Den 2.132 m hohen Hausberg von Luzern eroberte zuerst die Hotellerie. Nach dem ersten Gasthaus am benachbarten Klimsenhornjoch (1858) nahm das ehemalige Hotel Klimsenhorn mit neugotischer Kapelle im Jahr 1860 den Betrieb auf. Nach einem Brand wurde das Hotel im Jahr 1967 abgebrochen und die Kapelle als Denkmal von nationaler Bedeutung wurde im Jahr 2003 saniert. Im Jahr 1860 fand auch die Eröffnung des Hotels Bellevue, des ersten Hotels auf dem Pilatus-Kulm, statt. Schließlich wurde 1890 das Prachtstück der Hotellerie am Pilatus, das Hotel Pilatus Kulm im Stil der Belle Époque erbaut.
Die Pilatus-Bahnen AG investierte 2009 bis 2011 über 30 Mio. CHF in die Kompletterneuerung der Hotellerie- und Gastronomie-Infrastruktur auf dem Pilatus. Kernstück bildete das historische Hotel Pilatus-Kulm, die neue Panoramagalerie sowie das komplett modernisierte Self-Service-Restaurant mit Sonnenterrasse des Hotels Bellevue. Neben der bedeutendsten Tourismusauszeichnung der Schweiz, dem „Milestone“ in der Kategorie „Herausragendes Projekt“, erhielt die Panoramagalerie Pilatus Kulm im Rahmen der Interalpin 2013 auch den „Sonderpreis Gesamtprojekte des ISR Architektur Award“ (siehe ISR 3/2013, S. 14).
Steilste Zahnradbahn der Welt
Für die Erschließung des Pilatus vom Ort Alpnachstad aus mit einer 4,6 km langen Zahnradbahn mit 1.623 m Höhenunterschied und mit einer Steigung von bis zu 480 ‰ entwickelte der Zürcher Industrielle Eduard Locher (1840 – 1910) am Ende des 19. Jahrhunderts ein neues Zahnradbahnsystem. Um die berechtigten Bedenken zu beseitigen, dass bei solch großen Steigungen das Triebzahnrad unter der großen Antriebslast auf der Zahnstange aufklettert, ersann Locher ein Zwillingszahnradsystem mit horizontalem Eingriff in eine Doppelzahnstange und mit Führungsrädern, die die Entgleisung der Wagen ausschließen. Die Bahn wurde 1889
mit Dampftriebwagen eröffnet und 1937 elektrifiziert. Sie ist bis heute die steilste Zahnradbahn der Welt für Personenbeförderung. Auch wenn diese Bahn nur für den Sommerbetrieb bestimmt ist, hegen und pflegen die Fachleute am Pilatus ihr einzigartiges und weltberühmtes Locher-System wie einen Schatz.
Von der Nordseite mit Seilbahnen
In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts bekam der Pilatus von der Nordseite, der Stadt Luzern, eine zweite Bahnverbindung. Zwei Teilstrecken einer Zweiseilumlaufbahn nach dem System Wallmannsberger auf der Trasse Kriens – Krienseregg – Fräkmüntegg (Eröffnung am 24. Dezember 1954) und eine Pendelbahn Fräkmüntegg – Pilatus Kulm (Eröffnung am 9. März 1956) bringen seither die Fahrgäste auch im Winter zum Pilatus Kulm. Nach dem die Pendelbahn schon im Jahr 1983 modernisiert worden war, wurde die Kabinenbahn im Jahr 1996 durch eine Einseilumlaufbahn mit 4er-Kabinen ersetzt.
Nach der Gesamtsanierung der Infrastruktur am Berg wurden in den Jahren 2014 bis 2015 von der Pilatus-Bahnen AG weitere 18 Mio. CHF in eine neue Pendelbahn Fräkmüntegg – Pilatus Kulm investiert.
Bauarbeiten auch in den Wintermonaten
Die Vorbereitungsarbeiten zum Abbau der alten Pendelbahn begannen bereits im April 2014, und am 31. August 2014 fuhr die alte Bahn zum letzten Mal. Die einzige Trassenstütze wurde an der gleichen Stelle wie die Stütze der Vorgängerbahn, nämlich auf einer schwer zugänglichen Steilflanke aufgestellt. Die Montage per Hubschauber der bis zu 3,5 t wiegenden Einzelelemente der Stütze, wie auch der beiden 4,5 t schweren Tragseilschuhe fand im Oktober 2014 statt. Mit 19,8 m ist die neue Stütze mehr als doppelt so hoch und mit 11,8 m Spurweite fast doppelt so breit wie die alte Stütze. Dies war wegen der größeren Abmessungen der neuen Kabinen mit längerem Gehänge und der nötigen Verbreiterung der Spurweite im Bereich der Kabinenbegegnung in Trassenmitte nötig.
