In seiner sechsten Auflage findet der Congreso Latinoamericano INTI MTC 2024 erneut in San Carlos de Bariloche, einem beliebten Reiseziel in Argentinien, statt. Die Veranstaltung umfasst neben Fachvorträgen im Auditorium auch Besichtigungen und praktische Workshops in Bergzentren.
Foto: Catedral Alta Patagonia SA
Organisationen Veranstaltungen Seilbahnen

ISR-INTERVIEW

Vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten in Lateinamerika

Ing. José Ignacio Talatinian leitet die Abteilung für seilbetriebene Mobilität des Instituto Nacional de Tecnología Industrial (INTI) in Buenos Aires, Argentinien, ist in der OITAF engagiert und Teil des Organisationsteams des 6. Lateinamerikanischen Seilbahnkongresses INTI MTC 2024 (30. Oktober bis 1. November 2024). Im Vorfeld der Veranstaltung sprach er im Interview über Trends in Lateinamerika, den schwierigen Arbeitsmarkt, die Stärke in Städten und die Chancen für Bergbahnen.

von: TS

ISR: Das Motto des Congreso Latinoamericano INTI-MTC lautet „Sicherheit“. Auch die Transformation der Seilbahnbranche in der Region steht im Fokus. Welche Trends, die auf der Veranstaltung diskutiert werden, beobachten Sie in Argentinien und Lateinamerika?
José Ignacio Talatinian: Wir vom INTI sind überzeugt, dass wir mit jeder Ausgabe des Kongresses dazu beigetragen ­haben, den Sicherheitsstandard von Seilbahnen in der Region zu erhöhen. Als technisches Referenzgremium haben wir eine kontinuierliche Zunahme der technischen Beratungen, erhebliche Anstrengungen der Dienstleister bei der Aktualisierung und Modernisierung der Anlagen und eine Intensivierung der Inspektion und Kontrolle sicherheitskritischer Komponenten beobachtet. Unser Ziel ist, weiterhin Wissen zu vermitteln und alle notwendigen Werkzeuge bereitzustellen, um diesen Trend aufrechtzuerhalten und zu verstärken. Darüber hinaus ermutigt uns das exponentielle Wachstum des Seilbahnverkehrs im städtischen Umfeld in Lateinamerika, diese Maßnahmen zu intensivieren.

Auf dem Kongress werden nicht nur neue Projekte und Technologien für Seilbahnanlagen sowie Fragen der Modernisierung, Inspektion und Wartung vorgestellt, sondern auch Erfolgsgeschichten von Seilbahnen als eine wirksame Lösung für die großen Herausforderungen der urbanen Mobilität in den Städten der Welt.

ISR: Welche Themen bewegen aktuell Seilbahnbetreiber in der Region?
José Ignacio Talatinian: In Lateinamerika beobachten wir einen Trend, der sich weltweit widerspiegelt: die Schwierigkeit, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten. Die Nachfrage ist sehr hoch, aber das Angebot ist begrenzt, und es ist beschwerlich, das Personal zu motivieren, vor allem diejenigen, die die Möglichkeit haben, außerhalb der Saison in Europa zu arbeiten. Für sie ist es sehr schwierig, sich vom europäischen Markt wieder zu trennen, wo die Lebensbedingungen andere sind und die Chancen für Arbeit und wachsenden Wohlstand eine starke Anziehungskraft ausüben. Diese Migration von Fachkräften wird dadurch begünstigt, dass lateinamerikanische Arbeitskräfte in Europa aufgrund ihrer Professionalität und ihrer hohen Anpassungs- und Handlungsschnelligkeit sehr geschätzt werden. Darüber hinaus stehen wir vor der großen Herausforderung des Generationsunterschieds in diesem Sektor, mit erfahrenen Fachleuten, die kurz vor dem Ruhestand stehen, und jungen Menschen, die nicht in der Lage sind, das gesamte Wissen ihrer Vorgänger zu übernehmen. Deshalb glauben wir, dass der Kongress eine einzigartige Gelegenheit für den Aufbau von Ressourcen und die Schulung von Mitarbeitern darstellt.

ISR: Wie hat sich die Branche in Lateinamerika in den letzten Jahren entwickelt?
José Ignacio Talatinian: In den letzten Jahren hat die Seilbahnbranche in Lateinamerika eine bemerkenswerte Entwicklung erfahren, insbesondere im Bereich der urbanen Mobilität. Diese Nachfrage nach effizienten Verkehrsmitteln in dicht besiedelten Städten hat zur Einführung von Seilbahnen in Städten wie Medellin, Bogota, La Paz oder Mexiko-Stadt geführt und sich als äußerst effizient bei der Bewältigung von Verkehrsstaus und der Verbesserung der städtischen Anbindung durch die einfache Integration in das Zug- und Busnetz erwiesen.

ISR: Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es?
José Ignacio Talatinian: Das Potenzial ist zweifelsohne groß und vielfältig. Die Region weist eine vielfältige Geografie und Umwelt auf, die den Ausbau dieser Art von Technologie begünstigt, sowohl in Gebirgsregionen als auch im städtischen Raum, wo man noch vor großen Mobilitätsherausforderungen steht. Die steigende Nachfrage nach energieeffizienten und umweltfreundlichen Transportlösungen in den Städten bietet dem Sektor eine bedeutende Wachstumschance.

