Skirennen im freien Gelände
Ausgangspunkt war ein Rennen im freien Gelände. Die (späteren) Kläger mussten dazu „Startgeld“ bezahlen und eine Vereinbarung unterschreiben, mit welcher – zusammengefasst – jegliche Haftung des Veranstalters ausgeschlossen wurde. Die Auswahl der Rennstrecke erfolgte durch einen Mitarbeiter des Veranstalters, der vor dem Start das unverspurte Gelände abfuhr. Entlang seiner Fahrspur wurden am Rand des Rennverlaufs Torstangen gesetzt. Die Strecke wurde danach nicht erneut abgefahren, es fand auch keine Besichtigung durch die Teilnehmer statt. In Annäherung der Unfallstelle verlief die Strecke auf eine Geländekante mit einer danach steil abfallenden Grabenmulde zu. Direkt auf dieser Kante wurde eine Torstange gesetzt.
Der Veranstalter teilte vor dem Rennen mit, dass man sich an den gesteckten Toren orientieren solle, zwischen den Toren aber freie Streckenwahl herrsche. Auf besonders gefährliche Stellen wies er nicht hin. Nach dem Massenstart fuhren die Kläger in den Spuren der vor ihnen fahrenden Teilnehmer, weil sie damit höhere Geschwindigkeiten erzielen konnten als im Tiefschnee. Sie waren dabei auf das Renngeschehen und den Vordermann konzentriert. In Annäherung an die Unfallstelle fuhren sie auf die auf die auf der Kante gesetzte Torstange zu, diese war für sie die letzte sichtbare Markierung im Streckenverlauf. Als sie die Kante befuhren, verloren sie den Bodenkontakt und stürzten in die Grabenmulde, den sie erst unmittelbar vor der Kante wahrnahmen. Wäre die Torstange ca. 20 m vor der Kante gesetzt worden, wären die Teilnehmer entlang des Steilhangs abgefahren und wären die Stürze verhindert worden.
Entscheidung
Der OGH entschied, dass der Veranstalter für die Einhaltung der für Rennen zu treffenden Sorgfaltspflichten auch im freien Gelände haftet. Diese Anforderungen sind strenger, als die an einen Pistenhalter, da die Teilnehmer zum riskanten Fahren aufgefordert werden. Das freie Gelände ist zwar grundsätzlich nicht zu sichern, jedoch bestehen dann Ausnahmen, wenn – wie hier – geschaffene atypische Gefahren bekannt sind. Daraus folgt: Der Veranstalter eines Rennen im freien Gelände hat einen vorgegebenen Streckenverlauf vor geschaffenen atypischen Gefahren zu sichern.
Eine Mulde im freien Gelände ist grundsätzlich nicht untypisch. Hier wurde aber ein Rennen abgehalten und das Richtungstor direkt auf der Kante angebracht. Der Veranstalter musste also damit rechnen, dass die Teilnehmer dieses Tor anvisieren und hat er sie so zum Gefahrenbereich hingeleitet. Er konnte auch – auf Grund der Rennsituation – nicht erwarten, dass die Teilnehmer ohne entsprechende Warnung „auf Sicht“ fahren würden. Durch das Setzen des Tores auf der Kante hat er den Teilnehmern eine Fahrlinie in der Nähe der Mulde vorgeschrieben und dadurch eine atypische Gefahr geschaffen.
Kein Mitverschulden der Teilnehmer
Den Klägern hingegen ist keine Verletzung des Gebots des Fahrens „auf Sicht“ vorzuwerfen. Sie haben sich – wie in einem Rennen üblich – nur auf die markierte Strecke konzentriert, um das Rennen in möglichst kurzer Zeit zurückzulegen, was kein Fehlverhalten darstellt.
Kein Haftungssauschluss
Generell ist ein Haftungsausschluss nur dann wirksam, wenn er nicht gegen die „guten Sitten“ verstößt. Ein Ausschluss gegen Fehler oder Unterlassungen bei Sicherheitsvorkehrungen eines Skirennens ist nie wirksam. Hier hat der Veranstalter „aktiv“ eine atypische Gefahr geschaffen, die zum Sturz der Kläger führte, daher ist auch der Haftungsausschluss unwirksam.
Dr. Christoph Haidlen
www.seilbahnrecht.at