Montenvers (1.913 m ü. M.) ist ein Felsvorsprung über dem Gletscher Mer de Glace (Eismeer), der schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Aussichtspunkt viel besucht wurde. Im Jahr 1880 wurde hier das Grand Hôtel de Montenvers eröffnet, das zu Fuß oder auf Maultieren erreicht wurde. Das Hotel wurde 2003 renoviert und 2016 als Refuge du Montenvers komplett umgebaut und neu eingerichtet. Im Jahr 1909 wurde eine 5,14 km lange Dampf-Zahnradbahn von Chamonix nach Montenvers gebaut, die 1953 bis 1954 elektrifiziert wurde. Heute fährt jährlich fast eine Million Besucher nach Montenvers.
Abstieg zum Gletscher mit Seilbahn
Im Jahr 1946 wurde unterhalb von Montenvers die erste Eisgrotte in den Gletscher gebohrt, die sich schnell als Hauptattraktion des Ortes etablierte. Wegen Überlastung des schmalen und steilen Zugangsweges wurde 1961 von der Bergstation der Zahnradbahn zur Eisgrotte von der Firma Mancini eine einspurige Pendelbahn mit Windenantrieb mit Doppeltragseilen und mit einer abgestuften Kabine gebaut, die wegen ihrer Kabinenform als „Funiculaire aérien“ (schwebende Standseilbahn) bezeichnet wurde. Im Jahr 1972 wurde die ursprüngliche 45er-Kabine durch eine neue 70er-Kabine ersetzt. Da auch dieser Umbau nicht ausreichte, um die gestiegenen Besucherzahlen zu bewältigen, wurde hier 1988 eine neue Seilbahn gebaut. Es war eine Gruppenumlaufbahn mit vier Gruppen zu je zwei Kabinen nach einem Entwurf des Planungsbüros DCSA von Denis Creissels (siehe ISR 4/2021, S. 20).
Dritte Seilbahn zum Gletscher
Infolge der durch den Klimawandel beschleunigten Gletscherschmelze musste die Grotte immer weiter oben im Gletscher angelegt werden, wo die Dicke des Eises noch ausreichend war. Schließlich mussten von der Talstation der Seilbahn bis zur Eisgrotte weitere 580 Treppenstufen überwunden werden. Dies führte zu einem Rückgang der Besucherzahlen.
Der Betreiber, die Companie du Mont-Blanc (CMB), hat in den letzten Jahren im Auftrag der Gemeinde Chamonix umfangreiche Investitionen getätigt, um die Attraktivität dieses Reiseziels unter Berücksichtigung der natürlichen und kulturellen Lage des Montenvers zu steigern. Zu diesen Investitionen gehört der Bau einer neuen Seilbahn näher zum Gletscher. Anders als bei der Seilbahn von 1988, die von der Zahnradbahn etwa im rechten Winkel nach links zum Gletscher führte, verläuft die neue 585 m lange Trasse vom Montenvers schräg bis zum derzeitigen unteren Rand des Gletschers. Die Gruppenumlaufbahn wurde 2023 nach 35 Betriebsjahren eingestellt und abgebaut.
Speziallösungen für besonderes Gelände
Die neue Seilbahn der Doppelmayr-Gruppe ist eine 10er-Kabinenbahn der D-Line-Generation. Aufgrund der Beschaffenheit des felsigen Geländes, der schwierigen Zugänge zu den Baustellen und der komplizierten Logistik mittels Bauseilbahn wurde die Bahn über zwei Jahre hinweg zwischen Februar 2022 und November 2023 gebaut. Zuvor, im Herbst 2021, musste der Fels gesichert, von losen Steinen befreit und an kritischen Stellen Stahlnetze zum Schutz vor Steinschlag angebracht werden.
Die Bergstation wurde in das bereits bebaute Gebiet am Südrand des Montenvers integriert und fügt sich nahtlos in den Standort ein. Hier befindet sich der Antrieb mit einem Asynchronmotor mit 263 kW Leistung, auf dem Dach der Station wurden ein Panoramarestaurant und eine Aussichtsplattform gebaut.
Die moderne Architektur der Talstation hat die Form eines ins Gelände nahe der Talsohle auf 1.696 m ü. M. angebrachten Metallzylinders. Alle 16 Kabinen werden in den Stationsumläufen beider Stationen zu je acht Stück garagiert. Da es nicht möglich ist, Kabel im Fels entlang der Bahntrasse zu verlegen, wurden an den Trassenstützen drei Kabel geführt, um Strom und Daten von der Berg- zur Talstation zu übertragen. Um die am meisten vom Steinschlag bedrohten Stützen Nr. 3 und 4 zu schützen, wurden sie mit dichten Matten umhüllt. Die Bahn wurde mit der Seillageüberwachung RPD Nexo ausgestattet.
Außergewöhnliche Ansprüche an das Förderseil
Mit der Bahnlänge von nur 585 m läuft das Förderseil häufiger um die Seilscheiben als bei längeren Bahnen, was zu einer erhöhten Biegebeanspruchung des Seiles führt. Auch allfällige Drahtbrüche aufgrund von Steinschlägen können das Seil beschädigen. Der Seilhersteller Fatzer installierte hier das System zur Messung von Anzahl und Lage der Drahtbrüche TRUscan, das mit der Überwachung des Spannwagens zur Überwachung der Seildehnung verbunden ist. Diese Daten werden nach frei gewählten Messintervallen über TRUcockpit erfasst und gespeichert und dienen einerseits einer eventuellen rechtzeitigen Alarmierung und andererseits dem Betreiber für eine Prognose der Seillebensdauer und Planung allfälliger Seilarbeiten.
Verwendet wurde hier das Performa DT-Seil, das sich besonders für stark frequentierte Seilbahnen mit hoher Verfügbarkeit eignet. Dieses Seil kann gut mit der TRUsplice ES-Technologie kombiniert werden, die einen verkürzten Spleiß in den verengten Platzverhältnissen der Kabinenbahn Mer de Glace ermöglichte, so dass die Spleißarbeiten ohne Hilfsgerüst in der Talstation ausgeführt werden konnten.
Die Seilbahn dient neben den Touristen, die die Eisgrotte besuchen, und den Alpinisten auch den Skiläufern, die im Winter von der legendären Freeride-Abfahrt von Aiguille du Midi über das Vallée Blanche und Mer de Glace nach Chamonix zurückkehren. Die Bahn wurde im Februar 2024 eröffnet, die CMB investierte in den Neubau der Bahn 23 Mio. Euro.