Entwurfsgrundsätze
Der wesentliche Unterschied zwischen EUB (Einseilumlaufbahn) und DUB (Doppel-Einseilumlaufbahn, Funitel (1) einerseits und ZUB (Zweiseilumlaufbahn) und 3S-Bahn (Dreiseilbahn) andererseits liegt in der Funktion der Betriebsseile.
Bei der EUB werden die Fahrzeuge durch ein als Förderseil bezeichnetes Seil gleichzeitig getragen und bewegt. Bei der DUB werden die Fahrzeuge durch zwei parallel laufende Förderseile oder durch ein Förderseil, das eine Doppelschleife bildet, gleichzeitig getragen und bewegt. (Text aus der Seilbahnnorm EN 1907).
Bei der ZUB und der 3S-Bahn werden die Fahrzeuge durch zwei getrennte Seile oder Seilgruppen getragen (Tragseil) und bewegt (Zugseil). Die 3S-Bahn ist eine Zweiseilumlaufbahn mit Doppeltragseilen.
Aus dieser unterschiedlichen Funktion der Betriebsseile bei den verschiedenen Seilbahnsystemen ergibt sich eine Reihe von Entwurfsgrundsätzen, die vor allem folgende Bereiche betreffen:
- Längenschnitt,
- Förderleistung,
- Bahnreibung,
- Windstabilität,
- Bergung.
Längenschnitt
Der wichtigste Unterschied bei der Längenschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom Kabinen-Umlaufbahnsystem besteht bei den möglichen Seilfeldlängen.
- EUB: Bei willkürlich ausgewählten 16 EUB der letzten Zeit ergab sich eine durchschnittliche Seilfeldlänge von nur 160 m. Die größtmögliche Seilfeldlänge ist stark von der Förderleistung abhängig (Kabinengröße und Fahrzeugabstand).
- DUB: Bei der DUB sind im Vergleich zur EUB – ähnliche Förderleistungen vorausgesetzt – deutlich größere Seilfeldlängen möglich. Der größere Fahrzeugabstand und die bessere Führung des Doppel-Förderseiles auf den Stützen sind dafür verantwortlich. In einer Statistik der derzeit in Betrieb stehenden Funitels findet sich als längstes Seilfeld ein solches mit 660 m.
- ZUB: Im Artikel „Haben Zweiseil-Umlaufbahnen eine Zukunft?“ in ISR 1/2015 gibt es eine Tabelle mit technischen Daten von neun modernen ZUB. Aus den Bahnlängen und der Stützenanzahl ergibt sich eine durchschnittliche Seilfeldlänge von ca. 600 m (das bei allen Anlagen vorhandene kurze Seilfeld vor der Bergstation wurde dabei nicht mitgerechnet). Das längste Seilfeld einer ZUB weist die „Ngong Ping 360“ in Hongkong auf. Es hat eine schräge Länge von 1.508 m.
- 3S-Bahn: Durch die Doppel-Tragseil-Technik werden hier Seilfeldlängen möglich, die denen bei den Pendelbahnen entsprechen. Vereinfacht gesagt: Nicht die mögliche Seilfeldlänge bestimmt den Längenschnitt, sondern die Zwangspunkte des Geländeprofils bestimmen die Seilfeldlänge. Das längste Seilfeld einer 3S-Bahn hat die Anlage „Peak to Peak“ in Kanada. Dieses nahezu horizontale Seilfeld überspannt ein Tal mit einem größten Bodenabstand von 436 m und ist 3.024 m lang.
Förderleistung
Beim Umlaufbahnsystem errechnet sich die theoretische Förderleistung (M) bekanntlich aus dem Fassungsraum (m) und der Folgezeit (t) der Fahrzeuge nach der Beziehung M = m x 3.600/t.
