1970 – Wie alles begann
Spätestens wenn der Studienabschluss unmittelbar bevorsteht, stellt sich für den Studenten die Frage nach dem einzuschlagenden beruflichen Lebensweg. Genau vor dieser Frage stand ich im Jahr 1970, als die II. Staatsprüfung aus dem Bauingenieurwesen an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur der Technischen Hochschule Wien vor der Tür stand.
Vor einer Tür stand ich auch im Februar 1970, nämlich vor der des Instituts für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft, und las einen Anschlag, wonach am Institut zwei Assistentenstellen vakant seien. Kurz entschlossen läutete ich an und wurde sofort zum Institutsvorstand Prof. Edwin Engel vorgelassen – damals keine Selbstverständlichkeit. Nach einem kurzen Gespräch hatte ich seine Zusage. Am 1. März bekam ich einen Dienstvertrag als WiHi (Wissenschaftliche Hilfskraft), der nach Ablegung der II. Staatsprüfung am 11. April per Dekret vom 1. Mai (Tag der Arbeit!) in eine Anstellung als Hochschulassistent umgewandelt wurde.
Was ich damals noch nicht wusste, war der Umstand, dass Prof. Engel wissenschaftlich hauptsächlich im Bereich Seilbahntechnik tätig war. Der Ruf seines Institutes als Hochburg dieses Fachgebietes war bereits von seinem Vorgänger, Prof. Eugen Czitary, begründet worden. Das Fachbuch Seilschwebebahnen von E. Czitary, zweite Auflage, Springer-Verlag Wien, 1962, hat hinsichtlich der theoretischen Grundlagen auch heute noch Gültigkeit – die technische Ausführung der Seilbahnen sieht heute allerdings anders aus.
Am Institut hatten wir Assistenten wenig Bezug zum praktischen Seilbahnbau und -betrieb. Wir betreuten zwar die Übungen der Studenten zum Gegenstand Bahnen besonderer Bauart, zu denen die Seilbahnen gerechnet wurden, aber der Kontakt zu Seilbahnherstellern, Seilbahnbetreibern und zur Seilbahnbehörde war mäßig bis gar nicht entwickelt. Und das war der Punkt, an dem für mich auch die ISR ins Spiel kam. Sie hieß damals Internationale Berg- und Seilbahn-Rundschau und hatte im Untertitel noch stehen: Allgemeine Pistentechnik und Offizielle Mitteilungen des Internationalen Seilbahnverbandes (OITAF) und der zuständigen Behörden. Diese einzige echte Fachzeitschrift hatte für uns Assistenten eine wichtige Funktion: Sie hielt uns über die aktuellen Entwicklungen im gesamten Seilbahnwesen auf dem Laufenden.
ISR-Beiträge von anno dazumal
Jetzt, da ich auf 50 Jahre Beschäftigung mit Seilbahnthemen zurückblicke, kam ich auf die Idee, mir einzelne ISR-Beiträge aus den Anfängen meiner „Seilbahnzeit“ herauszugreifen und zu verfolgen, welche Entwicklungen die jeweils behandelten seilbahntechnischen Elemente genommen haben. Ich beginne in dieser ISR-Ausgabe des Jahres 2020 mit einem Beitrag über die Seilbahnseile, verfasst von Dr. E. Müller, Stuttgart, der im Heft 3/1970 der Internationalen Berg- und Seilbahn-Rundschau erschienen ist. Original-Textstellen des Autors sind eingerückt und kursiv gedruckt.