Die neue D-Line-Kabinenbahn wertet das Skigebiet am Unterrothorn oberhalb von Zermatt massiv auf.
Foto: D. Bumann
Bahnen

DOPPELMAYR/GARAVENTA

Neue Vorzeige-Seilbahn in Zermatt

Seit dem 20. Dezember 2020 verfügt auch das Skigebiet von Zermatt über eine D-Line-Anlage von der Doppelmayr/Garaventa-Gruppe. Sie ist die erste „Auro Seilbahn“, welche den autonomen Fahrgastbetrieb sicherstellt. Für den Hersteller bedeutet „Auro“ Autonome Ropeway Operation und soll wegweisend für die Branche werden.

von: Damian Bumann

Die Zermatt Bergbahnen AG hat im März 2020 zu Beginn der Pandemie entschieden, weiter in die Angebotserweiterung der Transportanlagen zu investieren. Trotz erschwerten Rahmenbedingungen bekundete damals der Verwaltungsrat ein Investitionsvolumen von rund 60 Mio. CHF (ca. 54,4 Mio €) über die nächsten zwei Jahre wie geplant zu tätigen. Dieses Investitionspaket beinhaltet die Fortführung der Arbeiten der Matterhorn glacier ride II, welche die erste Alpenüberquerung per 3S-Bahn voraussichtlich ab der Herbstsaison 2022 ermöglicht. Der zweite Teil dieses Investitionspakets war für die Realisierung der ersten „bedienerlosen“ Kabinenbahn der Schweiz vorgesehen. Dieses zukunftweisende Seilbahnprojekt konnte im letzten Jahr mit dem Seilbahnhersteller Doppelmayr/Garaventa-Gruppe und den Baufirmen Sulag Hoch- & Tiefbau AG sowie E. Lauber & Sohn erfolgreich umgesetzt werden.

Intensive Bauzeit

Frühzeitig machte man sich an die Bauarbeiten. Im Frühjahr 2020 begann man mit den Abbrucharbeiten des Sesselliftes, welcher 2018 von einer Lawine komplett zerstört wurde, was nun einen Neubau einer Kabinenbahn mit geänderter und wesentlich längerer Linienführung zur Folge hatte. Bei dieser neuen D-Line-Kabinenbahn handelt es sich um zwei unabhängige Teilstrecken. Die erste Teilstrecke führt von Tuftern (2.134 m ü. M.) hinauf zur Mittelstation Tufternchumma (2.660 m ü. M.), und mit der zweiten Teilstrecke gelangt man auf das Unterrothorn auf 3.100 m ü. M.

Foto: D. Bumann
Markus Hasler, CEO der Zermatt Bergbahnen AG, ist voll des Lobes für die erste „Auro-Seilbahn“ von der Doppelmayr/Garaventa-Gruppe.
Foto: D. Bumann

Nachdem im Frühjahr 2020 die alten Stationen des Sesselliftes Kumme abgerissen waren, wurde unverzüglich mit dem Bau der drei neuen Stationen und den 17 Stützenfundamenten begonnen. Das Beton-Abbruchmaterial der alten Stationen diente als Zuschlagstoff für den Recycling-Beton. Die Baumeisterarbeiten konnten bereits Mitte August abgeschlossen werden, sodass bald darauf die Seilbahnmontageteams die Stützen sowie den elektromechanischen Teil entgegennehmen konnten und die diversen Stationen aufbauten. Der Schwerlasthubschrauber Kamow der Heliswiss International war im September während neun Tagen im Einsatz, davon sechs Tage für die Stützen, die übrigen drei für die Anlieferung der Stationstechnik. Innerhalb weniger Wochen waren die Stationen und Stützen fertiggestellt. Die beiden Förderseile von Fatzer wurden von der Transportfirma Wipfli aus Flüelen bis zur Talstation der ersten Teilstrecke Tuftern über den engen Riedweg angeliefert. Aufgrund der Länge und des Gewichts wurden die beiden Seile jeweils auf zwei Lastwagen verteilt.

Von dort aus wurden ein dünnes Vorseil zur Mittelstation und ein weiteres von der Mittelstation zur Bergstation eingezogen. Mit Hilfe einer Seilwinde in der Mittel- sowie in der Bergstation wurden die Förderseile (48 mm Durchmesser) gezogen. Nach dem Spleißen der beiden Seile waren die Elektriker der Firma Sisag aus Schattdorf im Einsatz, welche die umfassenden elektrischen Komponenten für die erste bedienerlose Kabinenbahn einbauten. Die 56 neuen Omega V-Kabinen von CWA wurden in drei Etappen auf das Unterrothorn geflogen, wo sich auch der Abstellbahnhof für die Fahrzeuge befindet. Neben der neuen Einstellhalle für die Fahrzeuge entstanden dort neue Toiletten sowie neue Aufenthaltsräume für die Mitarbeiter.

