontrollstelle des IKSS, bedankte sich zu Beginn seines Referates für das ihm entgegengebrachte Vertrauen und die kollegiale Aufnahme durch das IKSS-Team in Meiringen.
Bezugnehmend auf das Tagungsmotto „Best Practice“ sei das IKSS dazu angehalten, die bestmögliche Praxis, also Handlungsweise anzustreben, die der Sicherstellung eines störungsfreien und sicheren Betriebes der Seilbahnen dient.
Ausführlich befasste sich Kuno Meier mit dem Rollenverständnis in der Sicherheitsaufsicht. Die Situation der Betreiber sei heute häufig folgende:
- Vor allem Klein-Unternehmen (Betreiber von nur einer Anlage) seien sich oft ihrer Verantwortung nicht vollumfänglich bewusst;
- In vielen Fällen fehle die eigene Fachkompetenz;
- Der finanzielle Rahmen sei oft sehr eng;
- Die Anlagen seien oft relativ alt, der Erneuerungsbedarf sei groß.
Das Ziel des IKSS sei es, im Rahmen seiner Möglichkeiten die Unternehmen in der Wahrnehmung ihrer Verantwortung und ihrer Aufgaben zu unterstützen. Dies könne erreicht werden, indem das IKSS die Betreiber auf ihre Verantwortung aufmerksam macht und sie für ihre Rolle betreffend die Sicherheitsbelange sensibilisiert. Dadurch würden kontinuierliche Verbesserungsprozesse ausgelöst und die Unternehmen bekämen die Chance, aus den Erfahrungen der IKSS-Experten Nutzen zu ziehen, indem sie künftig ihre Aufgabe im geforderten Maß kennen und entsprechend eigenverantwortlich erledigen können. Der IKSS-Experte könne jedoch nicht die Kontroll- und Instandhaltungsarbeiten des Betreibers übernehmen.
Im zweiten Teil seines Referates berichtete Kuno Meier über Erkenntnisse aus der Überwachung. Bei der Inspektionstätigkeit stellen die IKSS-Mitarbeiter regelmässig fest, dass der technische Zustand der Anlagen hinsichtlich der Betriebssicherheit häufig nicht richtig beurteilt wird. Das Problem liegt oft beim Aspekt der Instandhaltung, der nicht die notwendige Beachtung geschenkt wird. Als Beispiele zeigte der Referent einen desolaten Beobachtungsstand eines Schleppliftes, ein am Boden aufsitzendes Spanngewicht mit schadhafter Spannseilbefestigung, eine mit Klebeband montierte Nothalt-Einrichtung und eine ebenso provisorisch befestigte Überfahrsicherung. Ein besonderes Problem stellt die Beurteilung des Seilzustandes dar. Kuno Meier zeigte anhand eines Beispiels auf, wie das Versäumen einer Frist für eine fällige Seilprüfung zu einem kritischen Seilzustand führen kann, der eine sofortige Betriebseinstellung nach sich zieht.
Den Bereich Statistik seines Referates hielt Kuno Meier relativ kurz. Erfreulich war die Tatsache, dass in der Erfassungsperiode 2011/12 keine Toten und keine Schwerverletzten zu verzeichnen waren. Schwerpunkte bei der Ereignisanalyse war en das Überbrücken von Sicherheitseinrichtungen der Steuerung und das Verhalten bei Umwelteinflüssen (z. B. Sturm, Baumfall auf Förderseil).
Kuno Meier schloss sein Referat mit einigen Informationen über die derzeit im IKSS laufenden Grundlagenarbeiten, die zu einer Verbesserung und Vereinfachung von Vorgängen der Aufsichtstätigkeit des IKSS im Sinne von „Best Practice“ führen sollen.
Informationen der Aufsichtsbehörde BAV
Auch im Bundesamt für Verkehr (BAV) gab es einige personelle Änderungen, bedingt durch eine Organisationsänderung des Bereichs Seilbahnen. Der Chef der 2011 neu geschaffenen Sektion Seilbahntechnik, Laurent Queloz, stellte das neue Organigramm des BAV vor. Ziele waren die Reduzierung der Schnittstellen, eine Vereinfachung der Abläufe, eine einheitliche Anwendung von Verfahrensschritten sowie eine einzige Zuständigkeit für die sicherheitstechnischen Aspekte. Dabei wurde eine Bündelung der Fachkompetenz der technischen Sachverständigen und eine Differenzierung der Prozesse betreffend Bewilligung und Überwachung erreicht.
Die Unfallstatistik des Jahres 2011 zeigt keine signifikanten Unterschiede zu den Vorjahren.
Das Hauptthema von Laurent Queloz war die Information über das so genannte Merkblatt 4, das in Zusammenarbeit mit allen Betroffenen der Branche erarbeitet wurde, um eine klare Regelung hinsichtlich bewilligungsfreier Instandhaltungsarbeiten und bewilligungspflichtigen Umbauten zu schaffen. Die Abgrenzung zwischen Instandhaltung und Umbau erfolgt nach einem klaren Ablaufschema.
Bei den rein technischen Kriterien wird unterschieden zwischen wesentlichen und nicht wesentlichen Änderungen, die zu einem Umbau mit oder ohne Verfahren führen, aber bei nicht wesentlichen Änderungen kann es zufolge juristischer Kriterien (z. B. Rechte Dritter) dennoch zur Notwendigkeit eines Verfahrens kommen.
Nach etwa einjähriger Debatte kam es zu einer von allen Beteiligten akzeptierten Lösung und Ende Juli konnte das Merkblatt 4 publiziert werden.
Referate
Die oben beschriebenen Referate der Behördenvertreter nahmen den Vormittag des ersten Veranstaltungstages in Anspruch. Am Nachmittag und am nächsten Vormittag stand eine Reihe von thematisch breit gefächerten Referaten auf dem Programm der 53. VTK-Tagung. In der ISR-Ausgabe 6/2012 werden über jene Themen berichten, die uns im Sinne des Mottos „Best Practice“ als besonders interessant erscheinen.
Josef Nejez