ISR: Die Region ist ein weltweiter Vorreiter im Bereich der urbanen Seilbahnen. Warum funktioniert gerade hier dieses Verkehrskonzept so gut?
José Ignacio Talatinian: Meiner Meinung nach ist Lateinamerika aufgrund des dringenden Bedarfs an effektiven Mobilitätslösungen in dicht besiedelten Städten zum Vorreiter geworden. In vielen Fällen haben diese Anlagen die Fahrzeiten auf weniger als die Hälfte verkürzt, was besonders in Städten von Bedeutung ist, in denen das Wachstum die Prognosen überstieg und die Stadtentwicklung nicht optimal geplant werden konnte. Darüber hinaus ist eine Seilbahn schnell einsatzbereit, weist im Vergleich zu anderen Verkehrslösungen relativ niedrige Kosten auf, erleichtert die Anbindung wichtiger Knotenpunkte und verbessert die Qualität der Dienstleistungen für die Fahrgäste. All dies macht sie zu einer sehr attraktiven und effizienten Option, die man in Betracht zieht. Positive Erfahrungen in Nachbarländern mit ähnlichen sozioökonomischen Merkmalen stärken zudem das Vertrauen in diese Art von Anlagen.

ISR: Gibt es auch Potenzial für den Ausbau von Skigebieten bzw. Bergbahnen? Wo und unter welchen Bedingungen?
José Ignacio Talatinian: Selbstverständlich gibt es das Potenzial. In Südamerika, insbesondere in Argentinien und Chile, haben wir das Glück mit den Anden, das längste kontinentale Gebirge der Welt, was viele Möglichkeiten für die Entwicklung von Skigebieten bietet. Vergleicht man die Dichte der Anlagen in Europa, wo die Skigebiete gut entwickelt und verteilt sind, so wird deutlich, dass in Südamerika noch viel ungenutztes Potenzial vorhanden ist. Natürlich muss jedes Projekt, das in Betracht gezogen wird, nachhaltig sein und so viel wie möglich der Natur erhalten. Gegenwärtig befinden sich in der zentralen und südlichen Region Argentiniens viele ernsthafte Projekte in der Planungsphase, aber sie stehen vor großen Herausforderungen wie dem schwierigen Bau von Straßen in abgelegenen Gebieten und dem Fehlen einer angemessenen Infrastruktur.

ISR: Wie schwierig ist es, die Finanzierung für neue Seilbahnen oder für die Modernisierung bestehender Anlagen aufzustellen?
José Ignacio Talatinian: In Argentinien ist es tatsächlich eine Herausforderung, Finanzmittel für neue Anlagen zu bekommen. Diese Projekte erfordern beträchtliche Investitionen und einen langfristigen Zeithorizont, was bedeutet, dass die Investoren Geduld brauchen, bis sich ihre Investitionen amortisieren. Zusätzlich erschwert das Fehlen vorhersehbarer wirtschaftlicher Szenarien die Situation, da die Sicherung der finanziellen Stabilität eine ständige Herausforderung darstellt. Trotz dieser Hürden ist es wichtig festzuhalten, dass das Entwicklungspotenzial in der Region beträchtlich ist. Mit der richtigen Planung, dem Engagement aller Beteiligten und den positiven Erfahrungen in anderen Ländern der Region gibt es eine echte Chance und eine vielversprechende Zukunft für die Seilbahnen in Lateinamerika.

ISR: Vielen Dank für das Gespräch. 

Über den Congreso Latinoamericano INTI MTC 

Das INTI engagiert sich seit 2006 im Seilbahnsektor und brachte Dienstleister, Hersteller, Vollzugsbehörden sowie unabhängige Fachleute zusammen, um die besonderen Bedürfnisse, Merkmale und internationalen Vorschriften der Branche zu eruieren. In Argentinien gab es zuvor weder eine nationale Regelung noch ausreichend technische Informationen zu Seilbahnanlagen. Als Ergebnis daraus entstanden ein technisches Handbuch zum Thema „Sicherheit bei Seilbahnen“ und weitere Standardwerke zum Thema. Sie dienten als Grundlage für die Ausarbeitung eines nationalen Gesetzesentwurfs. Im Zuge dieser für die Branche wichtigen Entwicklung stellte das INTI im Jahr 2012 erstmals einen Kongress in Buenos Aires auf die Beine, um den Austausch unter Praktikern und Experten zu fördern. Seitdem wird dieser Branchentreff alle zwei Jahre an abwechselnden Standorten durchgeführt. Bis zu 200 Teilnehmer aus Ländern wie Argentinien, Chile, Brasilien, Kolumbien, Bolivien, Venezuela und Mexiko sowie auch aus Europa nehmen an dem Kongress teil, der Ende Oktober in Bariloche stattfindet.

www.argentina.gob.ar/6to-congreso-latinoamericano-inti-mtc-2024


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