Wie allgemein bekannt ist, haften Seilbahnunternehmen für die Folge von Unfällen ihrer Gäste im Bereich der Pisten auf Grund des Beförderungsvertrages. In dessen Rahmen sind sie verpflichtet, die ihnen möglichen Maßnahmen zu setzen, um eine Gefährdung der Wintersportler (durch atypische Gefahrenquellen) zu vermeiden. Gefahrenquellen, die vom Unternehmen z. B. durch bauliche Maßnahmen geschaffen wurden, sind ebenfalls zu abzusichern.
Umkehrplatz der Pistenraupe ist nicht abzusichern
Im ersten Fall befuhr der Kläger eine Piste, die sich im unteren Bereich auf Grund eines (aperen) Erdwalls verengt. Der Erdwall ist für kontrolliert abfahrende Skifahrer als unbefahrbares Hindernis erkennbar. Das unmittelbar davor liegende Gelände wird als Umkehrplatz für die Pistengeräte verwendet und war nicht präpariert (Abdrücke der Raupenketten). Er war auch nicht eigens abgesichert. Der Kläger fuhr – als er einem anderen Skifahrer auswich – nach rechts und geriet in den nicht präparierten Bereich vor dem Erdwall. Dort versuchte er einen Rechtsschwung zu setzen, wurde dabei auf den Erdwall geschleudert und verletzt. Er klagte das Seilbahnunternehmen auf Grundlage des abgeschlossenen Beförderungsvertrages.
Das Gericht wies die Klage ab und begründet seine Entscheidung damit, dass der Pistenhalter nur den von ihm organisierten Skiraum zu sichern hat. Diese Pflicht umfasst auch außergewöhnliche Gefahren im unmittelbaren Nahebereich der Piste. In diesem Fall war das Gericht jedoch der Ansicht, dass der Umkehrplatz zwar nicht durch Hinweisschilder, Absperrungen etc. von der präparierten Piste abgetrennt war, dass jedoch für jedermann deutlich erkennbar war, dass es sich hier nicht um einen für Wintersportler gewidmeten Teil der Piste handelt. Der Pistenhalter muss nicht mit dem Befahren dieses Geländes rechnen und es daher auch nicht präparieren. Daher bestand für das Seilbahnunternehmen auch keine Pflicht, den deutlich erkennbaren aperen Erdwall gesondert abzusichern und wurde die Haftung verneint.
Absicherung einer Schneepyramide
In einer Entfernung von ca. 150 m von der Talstation (und außerhalb der präparierten Pisten) hatte das beklagte Seilbahnunternehmen für eine Veranstaltung eine Schneepyramide errichtet. Von der Talstation kommend, konnte man zu Fuß über das gewalzte Gelände bis zur Pyramide gehen. Die während der (bereits durchgeführten) Veranstaltung angebrachte Absperrung, die ein Besteigen der Pyramide verhindern sollte, war am Unfallstag teilweise schon entfernt worden, Absperrmaßnahmen waren nicht ergriffen worden.
Die 13-jährige Klägerin war nach der Benutzung des Skigebiets gemeinsam mit ihrer Mutter zur Pyramide – auf der bereits Kinder spielten – gegangen und ist auf diese hinaufgeklettert. Dabei rutschte ihr ein anderes Kind von oben entgegen. Die Klägerin wich aus, stürzte in die Tiefe und erlitt dadurch diverse Brüche. Sie klagte mit der Begründung, die Pyramide sei nicht abgesperrt und frei zugänglich gewesen. Sie hätte aber abgesichert werden müssen, damit sie nicht von Kindern als Spielplatz benützt hätte werden können. Aufgrund der fehlenden Absperrung sei es für sie nicht erkennbar gewesen, welche Gefahr die Pyramide darstellt.
Das Gericht sprach der Klägerin 50% des geforderten Schadenersatzes zu, 50% der Ansprüche der Klägerin wurde wegen ihres Mitverschuldens abgewiesen. Es begründet diese Haftung des Seilbahnunternehmens nicht mit der Verletzung von vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten, sondern mit einem Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflichten: Das Unternehmen hätte – so das Gericht – die Gefahr des Besteigens der von ihm errichteten Pyramide erkennen müssen. Es sei geradezu wahrscheinlich, dass Kinder die Pyramide besteigen würden. Da das Unternehmen keine Absperrungen angebracht hatte, die dies verhindern, müsse es für 50% des Schadens haften.
Schlussfolgerung
„So weit, so gut“, möchte man nach dem Lesen der ersten Entscheidung meinen. Es ist nachvollziehbar, dass das Unternehmen für den geschilderten Unfall abseits der Piste nicht zu haften hat. Wenn da nur nicht auch Entscheidungen wie die zweite vorliegen würden. Hier eine Haftung des Seilbahnunternehmens auszusprechen, ist meiner Meinung nach nicht nachvollziehbar: Die von ihrer Mutter begleitete (!) Klägerin ist auf die Pyramide geklettert, obwohl die mögliche Gefahr für sie erkennbar sein musste. Auch ihre anwesende Mutter hat sie nicht daran gehindert.
Als Fazit des Vergleichs dieser beiden Entscheidungen wird deutlich, dass die Frage, für welche Unfälle gehaftet werden muss, nur sehr schwer vorherzusagen ist: „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage!“
(erschienen in ISR 2/2010, Christoph Haidlen)