Bei den Kabinen-Umlaufbahnsystemen sind folgende Kabinengrößen (m) üblich:
- EUB: 4er-, 6er-, 8er-, 10er-, 15er-Kabinen,
- DUB: meist 24er-Kabinen,
- ZUB: früher 4er-, 6er-, heute 15er- bis 17er-Kabinen
- 3S-Bahn: 28er-, 30er-, 35er-Kabinen
Die Fahrzeugfolgezeit (t) ergibt sich als Quotient aus dem Fahrzeugabstand (w) und der Fahrgeschwindigkeit (v): t = w/v.
Für den Wagenabstand (w) und die Fahrgeschwindigkeit (v) gibt es eine ganze Reihe von technischen Grenzen. So hängt der Wagenabstand beispielsweise vom Verhältnis der Streckengeschwindigkeit zur Stationsgeschwindigkeit sowie von den Erfordernissen von Sicherheitseinrichtungen (Auffahr-, Durchfahrsicherung) und Sicherheitsstrecken ab.
Den größten zulässigen Nennfahrgeschwindigkeiten sind durch die EU-Seilbahnnorm Grenzen gesetzt. Die neuesten Werte lauten (FprEN 12929-1):
- EUB: 6,0 m/s
- DUB: 7,0 m/s
- ZUB: 7,0 m/s (früher 6,0 m/s)
- 3S-Bahn: 8,0 m/s (früher 7,0 m/s)
Es stehen also die Förderleistung (M), der Fahrzeugfassungsraum (m), die Fahrzeugfolgezeit (t), Die Fahrgeschwindigkeit (v) der Fahrzeugabstand (w) und damit auch die Anzahl der Fahrzeuge pro Kilometer Bahnlänge (Fz/km) in einem direkten Zusammenhang. Die nachfolgende Tabelle gibt für eine Förderleistung von 3.000 P/h je ein Beispiel für die Kombination dieser Werte an (Abb. 1). Die Fahrgeschwindigkeit wurde dabei entsprechend den Werten aus der EU-Norm gewählt.
Bei einer 8er-EUB braucht man also für eine Förderleistung von 3.600 P/h fast fünf mal so viele Fahrzeuge wie bei einer 3S-Bahn.
Bahnreibung
Die Reibungskräfte auf der Strecke unterscheiden sich beim Einseil- und Zweiseilsystem wesentlich:
Bei EUB und DUB resultiert die für die Umfangskraft und damit für den Energieverbrauch relevante Reibungskraft hauptsächlich aus der Reibung des Förderseiles beim Lauf über die Stützenrollen. Die Reibungskraft ist also das Produkt aus der Summe der Rollenlasten mal dem Reibungsbeiwert zwischen Förderseil und Rollenfutter, in der Norm als Berechnungsvorschrift mit 3,0 angegeben (in der Praxis treten geringere Werte auf). Entscheidend ist, dass auch die durch die Förderseil-Spanneinrichtung erzeugte Grundspannkraft des Förderseiles an jeder Stütze eine Ablenkkraft erzeugt, die die Rollenlasten erhöht. Dieser Reibungsanteil tritt beim Zweiseilbahnsystem nur in geringem Ausmaß auf (Zugseil auf Zugseiltragrollen). Bei ZUB und 3S-Bahn resultiert die Reibungskraft hauptsächlich aus dem Rollwiderstand der Laufwerke auf dem/n Tragseil/en. Der Reibungsbeiwert ist hierfür in der Norm mit 2,0 angegeben. Für die Rollenlasten kommt nur die Gewichtskomponente der Fahrzeuge und des Zugseiles quer zur Tragseilachse zum Tragen; je steiler die Bahn, umso geringer die Reibung. Dazu kommt noch, dass bei vergleichbaren Anlagegrößen das Zugseil von ZUB oder 3S-Bahn leichter ist als das Förderseil von EUB oder DUB.
Die für die Umfangskraft und damit für den Energieverbrauch relevante Reibungskraft wird beim Einseilbahnsystem etwa zwei bis drei mal so groß sein wie bei einem vergleichbaren Zweiseilsystem. Allerdings macht ja die Reibungskraft im Normalfall der Bergbahnen nur einen kleinen Teil der Umfangskraft aus, aber sie fällt dennoch ins Gewicht – bei steilen Bahnen weniger, bei flachen Bahnen mehr.
