Bergung mittels Polizei-Hubschrauber aus der Weißsee-Gletscherbahn im Salzburger Land: Evakuiert wurden dreizehn Personen, unter anderem ISR-Korrespondent Roman Gric und sein Seilbahn-Kollege Radim Polcer, die das Geschehen dokumentierten.
Foto: Roman Gric
Sicherheit

PERSONENBERGUNG

Rettungseinsätze nach Unwettern

Die ungewöhnlich schweren Unwetter am 18. Juli 2023 hatten bei mehreren Seilbahnunternehmen in der Schweiz, Italien und Österreich Rettungseinsätze zur Folge. Betroffen davon waren auch ISR-Korrespondent Roman Gric und sein Seilbahnkollege Radim Polcer, die aus der Weißsee-Gletscherbahn bei Uttendorf, Salzburger Land, evakuiert wurden.

von: Roman Gric / DK

Nach einem Unwetter mit Windgeschwindigkeiten von über 100 km/h saßen in vier Kabinen der 1. Teilstrecke der 6er-Kabinenbahn Enzingerboden – Weißsee dreizehn Fahrgäste fest. Zwei davon waren unser Korrespondent Roman Gric und sein Seilbahnkollege Radim Polcer. Roman Gric berichtet dazu:

„Am Dienstag, dem 18. Juli 2023 besuchte ich mit meinem Kollege Radim Polcer das Gebiet Weißsee Gletscherwelt, um Unterlagen für eine ISR-Reportage vorzubereiten. Bei hochsommerlichem Schönwetter sind wir mit der 6er-Kabinenbahn zum Weißsee und weiter mit der Doppelsesselbahn Medelz bis zum höchsten Punkt des Gebietes gefahren und haben mit Marketing-Mitarbeitern und mit der Seilbahn-Betriebsleitung sehr informative Gespräche geführt. Die Reportage aus dem Gebiet wird in einer der nächsten ISR-Ausgaben veröffentlicht.

Plötzlicher Eintritt der Windböen

Als wir unsere Rückfahrt vom Weißsee ins Tal antraten, wurden schon wegen einer Gewitterwarnung beide Teilstrecken der Kabinenbahn separat betrieben, also mit Umstieg in der Mittelstation, und die Fahrgäste wurden auf einen früheren Betriebsschluss vorbereitet. Um 15:55 Uhr sind wir aus der Mittelstation als letzte Fahrgäste in die Kabine bei Windstille und ohne Regen eingestiegen. Als wir uns etwa in Trassenmitte befanden, sahen wird aus der Kabine, dass sich aus dem schmalen Stubachtal, der einzigen Zufahrt zur Talstation, sehr schnell dunkle Wolken näherten. Als sich unsere Kabine zwischen den Stützen Nr. 8 und 9 befand, kamen um 16:00 Uhr sehr plötzlich starke Windböen (nach späteren Meldungen von über 100 km/h), die Kabine fing stark zu schwingen an und die Bahn wurde stillgesetzt. Unsere Kabine befand sich nach der Abschaltung direkt auf der Rollenbatterie der Stütze Nr. 8. Gleich fing es sehr stark zu regnen an, und wir sahen, wie sich vor uns in Richtung Talstation mehrere Bäume bis über die Seilbahntrasse neigten. Gleichzeitig nahmen wir zwei starke Stöße mit Metallgeräuschen wahr, denen nach einigen Sekunden ein dritter derartiger Stoß folgte. Wir kamen zum Schluss, dass diese Stöße durch die Entgleisung des Förderseils und Fallen des Förderseils in die Seilfänger oder auf die Stützenkonstruktion in Richtung Bahnachse verursacht worden waren. Später, als der Regen nachließ, konnten wir sehen, dass zwischen den Stützen Nr. 3 bis 6 einige Bäume auf die Seile gestürzt waren.
Trotz der starken Schwankungen verblieb jedoch unsere Kabine auf der Stütze Nr. 8. Wir haben auch bemerkt, dass in den Kabinen, offensichtlich während des ganzen Betriebes, unter beiden Sitzbänken je ein Betongewicht als Zusatzlast gegen durch Wind verursachte Querschwingungen der Kabinen angeordnet war. Direkt neben unserer Kabine wurden auch mehrere Bäume samt Wurzelballen umgerissen, die jedoch neben die Seile gefallen sind. Gedanken haben wir uns vor allem wegen der unmittelbaren Nähe einer hohen Lärche neben unserer Kabine gemacht, die sich stark über die Seilbahnseile neigte. Trotz der bekanntlich flachen Wurzeln einer Lärche blieb dieser Baum glücklicherweise stehen. Aus der Kabine sahen wir noch, dass sich auf der Stütze Nr. 9 ein Ast verklemmt hatte.
Heftiger Regen dauerte weiterhin an, der Wind beruhigte sich jedoch schrittweise.
So war uns klar, dass zwar jetzt eine Bergung folgen musste, dass jedoch schon keine direkte Gefahr für uns mehr bestand.
Aus dem Lautsprecher auf der Stütze Nr. 8 hörten wir zwar eine sich immer wiederholende Durchsage, wegen des starken Trasselns des Regen auf das Kabinendach konnten wir die Meldung trotz unserer unmittelbaren Nähe und geöffneter Kabinenfenster nicht verstehen. Dies empfanden wir nicht als Nachteil, weil uns klar war, was jetzt folgen musste. Diese Erfahrung hat jedenfalls gezeigt, dass die Durchsagen direkt im Kabineninneren, wie sie in modernen Kabinenbahnen üblich sind, für die Beruhigung der Fahrgäste in Ausnahmesituationen ihre Bedeutung haben (die Weißsee-Seilbahn ist Baujahr 1982).
Um 17:15 Uhr, als es immer noch stark regnete, haben wir unsere Gesprächspartnerin vom Weißsee-Marketing angerufen und ihr die Situation, die wir aus der Kabine beobachten konnten, zu beschreiben. Sie hat uns mitgeteilt, dass sie unsere Meldung weiterleitet, und dass auch die einzige Zufahrtstrasse von Uttendorf zur Talstation Enzingerboden durch dutzende umgestürzte Bäume blockiert und wegen eines Risses der Hochspannungsleitung gesperrt ist. Aus der Bergstation konnten die Gäste durch den neu gebauten, 8,2 km langen Erschließungstunnel des ÖBB-Kraftwerks Tauernmoos mit Geländewagen ins Tal gebracht werden.