Hochkomplexe Überwachungssysteme

Bevor dann die neue Seilbahn am 20. Dezember 2020 eröffnet werden konnte, war es insbesondere für die Firma Sisag eine spezielle Herausforderung, die hochkomplexen Überwachungssysteme für den bedienerlosen Betrieb zu installieren und zu testen, wie der Einbau diverser Kameras und Sensoren, damit diese Systeme in Abstimmung mit der Steuerung tadellos funktionieren. Im Fahrbahn-Graben sind Sensoren eingebaut, welche zum Beispiel bei einem Fallenlassen eines Skistocks die Anlage zum Stehen bringt. Auch andere Vorkommnisse, die den Bahnverkehr stören, erkennt das System eigenständig.

Da die Anlage in der Überwachungsstation auf Blauherd von den technischen Verantwortlichen des Gebietes Nord des Skigebiets Zermatt sowie in der Mittelstation Tufternchumma überwacht wird, kann ein Mitarbeiter in Kürze vom Gebiet Rothorn zur Talstaion Tuftern gelangen, um mögliche Gegenstände aus dem Graben zu entfernen oder auch um andere Störungen zu beheben. Die Fahrgäste gelangen barrierefrei in die Fahrzeuge. Damit dieses außergewöhnliche Seilbahn-Projekt auch realisiert werden konnte, nehmen die Wintersportler die verschiedenen Skisportgeräte in die Kabine hinein und stellen diese in die dafür vorgesehenen, eingelassenen Twistin-Skiköchersysteme. Hinweisschilder über den Bahnsteigen in den Stationen weisen unter anderem auf den autonomen Betrieb hin. Bei den Bahnsteigbegrenzungen sind jeweils Nothalttasten und eine Gegensprecheinrichtung für die Fahrgäste angebracht, welche direkt mit den Seilbahnmitarbeitern in der Mittelstation oder in der Überwachungsstation auf Blauherd in Kontakt treten können.

Durchdachtes Bergungskonzept

Sollte einmal ein mechanischer Stillstand bei der Anlage eintreten, kann die Bergung der Passagiere mit den Bergegeräten der Immoos GmbH über die Strecke sichergestellt werden. In der Mitte der zweiten Teilstrecke wird abschüssiges Gelände überfahren, wo ein Wegtreten unterhalt der Stecke nicht möglich ist. Deshalb hat Garaventa oberhalb des abschüssigen Geländes an der nächsten Stütze eine Seilwinde installiert, welche die entkuppelte Kabine bis zur Stütze ziehen kann. Um diesen Vorgang ausführen zu können, fährt eine Bergungsperson mit dem bewährten Seilfahrgerät SS1 der Immoos GmbH zur blockierten Kabine und hängt diese an das Seil der Winde. Mit einem von Garaventa speziell entwickelten Entkupplungsgerät wird die Klemme vom Seil gelöst und die Kabine zur Stütze gezogen.

Getrennter Betrieb der Teilstrecken

Da sich der Antrieb mit der Seilspanneinrichtung der ersten Teilstrecke in der Talstation und derjenige der zweiten Teilstrecke in der Bergstation befinden, bietet sich die Möglichkeit, bei Bedarf den Ausstieg in der Mittelstation zu schließen. Bei problematischen Wetterverhältnissen und unterschiedlichen Windsituationen kann auch nur eine Teilstrecke betrieben werden. Deshalb können bei Bedarf in der Talstation der ersten Teilstrecke auch 15 Fahrzeuge garagiert werden. Normalerweise werden alle 56 Fahrzeuge in der Bergstation abgestellt. Auch das Garagieren der Kabinen verläuft vollautomatisch, überwacht mit Kameras, was in der Überwachungszentrale von Blauherd aus beobachtet wird.

Zukunftsweisende Seilbahn bewährt sich

Die Zermatt Bergbahnen AG verspricht sich dank der neuen Kabinenbahn und der Erweiterung der Beschneiungsanlage im Gebiet Unterrothorn eine massive Aufwertung des Skigebietes hinsichtlich der Transport- und Pistenqualität. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit der Doppelmayr/Garaventa-Gruppe dieses einzigartige Seilbahnprojekt umsetzen konnten. Die neue Kabinenbahn Kumme zeigt eindrucksvoll die Möglichkeiten, welche Technik und Digitalisierung heutzutage bieten. Die ersten Wochen seit der Inbetriebnahme dieser technischen Meisterleistung und die positive Entwicklung der Frequenzen haben bestätigt, dass das Skigebiet unterhalb des Rothorns eine massive Aufwertung erfahren hat. Wir erhoffen uns, dass dieses Seilbahnprojekt über die Destination Zermatt hinaus den Weg für technische Innovationen finden wird“, sagt Markus Hasler, CEO der Zermatt Bergbahnen AG.

Aber auch die Doppelmayr/Garaventa-Gruppe erhofft sich als Lieferant der neuen Seilbahn von dieser Anlage viel. Es ist für den Hersteller die perfekte Synergie von Mensch und fortschrittlicher Technik, welche Seilbahnen zukünftig in Städten und Tourismusgebieten sicher, zuverlässig und autonom in ihr Ziel bringt. Somit war die Investition von rund 30 Mio. CHF (ca. 27,18 Mio. €) in die Angebotserweiterung des Skigebietes am Unterrothorn sowie in eine fortschrittliche Seilbahntechnik ihr Geld wert.


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