Der Seilzug erfolgte im Dezember 2014 und die Montage der seilbahntechnischen Einrichtungen ging auch dann weiter, als die Zahnradbahn nach dem Wintereinbruch nicht mehr zur Verfügung stand. Die Logistik und die Beförderung der Bauarbeiter zum Pilatus Kulm im Wochenturnus erfolgte dann nur noch per Helikopter.
Seilbahnfahrt wie im Helikopter-Cockpit
Das Paradestück der neuen Seilbahn sind die beiden von CWA neu entwickelten 55er-Kabinen „Dragon Ride“, die dem Fahrgast mit dem großzügigen Platzangebot, dem Cockpit-ähnlichen Aufbau und den großen Fenstern das Gefühl von Fliegen vermitteln. Da die zwölf Panorama-Sitzplätze an beiden Stirnseiten der Kabinen etwas tiefer und die Stehplätze in der Mitte der Kabine dagegen etwas höher sind, können alle Fahrgäste eine grandiose Aussicht genießen.
Durch die neue Seilbahntechnik wurde dank erhöhter Fahrgeschwindigkeit und Kabinenfassungsraum die Förderleistung von bisher 480 P/h auf 589 P/h erhöht und die Fahrzeit um etwa eine Minute verkürzt. Für die Planer von Garaventa war es eine echte Herausforderung, die neue Seilbahntechnik in die bestehende Bausubstanz der Stationen zu platzieren. Um für die größeren Kabinen genug Platz zu schaffen und gleichzeitig das bequeme Ein- und Aussteigen der Fahrgäste zu gewährleisten, wurden in beiden Stationen Schiebebahnsteige ausgeführt.
Die 16-rolligen fangbremsenlosen Laufwerke sind am endlos gespleißten Zugseil mit jeweils zwei Zugseilklemmen befestigt. Der 260-kW-Hauptantrieb befindet sich in der Talstation, die Zugseilschleife ist in der Bergstation mittels Spanngewicht gespannt. In der Bergstation sind die Tragseile an Pollern verankert, in der Talstation werden sie mittels Rollenketten zu den Spanngewichten in einem Spannschacht umgelenkt. Die Tragseile sind mit den Spanngewichten mittels Vergussmuffen verbunden.
Höhere Verfügbarkeit und integriertes Räumungssystem
Dank der Verlängerung des Gehängearmes, Erhöhung der Pendelfreiheit an der Stütze und der aerodynamischer Kabinenform ist die neue Bahn windstabiler als ihre Vorgängerin. Dem neuesten Stand der Technik entspricht auch das integrierte Räumungssystem. Da alle für den Transport der Kabinen in die Stationen wichtigen Teile redundant ausgeführt sind, konnte auf eine Bergebahn verzichtet werden, und die Fahrgäste würden auch in einem Störfall in den Kabinen in die Stationen gebracht, ohne in ein Bergewagen umsteigen zu müssen oder aus der Kabine abgeseilt zu werden. Darüberhinaus verfügt die Bahn über zwei Dieselaggregate für den Notantrieb. Auf der Bergstation und auf dem dritten Seilreiter befinden sich Windmessgeräte.
Vom Bahnunternehmen zum Multi-Anbieter
Ursprünglich als reines Bergbahnunternehmen entstanden, hat sich in den letzten Jahren die Pilatus-Bahnen AG zu einem integrierten Anbieter mit zwei Seilbahnen, einer Zahnradbahn, zwei Hotels, sieben Restaurants, mit Seminarräumen für bis zu 300 Teilnehmer, einer Sommerrodelbahn und mit dem größten Seilpark der Zentralschweiz entwickelt. In all diesen Betrieben sind an die 240 Mitarbeiter beschäftigt. Im Jahr 2014 wurden trotz Beschränkungen wegen Bauarbeiten auf den Pilatus 433.560 Fahrgäste befördert. Davon kamen 48 % aus der Schweiz, 17 % aus dem restlichen Europa und 35 % aus Übersee. Roman Gric