Windstabilität
Hinsichtlich Empfindlichkeit gegenüber Seitenwind sind zwei Bereiche zu unterscheiden:
- Seitenwind auf der freien Strecke: maßgebend für die seitliche Auslenkung der Seile und damit für die Entgleisungssicherheit an den Stürzen,
- Seitenwind, insbesondere Böen, auf das einzelne Fahrzeug: maßgebend für die Querpendelung und damit Freigängigkeit gegenüber Stützenschäften und Fahrverhalten bei Stationseinfahrten.
Was den Seitenwind auf der freien Strecke betrifft, weisen die ZUB und die 3S-Bahn entscheidende Vorteile gegenüber den Einseil-Umlaufbahnsystemen auf: die Tragseile sind auf den Stützen in Schuhrillen gelagert, die das Seil zu 180° umschließen, und sind stärker gespannt als Förderseile, werden daher seitlich weniger ausgelenkt.
Für das Verhalten einzelner Fahrzeuge unter Seitenwindeinfluss sieht die Situation etwas anders aus. Hier geht es darum, welche Auspendelung eine Windböe quer zur Bahnachse erzeugt und welche Kräfte – über die Rückstellkraft aus dem Fahrzeuggewicht hinaus – ein rückdrehendes Moment bilden, das die Tendenz hat, das Fahrzeug lotrecht zu stellen und Schwingungen zu dämpfen.
- Beim EUB-Fahrzeug gibt es abgesehen vom minimalen Einfluss der Torsionssteifigkeit des Förderseiles kein rückdrehendes Moment, lediglich die horizontalen Auflagerreaktionen an der Klemme wirken schwingungsdämpfend.
- Beim DUB-Fahrzeug mit breiter Spur (Funitel) gibt es auf der freien Strecke ein starkes rückdrehendes Moment aus der Trägheit der parallelen Förderseile; auf und im Nahbereich der Stütze kommt es praktisch zur Zwangsführung der Fahrzeuge in lotrechter Position.
- Beim ZUB-Fahrzeug wirkt das Zugseil mit seinem Gewicht und seiner Trägheit rückdrehend.
- Beim 3S-Fahrzeug wirkt das Zugseil zwar in gleicher Weise rückdrehend, besonders sind es jedoch die Doppel-Tragseile die der Querschwingung entgegenwirken und im Nahbereich der Stütze das Fahrzeug lotrecht stellen.
Für die seitliche Auslenkung des Zugseiles stellen die beim 3S-System angewandten Zwischenaufhängungen (Seilreiter) einen großen Vorteil gegenüber dem ZUB-System dar (insbesondere beim Füllen und Entleeren der Bahn).
Bergung
Bei der Bergung von Fahrgästen im Fall der Unbeweglichkeit der Bahn sind zwei Verfahren zu unterscheiden:
- Bergung durch lotrechtes Abseilen aus den Kabinen ins Gelände. Für diese Art der Bergung darf der Bodenabstand 60 m nicht überschreiten.
- Bergung entlang der Seile. Bei dieser Art der Bergung besteht keine Beschränkung für den Bodenabstand.
Bei der Bergung entlang der Seile gibt es nochmals eine Unterscheidung in zwei Kategorien:
- Rückbringung der Fahrgäste mittels Bergewagen einer Bergeseilbahn in die Stationen oder an eine andere sichere Aussteigestelle,
- Rückbringung der Fahrgäste durch Rückführung der Seilbahnfahrzeuge in die Stationen, ermöglicht durch den garantierten Funktionserhalt der Förder- bzw. Zugseilschleife durch entsprechende Maßnahmen. Dieses Verfahren – eigentlich keine Bergekonzept, sondern ein Räumungskonzept – wird als „integrierte Bergung“ bezeichnet.
