Im Stubaital liegen in diesen Tagen Nostalgie und Zukunft sehr nah beieinander. Mit einem Festakt wurde die Zweiseilumlaufbahn Eisgrat auf ihre letzte Fahrt geschickt. Nach 44 Jahren wird sie von der neu zu errichtenden 3S Eisgratbahn abgelöst.
Die letzte Fahrt
Die letzte Fahrt der Eisgratbahn sorgt für bleibende Erinnerungen. Als Seilbahnpionier Dr. Heinrich Klier (89) mit Gattin Renate in der Talstation der Kabine entstieg und der Mitarbeiter der ersten Stunde und langjährige Oberbetriebsleiter der Stubaier Gletscherbahnen, Willi Tanzer, Blumen überreichte, konnten sich Festgäste, Wegbegleiter, Mitarbeiter und Medienvertreter der wehmütigen Stimmung kaum entziehen. Selten werden Abschied und Neubeginn so deutlich vor Augen geführt. Einer der wenigen, die keine Wehmut zu verspüren schienen, war Heinrich Klier, der Erbauer der Eisgratbahn und damit Grundsteinleger für die Erfolgsgeschichte des Stubaier Gletschers. Er meinte: „Die Freude darüber, was kommt, sollte ja größer sein als die Nostalgie für etwas, das nicht mehr da ist.“
Seit 1972 hatte die Eisgratbahn als erste Seilbahnanlage des neu eröffneten Gletscherskigebietes die Skifahrer auf den Stubaier Gletscher gebracht und damit im Tal den wirtschaftlichen Aufschwung eingeläutet.
Bis zu ihrem letzten Betriebstag stand die Eisgratbahn 125.000 Stunden in Betrieb. Neben 45,810.000 Personen wurden ca. 61.000 t Güter transportiert. Für einige der Berg- und Skibegeisterten im In- und Ausland zählen auch die gelegentlich von Föhnstürmen und Abschaltungen begleiteten Fahrten zur Bergstation auf 2.900 m Seehöhe zu prägenden Jugenderinnerungen.
Zukunftsweisendes Großprojekt
60,6 Mio. Euro nehmen die Verantwortlichen der Stubaier Gletscherbahn für diesen Meilenstein der Bergbahngeschichte in die Hand. Noch nie zuvor hat ein österreichisches Seilbahnunternehmen in einem Zuge so viel in eine Seilbahnanlage investiert. Die Inbetriebnahme der neuen 3S Eisgratbahn ist für den 29. Oktober dieses Jahres geplant.
Die längste 3S-Bahn in den Alpen wird über eine Strecke von 4,7 km geführt. Ca. 2.400 m bis zur Mittel- und weitere 2.300 m bis zur Bergstation. Ihr Bau ist das größte Investitionsprojekt seit Bestehen der Stubaier Gletscherbahnen.
Nicht nur durch Länge, auch durch Eleganz und Effizienz wird die neue Bahn bestechen. Durch die hohe Fahrtgeschwindigkeit von 7,0 m/s verkürzt sich die Fahrzeit auf elf Minuten. Das moderne Bahnsystem zeichnet sich durch hohe Windstabilität aus.
Talstation talwärts verlegt
Die neue Talstation entsteht ca. 600 m unterhalb der bestehenden Talstation Mutterberg (1.750 m ü. M.). Bereits bisher bestanden an diesem Platz 1.800 Parkplätze, diese stehen auch weiterhin zur Verfügung. Von dort ist die neue Talstation nun gut zu Fuß erreichbar. Der Einstieg in die 3S-Kabinenbahn ist ebenerdig angelegt bzw. über eine Rolltreppe möglich. Acht Kassenschalter und weiträumige Verteilerflächen garantieren entspannten Zutritt und viel Platz. Ein Comfort Center mit Skidepot ermöglicht die sichere Aufbewahrung der Ausrüstung nach dem Skitag.
Echt-Leder und gratis WLAN
48 topmoderne Kabinen, gestaltet von den italienischen Design-Gurus aus dem Hause Pininfarina, befördern pro Stunde 3.000 Personen statt bisher 1.500. Die Kabinen bieten Platz für 32 statt bisher sechs Personen. Gäste genießen ihre Auffahrt mit Blick durch Panoramascheiben von bequemen Echt-Ledersitzen aus und mit gratis WLAN. Dieser Komfort verwundert nicht, wenn man weiß, dass das Studio Pininfarina für zahlreiche automobile Klassiker von Ferrari, Maserati oder Alfa Romeo und weitere legendäre Marken verantwortlich zeichnet.
Großeinsatz bei Wind und Wetter
Die komplette Seilbahntechnik der 3S Eisgratbahn kommt von Leitner ropeways. Das in Süd- und Nordtirol beheimatete Unternehmen sowie alle weiteren Baupartner vollbringen angesichts der exponierten Baufelder eine logistische Meisterleistung. „Leitner punktet sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung durch großartige Lösungskompetenz“, weiß Mag. Reinhard Klier, Vorstandsvorsitzender der Wintersport Tirol AG, zu schätzen und verweist auf die Herausforderung, das Projekt innerhalb von zwei Sommern zu realisieren. Zur Gänze neu entstehen im Trio der Stationsgebäude die Tal- und die Mittelstation.
Die bestehende Bergstation wird umgebaut und modernisiert. Allen gemeinsam ist eine klare, zeitgemäße Architektur, entworfen vom Büro ao-architekten. Viel Sichtbeton und Profilglas, große, zentrale Verteilerflächen und Abgänge, ebenerdige Zu- und Umstiege sowie zeitgemäße Annehmlichkeiten im Inneren verwandeln die Bauten zum funktional-ästhetischen Gesamterlebnis. „Ende Oktober soll die neue Bahn in Betrieb gehen. Deshalb wird bei jedem Wetter durchgearbeitet. Die Arbeiter leisten hier weit mehr als den üblichen Einsatz“, zollt Seilbahndirektor Andreas Kleinlercher im Rahmen einer Baustellenführung Respekt. „Durch die vollends windstabile und international bewährte Dreiseil-Technik erleben wir hier einen Quantensprung in Bezug auf die Witterungsunabhängigkeit. Unsere Gäste dürfen sich neben erstklassiger Service- und Komfortqualität auf einen uneingeschränkten Skibetrieb freuen“, verspricht Reinhard Klier.