Sollte sich im Bereich dieses Verbundes nun ein Unfall ereignen, stellt sich die Frage, welcher Partner des Verbundes (zivilrechtlich) zu haften hat.
Ein solcher Kartenverbund kann sowohl auf demselben Staatsgebiet bestehen (z. B. SkiWelt Wilder Kaiser Brixental), als auch grenzüberschreitend zwischen Skigebieten zweier verschiedener Länder (z. B. Kleinwalsertal/Fellhorn). Für Österreich liegt nun eine aktuelle Gerichtsentscheidung vor, mit welcher die Haftung nach einem Skiunfall in einem grenzüberschreitenden Gebiet geklärt wurde.
Sachverhalt des Verfahrens
Die Silvretta Seilbahn AG und die Bergbahnen Samnaun AG betreiben gemeinsam das Skigebiet „Silvretta Arena“. Ischgl und Samnaun werden dabei durch 39 Lift- und Seilbahnanlagen verbunden. Die von einem der Partner verkauften Skipässe berechtigen die Wintersportler auch zur Nutzung der Anlagen des anderen Partners. Jeder der Partner ist für die Präparierung und Absicherung der Pisten auf „seinem“ Staatsgebiet verantwortlich.
Der Kläger – ein österreichischer Staatsbürger - erwarb bei der Silvretta Seilbahn AG einen Schipass, der ihn auch zur Nutzung der Anlagen auf der Schweizer Seite berechtigte. Beim Unfall befuhr er eine Piste auf Schweizer Gebiet, die er nur über eine auf österreichischer Seite liegende Seilbahnanlage erreichen konnte. Dabei stürzte er und erlitt schwere Verletzungen.
Der verletzte Wintersportler klagte die Silvretta Seilbahn AG auf Schadenersatz für die Unfallsfolgen. Grundsätzlich unstrittg war im Verfahren zuletzt einerseits die Tatsache, dass der Unfall durch eine mangelhafte Absicherung der Piste verursacht wurde, dass diese von den Bergbahnen Samnaun AG verursacht wurde und dass anderseits den Verletzten ein Mitverschulden von drei Vierteln trifft. Unklar war jedoch, welcher der beiden Partner des Kartenverbundes für die Unfallsfolgen zu haften hat.
Haftung für den Partner des Kartenverbundes
Zuerst war zu klären, wer bei einem solchen Kartenverbund aus einem Beförderungsvertrag für die mangelhafte Pistensicherung haften muss. Dabei ist entscheidend, mit wem der Wintersportler den Vertrag über die Nutzung der Anlagen und Pisten abgeschlossen hat.
Im vorliegenden Fall hat die Silvretta Seilbahn AG vor dem Kauf der Liftkarte durch den Verletzten nicht offen gelegt, dass sie den Vertrag für die Benutzung der Pisten auf der Schweizer Seite nur als Stellvertreterin der Bergbahnen Samnaun AG abschließt. Daher – so das Gericht - kam der Vertrag nur zwischen dem Verletzen und der Silvretta Seilbahn AG zustande, Vertragsinhalt war aber auch die Benützung der Pisten der Bergbahnen Samnaun AG.
Zu den Pflichten aus diesem Beförderungsvertrag gehört es, (u. a.) die Pisten zu sichern und zu betreuen. Das Gericht sprach davon, dass für die Benützung beider Skigebiete ein einheitlicher Vertrag vorliegt und dass die Silvretta Seilbahn AG daher auch für alle Pisten des gesamten Gebiets haften muss. Für den Wintersportler sei nicht ersichtlich, wo die Grenzen beider Gebiete liegen und wer für welchen Bereich verantwortlich ist.
Da somit die Pistensicherung auch auf Schweizer Staatsgebiet zu den vertraglichen Pflichten der Silvretta Seilbahn AG gehört, haftet sie für das Verhalten der Bergbahnen Samnaun AG wie für ein Fehlverhalten ihrer eigenen Mitarbeiter. Das unabhängig von der Tatsache, dass sie den Mitarbeitern der Bergbahnen Samnaun AG gegenüber nicht weisungsbefugt ist. Natürlich sind auch die Bergbahnen Samnaun AG gegenüber ihren eigenen Kunden - die den Schipass bei ihr gekauft haben - zur Pistensicherung verpflichtet, das schließt es aber nicht aus, dass sie für Kunden der Silvretta Seilbahn AG zugleich deren Gehilfin war.
Ein weiteres Argument, mit welchem die Haftung der Silvretta Seilbahn AG begründet wurde, war die Tatsache, dass der Verletzte auf der Schweizer Seite eine Piste befuhr, die er mit Alpinschiern nur mit Hilfe einer österreichischen Seilbahnanlage erreichen konnte.
Rechtslage im Alpenraum
Im vorliegenden Fall haftete somit ein Österreichisches Skigebiet für das Fehlverhalten der Mitarbeiter des Schweizer Kartenverbundpartners. Umgekehrt ist der Fall natürlich genauso denkbar.
Ein kurzer Blick in die Länder der Alpenregion ergibt, dass dort die Rechtslage vergleichbar ist: Auch dort besteht allgemein der gesetzliche Grundsatz, dass (wie im vorliegenden Fall) der Vertragspartner des Wintersportlers (Bergbahnunternehmen) für seinen Kooperationspartner (anderes Skigebiet) zu haften hat. In Deutschland ergibt sich dies aus der Bestimmung des § 831 BGB, in der Schweiz aus Art. 55 OR. In Frankreich ist der „Geschäftsherr“ gemäß Art 1384 des Code civil für einen Schaden verantwortlich, der von seinem Gehilfen verursacht wurde („qui est causé par le fait des personnes dont on doit répondre“), ebenso ist dies in Italien gemäß Art 2049 des Codice civile („I padroni e i committenti sono responsabili per i danni arrecati dal fatto illecito dei loro domestici e commessi“).
Gemeinsam ist den Rechtsordnungen des Alpenraums, dass eine solche Haftung dann eintreten kann, wenn ein Beförderungsvertrag zwischen Bergbahnunternehmen und Wintersportler besteht und der Kooperationspartner des Bergbahnunternehmens einen Schaden verursacht hat (dieser Grundsatz gilt auch in der Rechtsprechung der Gerichte in den USA und Kanada).
Schlussfolgerung
Berechtigt der bei einem Partner eines Kartenverbundes gekaufter Skipass auch zur Benützung der Seilbahnanlage und Pisten anderer Partner, so muss der Verkäufer des Skipasses als Vertragspartner des Wintersportlers für die Pistensicherungspflicht im gesamten Skigebiet einstehen. Er haftet daher auch für das Verschulden der anderen Partner.
(erschienen in ISR 4/08, Christoph Haidlen)