- Auf weitere vereinzelt angewandte Verfahren wird hier nicht näher eingegangen.
Die Bergung durch Abseilen ist für viele Fahrgäste wohl nicht die Art von Urlaubserlebnis, das sie sich wünschen. Insbesondere für ältere Menschen und Fahrgäste mit Behinderungen stellt diese Art der Bergung wohl in vielen Fällen eine besondere Beanspruchung dar. Erschwerend für die Fahrgäste und für die Bergemannschaften wirken sich Umstände wie Sturm, Niederschläge, Dunkelheit oder wetterbedingt schlecht begehbares Trassengelände aus.
Auch die Bergung mittels Bergewagen stellt an die Fahrgäste nicht unerhebliche Anforderungen. Der Umstieg aus der Seilbahnkabine zum Bergewagen-Gehänge und der Abstieg über eine schmale Leiter auf die Personen-Plattform des Bergewagens in luftiger Höhe ist nicht jedermanns Sache. Auch für die Bergemannschaft ist die Aufgabe nicht einfach: Das Einheben der Bergewagen aus der Parkposition auf das Förderseil bei der EUB bzw. Zugseil bei der ZUB ist meist zeitraubend und aufwändig (s. Abb. 2 und 3); entsprechend aufwändig sind die Bergeübungen. Zwischen der Bergewagen-Besatzung und der Bergebahn-Steuerung ist eine Kommunikation notwendig, deren Versagen nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Ganz allgemein scheinen mechanische Einrichtungen, die selten in Betrieb sind, grundsätzlich fehleranfälliger zu sein als Einrichtungen im Normalbetrieb. Für diesen Umstand spricht auch die Tatsache, dass es im Lauf des letzten Jahrzehnts im Rahmen von Bergeübungen zwei bekannt gewordene Abstürze von Bergewagen gegeben hat.
Bei der integrierten Bergung verbleiben die Fahrgäste während des Bergevorgangs in ihren Fahrzeugen. Diese Art der Bergung ist sowohl für die Fahrgäste als auch für die Seilbahnbediensteten die angenehmste Form der Bergung. Über die erforderlichen Maßnahmen, die den Funktionserhalt der bewegenden Seile erhalten sollen, haben wir im Rahmen der Berichte zur neuen Gaislachkoglbahn bereits ausführlich berichtet (s. ISR 1/2011, S. 14).
Bei den 3S-Bahnen gehört die integrierte Bergung heute bereits zum Stand der Technik. Auch bei der EUB wurde das System der integrierten Bergung bereits behördlich genehmigt, es müssen jedoch sicherheitshalber Abseilgeräte vorgehalten werden, weil nicht alle möglichen Störfälle bei EUB durch redundante Maßnahmen beherrscht werden können (z. B. Förderseilentgleisung). Für DUB- und ZUB-Neubauten wurden bei der österreichischen Seilbahnbehörde noch keine Anträge auf Genehmigung der integrierten Bergung gestellt.
Zusammenfassung
Die angeführten Überlegungen zu den Entwurfsgrundsätzen von Kabinen-Umlaufseilbahnen zeigen die Komplexität der Systemwahl in Abhängigkeit von verschiedensten Parametern auf. Betrachtet man die Bautätigkeit der letzten Jahre, dann sind Neubauten von Funitels oder ZUB selten geworden. Die EUB stehen weiterhin an erster Stelle. Derzeit boomen die 3S-Bahnen trotz ihres „kleinen“ Nachteils: Sie kosten ca. drei bis vier mal so viel wie eine EUB mit der gleichen Förderleistung.
(1) Unter Funitel versteht man eine Doppel-Einseilumlaufbahn mit breiter Spur der Doppeltragseile und kurzem Gehänge der Fahrzeuge. Die ursprüngliche Form der Doppel-Einseilumlaufbahn mit schmaler Spur und langem Gehänge der Fahrzeuge wird nicht mehr neu gebaut.