Alle Eltern kennen die Situation: Beim Wandern oder in einem Hotel gibt es Spielangebote, die die Kinder einfach lieben. Es ist sehr schwer, sie von dort wegzubringen. Immer wieder und wieder wollen sie hin. Selbst über mehrere Tage wird es ihnen nicht langweilig. Und dann gibt es Spielplätze, wo die Kinder zuerst ganz aufgeregt hinlaufen, aber schon nach kurzer Zeit wieder zurückkommen und nicht mehr wirklich Lust haben, das Spielangebot zu nützen.
Warum ist das so? Was macht den Unterschied? Warum sind manche Spielangebote für Kinder interessanter als andere? Warum sind manchmal die unscheinbarsten Spielplätze für Kinder so toll, und das schönste Design wird nach einigen Minuten uninteressant?
Lassen Sie uns Spielangebote aus der Perspektive der Kinderpsychologie betrachten: Was ist „toll“? Was kommt gut an? Was regt an weiterzuspielen?
Warum Kinder spielen
Kinder spielen aus einer natürlichen Motivation heraus, um sich selbst zu erspüren, Beziehungen mit anderen zu üben und zu festigen, um die Welt um sich herum zu begreifen und um sich in ihr zurechtzufinden. Für Kinder ist Spielen auch immer Lernen. Kinder spielen unterschiedliche Spiele, die alle helfen, Zusammenhänge für das eigene Tun und das anderer zu erleben und darauf aufzubauen. Das Spiel für ein Kind ist die Grundlage eines jeden Lernprozesses, es ist sozusagen die „Arbeit“ des Kindes.
Kinder machen keinen Unterschied zwischen „Spielen“ und „Lernen“. Durch verschiedene Spielformen lernen sie mit der Welt zu kommunizieren. Besonders interessant sind Spielplätze und Spielangebote für Kinder dann, wenn sie beim Spielen möglichst viel lernen können und wenn mehrere Spielformen gleichzeitig angesprochen werden.
Ideal wären also Angebote, mit denen sich die Kinder auf unterschiedliche Weise beschäftigen und herausfordern und die ihnen kognitive, sensomotorische oder kreative Herausforderungen bieten und Rollenspiele ermöglichen.
Welche Spielarten gibt es?
Ein richtig gutes Spielangebot bietet den Kindern immer mehrere Arten des Spieles an – vor allem deswegen, weil verschiedene Spielarten verschiedene Altersgruppen ansprechen. Manche Spielformen werden besonders in einer speziellen Entwicklungsphase genutzt. Die Spielformen nehmen mit steigendem Alter an Komplexität zu. Gerade für Rollenspiele in der Interaktion mit anderen Kindern oder Regelspiele braucht es altersadäquate Fähigkeiten, wie einen bestimmten Wortschatz und ein gutes Ausdrucksvermögen, Regelverständnis, Frustrationstoleranz, grob- und feinmotorisches Geschick.
Ab etwa dem zweiten Lebensjahr ist eine Spezialisierung des Spiels zu beobachten. Buben wenden sich eher dem Bau- und Konstruktionsspiel (Lego) zu, während Mädchen gerne Rollenspiele spielen (Kochen, Vater-Mutter-Kind, Pferde, Barbie). Die Spielzeugfirmen bieten geschlechtsspezifische Spielzeuge an und verstärken so diesen Trend.
Folgende Spielarten unterscheiden Entwicklungspsychologen und Spielpädagogen:
1. Sensomotrisches Spiel (Funktionsspiel)
Die Sensomotorik betrifft alle Vorgänge, bei denen die Sinnesorgane und der Körper zusammenwirken und die Wahrnehmungseindrücke mit den entsprechenden motorischen Handlungen verbunden werden. Das sensomotorische Spiel ist besonders in den ersten Lebensjahren sehr wichtig, da das Kind mit seinem Körper lernt, die Umwelt zu begreifen. Die Hand und der Körper werden Werkzeug des Denkens. Säuglinge erkunden durch Beißringe und Rasseln die Welt.
2. Bewegungsspiel
Bewegungsspiele sind durch den Spaß an der Bewegung gekennzeichnet. Es geht darum, mit dem Körper die eigenen Grenzen zu erforschen, Koordination zu stärken, Gleichgewicht, Fein- und Grobmotorik zu schulen. Kleinkinder lernen durch die kleine Rutsche am Spielplatz oder das erste Klettergerüst. Ältere Kinder trauen sich schon mehr, im Hochseilgarten, in der Soft-Play-Anlage oder auf der hohen Rutsche.
3. Konstruktionsspiel
Das Konstruktionsspiel baut direkt auf dem sensomotorischen Spiel auf und schließt dieses mit ein. Ein typisches Konstruktionsspiel ist Lego: Kreativität und Fantasie werden geschult, aber auch kognitive Fähigkeiten kommen zum Einsatz, wenn das Kind z. B. nach Anleitung eine Ritterburg zusammenbaut. Konstruktionsspielen kann auch in der Natur angeboten werden, wenn das Kind beispielsweise Sandburgen, Höhlen, hohe Türme, Häuser, Berge, Wegbegrenzungen o. Ä. bauen darf.
4. Das Rollenspiel („So-tun-als-ob-Spiel“)
Das Kind stellt Erlebtes oder Erdachtes dar, entweder mit sich selbst oder mit Puppen/Spielzeug. Schon früh spielen Kinder „Vater-Mutter-Kind“ und besonders Mädchen entwickeln phantasievolle Rollenspiele. Aber auch Buben spielen gerne „Pirat“ oder „Superheld“. Kinder imitieren so die Rollen oder Verhaltensweisen der Menschen in ihrer Umgebung. Rollenspiele werden gefördert, wenn dem Spielerlebnis eine gute Geschichte zugrunde liegt, die durch das Spielangebot erlebbar gemacht werden kann und vom Kind „weitergespielt“ werden kann. Es ist interessanter, auf einem Piratenschiff zu klettern als auf einem „normalen“ Kletterturm, weil das Spiel um das Rollenspiel „Ich bin Pirat“ erweitert wird.
5. Regelspiele
Regelspiele erfordern ein gewisses Maß an Verständnis für Regeln und Strategie. Auch Frustrationstoleranz muss erlernt werden, da es bei Regelspielen meistens einen Gewinner und Verlierer gibt. Einfache Regelspiele („Obstgarten“) für kleinere Kinder ähneln Glücksspielen. Erst ab dem Alter von etwa sieben Jahren können Kinder entwicklungspsychologisch Strategien verstehen. Fußball ist ein Regelspiel, natürlich kombiniert mit dem Bewegungsspiel.
6. Rezeptionsspiel (aufnehmendes Spiel)
Diese Spielart umfasst die passiven Formen des Spieles – das Betrachten (Theater, Fernsehen, Kino), das Hören (Geschichten, Musik, Hörspiele). Es handelt sich also um aufnehmende Spiele, die der Erweiterung des Wissensfundus von Sprache und Wissen dienen. Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren sind besonders an Wissensspielen interessiert.
Bauen Sie viel Unterschiedliches ein!
Wenn Sie Spielangebote zur Verfügung stellen – Spielplätze, Erlebnisstationen, Indoor-Spielplätze –, achten Sie darauf, möglichst viele verschiedene Spielarten einzubauen. Kinder werden umso länger und lieber dort spielen, wo sie viele Spielmöglichkeiten (= Lernmöglichkeiten) finden. Besonders für Rollenspiele brauchen Sie eine gute Geschichte, die die Basis Ihres Spielangebotes sein sollte.