Von 28. bis 29. September 2015 trafen sich zahlreiche Experten/-innen und Entscheidungsträger/-innen der Bergbahnindustrie und der Tourismusbranche im Tauern SPA Zell am See/Kaprun (A) zum zweiten Event der Veranstaltungsreihe BERG-UM-WELT. Veranstalter war die Stiftung „pro natura pro ski“ in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur Wien unter der Organisation von Alexandra Jiricka und Ulrike Pröbstl-Haider. Wie auch im vergangenen Jahr gelang der Brückenschlag zwischen angewandter Forschung und Praxis und führte zu einem lebendigen, Branchen-übergreifenden Austausch.
Wellbeing und Gesundheit am Berg als touristisches Produkt
Im Rahmen der Veranstaltung BERG-UM-WELT wurde das Potenzial für Wellbeing und Gesundheit im alpinen Tourismus aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Vorträge aus der Trendforschung, den Sport- und Umweltwissenschaften sowie der Praxis der Tourismusentwicklung im Alpenraum mündeten in eine lebendige Diskussion unter den rund 50 Teilnehmern/-innen. Dabei standen folgende Fragen im Vordergrund: Welche körperlichen und emotionalen gesundheitlichen Vorteile bringt Wintersport am Berg? Wie wirkt intakte Natur und Berglandschaft auf das psychisch-emotionale Wohlbefinden? Wie passt dies zu gesellschaftlichen und touristischen Trends und wie kann man entsprechende Angebote (weiter) entwickeln und kommunizieren.
Vorträge
Zum Auftakt zeigte Peter Wippermann, einer der bekanntesten Trendforscher im deutschsprachigen Raum, was die Gesellschaft derzeit im Bereich Gesundheit und persönliches Wohlbefinden antreibt, wie aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen das Reiseverhalten in den nächsten Jahren beeinflussen werden und welche Rolle Gesundheit und Natur für die alpinen Touristen der Zukunft spielen werden. „Mentale Fitness wird ebenso wichtig wie körperliche Gesundheit. Immaterielle Werte und Lebensglück stehen im Vordergrund und die Selbstoptimierung ist ein großes Thema“, so Wippermann. Während die Natur als solches früher selbstverständlich war, hat sie in den letzten Jahren eine neue Bedeutung bekommen als „Gegenangebot zur virtuellen Welt“. Alpine Landschaften eignen sich laut Wippermann sehr gut, um die Erwartungshaltung vieler Urlauber/-innen von heute „anzutriggern“, da sie sowohl „Ausgeglichenheit als auch Kraft und Schlagfertigkeit“ vermitteln.
Den Einfluss des alpinen Wintersports auf die psychische und physische Gesundheit der Gäste bestätigte Günter Amesberger von der Universität Salzburg. Er betonte die Rolle von Natur als „Katalysator“. „Auf der Suche nach Selbstbestimmung in einer sehr reglementierten Gesellschaft bieten Berge und Naturerlebnis viele Anreize“, so Amesberger. Alpine Landschaften seien dabei auch „Sehnsuchtsraum für den Menschen“. Amesberger erklärte auch den Zusammenhang zwischen dem Glücksempfinden durch Bewegung in alpiner Landschaft und dem persönlichen Risikoverhalten. Während eines „Flows“ – dem kompletten Aufgehen im Tun – kann die eigene Leistungsgrenze auch unbemerkt (z. B. durch überhöhte Geschwindigkeit) überschritten werden. Aufklärung und Vorsichtsmaßnahmen seien deswegen vor allem für weniger geübte Wintersportler/-innen wichtig, um neben der Freude auch die Sicherheit auf der Piste zu garantieren.