Vorbildlicher Bergungsverlauf

Um 17:47 Uhr, praktisch gleich nachdem sich der Regen und der Wind beruhigt hatten, beobachteten wir einen Polizeihubschrauber, der offensichtlich die Lage aus unmittelbarer Nähe begutachtete. Dann fing die Bergung der Fahrgäste mit zwei Hubschrauber-Teams an, einem Airbus H125 Ecureil der Polizei und einem Eurocopter EC 135P2 der Firma Wucher-Helikopter, die auch einen Begleitwagen mit Kraftstoff zum Einsatz brachte. Aus unserer Kabine sahen wir, dass sich zuerst ein Bergemann aus dem Helikopter zu einer der benachbarten Kabinen abseilte und den Fahrgästen Bergegurte für das Schlepptau anlegte. Beim nächsten Hubschrauberflug, immer mit einem Bergemann am Tau, wurde vom Bergemann in der Kabine der nächste Fahrgast am Tau angehängt und so in luftiger Höhe auf den Heli-Landungsplatz bei der Talstation transportiert.
Als der Bergemann auch zu uns in der Kabine abgesetzt wurde (er war ein Mitglied der Bergrettung), war er eher überrascht, dass er statt zweier gestresster Fahrgäste Menschen vorfand, die mit ihm bis zum Eintreffen des Rettungshubschraubers über die Situation fachlich diskutierten.
So wurden wir um 19:10 Uhr als letzte der 13 Fahrgästen aus vier Kabinen zum Heli-Landungsplatz bei der Talstation gebracht. Dann wurden wir sofort vom Krisen-Interventionsteam des Roten Kreuzes betreut und identifiziert. Danach gingen wir noch zur Talstation, um von dort mit dem Teleobjektiv die Situation zu fotografieren.
Trotz der fortschreitenden Arbeiten zur Wiedereröffnung war die 1. Teilstrecke der Weißsee-Seilbahn dreizehn Tage nach dem Unwetter immer noch außer Betrieb.
An dem Einsatz nahmen etwa 80 Einsatzkräfte der Bergrettung, der Polizei, der freiwilligen Feuerwehr und des Roten Kreuzes teil. Auch der Bürgermeister von Uttendorf, Hannes Lechbaumer, war vor Ort. Aufgrund des durch die umgestürzten Bäume gefährdeten und schwer begehbaren Geländes hat man sich sofort für die Bergung aller 13 Leute mit Hubschrauber entschieden, wurde uns von der Bergrettung mitgeteilt. In Anbetracht dessen, dass die Bergung wegen der blockierten Zufahrtstraße und des bis etwa 17:30 Uhr andauernden starken Regens erst nach der Eröffnung der Zufahrtstraße beginnen konnte, wurde diese Rettungsaktion vorbildlich organisiert und im Zeitlimit durchgeführt. Ein großes Glück war, dass sich im Bereich der Dutzenden umgestürzten Bäume keine besetzte Seilbahnkabine befunden hat."

Auch andere Seilbahnen betroffen

Von dem starken Unwetter am 18. Juli 2023 wurden zur selben Zeit auch die Seilbahnen Grafenbergbahn in Wagrain (Bergung von 144 Fahrgästen), Kreuzjochbahn in Schlick (Bergung von 42 Fahrgästen), Arena Express in Flims (Schweiz) und die Seilbahn Laurin 1 in Welschnofen (Südtirol) betroffen.

Foto: Roman Gric
Der Trassenabschnitt im Bereich der Talstation der Weißsee-Gletscherbahn, wo am Nachmittag des 18. Juli 2023 dutzende Bäume auf die Seilbahn gestürzt sind.
Foto: Roman Gric
Foto: Roman Gric
Blick aus einer Kabine bei der Stütze Nr. 8 auf die Trasse mit quer über das Förderseil gefallenen Bäumen.
Foto: Roman Gric
Foto: Roman Gric
Rettungskräfte bei der Talstation
Foto: Roman Gric
Foto: Roman Gric
Nach ihrer Bergung haben ISR-Korrespondent Roman Gric und Radim Polcer die Situation auf der Seilbahntrasse mittels Teleobjektiv dokumentiert
Foto: Roman Gric
Foto: Roman Gric
Gleich nach der Landung bekamen Roman Gric und Radim Polcer einen Plastikumschlag mit einem Formular für Angaben zur Identifikation und über den aktuellen Gesundheitszustand. Vor der Abreise aus dem Bereich der Talstation mussten sie sich mit dieser Karte abmelden, um nicht als vermisst zu gelten.
Foto: Roman Gric

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