Die Tiroler Seilbahnbetriebe können auf eine tubulente, aber durchaus erfolgreiche Wintersaison zurückblicken. Anfang Dezember gab es eine ungewöhnlich gute Schneelage, der Februar jedoch außergewöhnlich warm und Ostern zwar zum optimalen Termin, aber leider vom Winde verweht. "Positiv stimmt uns jedenfalls, dass die Nachfrage, wenn die Verhältnisse gepasst haben, trotz hoher Inflation gut war und ist", Reinhard Klier, der Obmann der Tiroler Seilbahnen, bei der Eröffnung des gemeinsamen Seilbahntags. Endgültige Zahlen fehlen zwar noch, aber was Eintritte und Übernachtungen betrifft, dürften das Vor-Corona-Niveau erreicht werden. Klier: "Der durchschnittliche Erlös pro Eintritt ist in den letzten fünf Jahren inflationsbereinigt um einen Euro über der Inflation gestiegen. Das ist nicht schlecht, aber da wir in vielen Bereichen mit wesentlich höheren Kostensteigerungen beispielsweise bei Energie-, Finanzierungs-, Bau- und Personalkosten konfrontiert sind, bleiben die Zeiten betriebswirtschaftlich herausfordernd."
Alternative Mobilitätslösungen
Dieser traditionelle Branchentreff der Seilbahnunternehmungen aus Nord-, Ost- und Südtirol standen vor allem die Möglichkeiten von Bergbahnen und Tourismusdestinationen in Sachen nachhaltiger Mobilität im Zentrum. Wissenschaftler der Universität Innsbruck und der UMIT Tirol zeigten auf, wie sich Trends und neue Angebote auf die Tourismusmobilität auswirken.
In der Mobilitätslandschaft ergeben sich durch aktuelle Trends wie Urbanisierung, Umweltbewusstsein und die Suche nach nachhaltigen Fortbewegungsmethoden wichtige Veränderungen, die auch Einfluss auf den Tiroler Tourismus haben: Junge Menschen, insbesondere der Generation Z, legen weniger Wert auf das Auto als Statussymbol und zeigen Interesse an alternativen Mobilitätslösungen; das gestiegene Umwelt- und Klimabewusstsein veranlasst Touristen, zu nachhaltigen Angeboten zu greifen und Alpinregionen bauen nachhaltige Fortbewegungsmöglichkeiten aus, wodurch ein umweltfreundlicher Tourismus gefördert wird. Mit der Schaffung der Stiftungsprofessur „Aktive Mobilität“ soll an der Universität Innsbruck in die Beforschung dieser Thematik zusätzlich intensiviert werden.
Pilotregion Ötztal
Markus Mailer, Professor für Verkehrsplanung und Leiter des Arbeitsbereichs intelligente Verkehrssysteme, fokussiert sich auf die Erforschung nachhaltiger Mobilitätsformen. „Die Herausforderung besteht darin, das Bewusstsein für nachhaltige Mobilität zu steigern und in reales Verhalten umzusetzen, da eine Diskrepanz zwischen Einstellung und tatsächlichem Verhalten, bekannt als Attitude-Behavior-Gap, besteht“, erklärte Mailer beim Gesamttiroler Seilbahntag. Das von ihm geleitete Centre for Mobility Change, ein vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) gefördertes Innovationslabor, erforscht, wie Motivation, Fähigkeiten und Gelegenheiten das Mobilitätsverhalten beeinflussen können.
In ULTIMOB, dem großen Leitprojekt des vom BMK geförderten Programms Mobilität der Zukunft, wurden in der Pilotregion Ötztal neue Angebote und Services erprobt, die die Mobilität in der Region und die Anreise von Gästen ohne eigenen Pkw erleichtern, lokale Verkehre reduzieren und einen Mehrwert für Gäste, Einheimische und Beschäftigte schaffen. „Neben Partnern aus der Forschung haben wir hier mit der Ötztaler Verkehrsgesellschaft und dem VVT starke lokale Partner, die an der Entwicklung und Umsetzung mitwirken“, betont Markus Mailer als Projektleiter.
So entstanden etwa multimodale Knoten in Sölden, neue Angebote im Gepäckversand und eine auch für Gäste nutzbare Mitfahrplattform. Begleitet wurde die Entwicklung mit Befragungen von Gästen und Einheimischen. „Diese belegen deutlich, dass eine hohe Qualität beim Öffentlichen Verkehr und Zusatzangebote in der Vor-Ort-Mobilität die Bereitschaft erhöhen, mit der Bahn anzureisen. Dazu konnten wir erstmals konkrete Zahlen ermitteln“, fasste Markus Mailer zusammen.
Gondelgespräche und Nutzerverhalten
Elisabeth Happ, Sportwissenschaftlerin und Betriebswirtin an der Uni Innsbruck und Assistenzprofessorin an der UMIT Tirol, führt in Kooperation mit Ursula Scholl-Grissemann (a.o.Univ-Prof. an der UMIT Tirol) eine qualitative Studienreihe durch, die den Fokus auf sogenannte „Gondelgesprächen“ legt. Zielsetzung der Studie ist es, zu untersuchen, wie Einheimische und Touristen motiviert werden können, nachhaltige Mobilitätsangebote zur Bergbahn zu nutzen, ohne dabei das Kundenerlebnis zu beeinträchtigen. Welche Faktoren beeinflussen die Motivation zur Nutzung klimafreundlicher Verkehrsmittel vor Ort? Welche Hindernisse existieren? „Bei den Gondelgesprächen werden die Endkonsument:innen in dem Umfeld befragt, in dem sie das Befragte auch unmittelbar erleben und nicht erst Tage später z. B. online nach dem Urlaub oder der Sportaktivität – man weiß aus der Forschung, dass das ein großer Vorteil in Bezug auf die Validität des Antwortverhaltens ist“, erklärte Elisabeth Happ.
Als Grundlage für die Studie dient das sogenannte Motivation-Opportunity-Ability-Modell (MOA-Modell), das eine strategische Auseinandersetzung mit der Frage ermöglicht, warum Menschen bestimmte Handlungen ausführen oder unterlassen. Ursprünglich in der Informationsverarbeitungstheorie verankert, wurde dieses Modell auch umfassend im Bereich der Verbraucherverhaltensforschung angewandt. „Um Angebote nicht an den Nutzerinnen und Nutzern vorbeizuentwickeln, müssen wir in einem ersten Schritt wissen, was sie davon abhält, bestehende Angebote zu nutzen. Theoretische Modelle wie das MOA-Modell helfen uns dabei, das Verhalten von Nutzerinnen und Nutzern zu verstehen und entsprechende Handlungsvorschläge auszuarbeiten“, ergänzte Ursula Scholl-Grissemann.
Wachstum bei der Bahnanreise
Welche Maßnahmen und Anreize die Tiroler Seilbahnunternehmungen und Tourismusdestinationen setzen können, um das Reiseverhalten ihrer Gäste zu beeinflussen, zeigte Alessa Heeß vom Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit in der Tirol Werbung am Beispiel Bahn auf. „Eine Bahnreise hat viele Vorteile. Sie ist beispielsweise relativ günstig, umweltfreundlich und man kommt schnell ans Ziel. Der Anteil der Gäste, die mit der Bahn nach Tirol reisen, ist von 2019 bis 2023 bereits von 5 % auf 9 % gestiegen. Hier gibt es sicherlich noch großes Steigerungspotenzial, wenn die passenden Zug-Verbindungen und Vor-Ort-Mobilitätsangebote kommuniziert und beworben werden“, so Heeß.