Die psychischen und physischen Effekte auf die Gesundheit wurden in mehreren Langzeitstudien von der Universität Salzburg untersucht. Insbesondere bei älteren Personen zeigte sich bei einer dreimonatigen Skilaufintervention eine deutliche Verbesserung des „Körperselbstkonzeptes“. Die Testpersonen nahmen sich selbst als kräftiger wahr und zeigten eine hohe positive emotionale Befindlichkeit während der gesamten Skitage. Die Studie bestätigt, dass bei moderatem, auf ältere Personen abgestimmtem Skilauf keine negativen Belastungen stattfinden. Hier ist insbesondere die Betreuung durch einen/eine Skilehrer/-in mit Erfahrung mit dieser Altersgruppe wichtig.
Über die Bandbreite an Studien zu „Gesundheit in Natur und alpiner Landschaft“ informierte Ulrike Pröbstl-Haider von der Universität für Bodenkultur. Ziel dabei war es aufzuzeigen, welche Art von Begleitforschung für Produktentwicklung und Marketing nützlich sein kann. Zahlreiche internationale Beispiele dienten zur Illustration der möglichen Einflussfaktoren. Darüber hinaus zeigte sich Pröbstl-Haider ambitioniert, dass ein positiver Bezug zu Natur und Umwelt in Hinblick auf die eigene Gesundheit auch dem Naturschutz dienen könne: „Man passt auf das, was einem wichtig ist, auch besser auf – vor allem, wenn man weiß, dass es einem selbst gut tut“, so Pröbstl-Haider.
Marcus Linford von CONOS differenzierte in seinem Vortrag Zielgruppen für den Gesundheitstourismus und zeigte aktuelle Fallbeispiele der Produktentwicklung aus dem Alpenraum. Während bei der Zielgruppe „Gesundheit in den Bergen im Winter“ vor allem die allgemeine Steigerung des Wohlbefindens und der Rückzug in „Wohlfühloasen“ im Vordergrund stehen, so ist für die Zielgruppe „Gesundheit durch Sport in den Bergen“ die Verbesserung der eigenen Leistungsfähigkeit wichtiger. Angebote wie „weg mit dem Winterspeck“ wirken hier, um Gäste anzusprechen. Weniger „spitzengetriebene Sportarten“ sondern vielmehr „Freude an Bewegung im Schnee und alternative Wintersportangebote“ sind wichtig. Auch bei der dritten Zielgruppe „Gesundheit durch Skisport“ geht es vorrangig um das Gesamterlebnis, das durch neue Angebote wie „Ski & Entspannung“ oder „Ski & Kulinarik“ unterstützt wird. Gerade für ältere Personen und Wiedereinsteiger bieten solche Zusätze den Anreiz, in die Destination zu kommen. Ziel ist es laut Linford, „den Skisport angenehmer und genussvoller zu machen“. Sowohl „60-plus-packages“ als auch Trendangebote wie „Ski-Yoga“ oder „Haubenköche auf Skihütten“ passen zu dieser Entwicklung.
Paneldiskussion
Im Rahmen der abschließenden Paneldiskussion tauschten sich Praktiker/-innen aus Österreich und der Schweiz über aktuelle Entwicklungen im Gesundheits- und Wellnesstourismus im Alpenraum aus. Neben Chantal Beck vom Schweizer Tourismus Verband (STV), die Strategien in der Zertifizierung und Förderung von alpinen Wellness Top Destinationen aufzeigte, nahmen Philipp Kemmler von „Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair“, Reinhard Lanner von „SalzburgerLand Tourismus“ sowie Wolfgang Urban, Direktor des Nationalparks Hohe Tauern, teil.
Alexandra Jiricka
Kasten:
INFOBOX
Mit BERG-UM-WELT wurde eine Plattform für Wissenschaftler, Seilbahnunternehmungen, Touristiker, Vereine und Verbände geschaffen, die es erlaubt, auch künftig aktuelle Fragen im Zusammenhang mit einer umweltfreundlichen Tourismusentwicklung in den Bergen zu diskutieren. Die Fortführung der Veranstaltungsreihe ist für 2016 in der Schweiz geplant um den internationalen Austausch stärker zu fördern. Vorträge und Fotos der Veranstaltung finden Sie auf bergumwelt.boku.ac.at.