Die ISR veröffentlicht diesen Beitrag in drei Teilen (in dieser und in den zwei folgenden Ausgaben), in dem der Autor einen Überblick über diese unverzichtbare Seilverbindung gibt, über Erfahrungen mit der Spleiß-Geometrie berichtet und den Einfluss des Spleißes auf die Lebensdauer der Seile behandelt.
1 Einführung
De r Spleiß ist eine sehr alte und bis heute auch die einzige Seilverbindung, mittels derer eine Endlosschlaufe (ohne nennenswerte Durchmesserveränderung entlang des verbundenen Seilbereiches) hergestellt werden kann.
Um die Funktionssicherheit eines Langspleißes zu gewährleisten, sind die Längen der Einsteckenden sowie die Gesamtlänge des Langspleißes seit längerer Zeit normiert. Dies hat zum Ziel, die Funktionssicherheit des Spleißes zu gewährleisten bzw. die Gefahr des Auseinanderrutschens der Litzen im Betrieb unter den bei Seilbahnen üblichen Betriebsverhältnissen zu verhindern.
Des Weiteren gilt es bei einem Langspleiß auch zu berücksichtigen, dass die Anforderungen einerseits an die Durchmessergenauigkeit insbesondere im Bereich der Knoten (damit die Funktion der verwendeten kuppelbaren Klemmen nicht gestört wird) und an-dererseits an die zu erwartende Lebensdauer (da immer häufiger gespleißte Seilschlaufen auf urbanen Anlagen, die sehr hohen Anzahl Fahrten haben, eingesetzt werden) hoch sind.
In der Arbeit „Über Langspleißungen“ von Dr. Ing. Hans Overlach aus dem Jahr 1931 wurde bereits der Aspekt der Länge der Einsteckendenlitzen sowie der notwendigen Verhinderung einer „Gewölbebildung“ (Durchmesser der Einstecklitze zu klein) bzw. der Reduktion der Radialkräfte und somit der „Haltekräfte“ auf die Einsteckenden thematisiert und behandelt. Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist jedoch nicht die Überprüfung der damaligen Ergebnisse unter Berücksichtigung der heute gültigen Randbedingungen (z. B. dickere Seile mit mehrlagigen Litzenkonstruktionen); vielmehr wird hiermit das Ziel verfolgt, alle Punkte, die für die Funktionsfähigkeit und für die Erreichung der erwarteten Lebensdauer maßgeblich sind, zu erkennen und zu bewerten.
Wenn wir die aktuellen Spleißvorgaben betrachten, ist die Gesamtlänge eines Langspleißes mit ≥ 1200 x d (d = Seilnenndurchmesser) über die letzten 80 Jahre in etwa gleich geblieben. Dagegen ist die Länge der Einsteckenden individuell in einzelnen Ländern eher kürzer geworden. Gemäß den aktuellen EN-Normen beträgt die minimale Länge der Einsteckenden 60 x d (bei einem maximalen Seilsicherheitsfaktor von 15), in den USA betrug früher die minimale Länge der Einsteckenden sogar nur 30 x d und in der Schweiz galt vor 2003 ein Grenzwert von 50 x d. Auf Grund dieser Erfahrungswerte und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass heute noch – auch wenn nur vereinzelt – Spleiße mit der oben genannten Geometrie störungsfrei in Betrieb sind, darf vermutet werden, dass die aktuellen Normvorgaben unter „normalen Randbedingungen“ und bei korrekter Spleißherstellung der erwarteten Funktionssicherheit genügen.
Darüber hinaus muss festgestellt werden, dass je nach ausführender Firma bei der Herstellung eines Langspleißes unterschiedliche Bewicklungsmaterialien für die Einsteckenden verwendet werden, aber auch unterschiedliche Ausführungsvarianten (Einsteckendenlänge, Knotenart, Art des Zusammendrehens etc.) zum Einsatz kommen. Aus diesen Gründen sind bei der Auslegung eines Langspleißes all diese Aspekte zwingend einzubeziehen bzw. erschwert oder sogar verunmöglicht ihre Vielfalt die allgemeine Bewertung eines Spleißsystems, wenn das genaue Wissen der oben genannten Parameter fehlt.
Wird schließlich der Langspleiß bezüglich seiner Lebensdauer, die bei urbanen Anlagen immer größere Wichtigkeit bekommt, betrachtet, so gilt es, das Augenmerk speziell auf den Knoten- bzw. den Stoßstellenbereich zu richten, da es schließlich genau diese Bereiche sind, die die Lebensdauer des Spleißes einschränken.
Aus den oben erwähnten Gründen drängen sich verschiedene Fragen auf, welche die Auslegung eines funktionstüchtigen, wirtschaftlichen, aber auch langlebigen Langspleißes betreffen:
- Welche Faktoren beeinflussen die Funktionsfähigkeit eines Langspleißes?
- Können die aktuell geltenden Vorschriften / Normen / Zertifizierungssysteme sichere Spleißverbindungen gewährleisten?
- Welche Faktoren beeinflussen die Lebensdauer eines Lang-spleißes?
- Muss ein Langspleiß in der Zukunft anlagenspezifisch abgeschätzt und ausgelegt werden?
- Wo liegen die Grenzen bezüglich der Einsteckendlängen sowie der Gesamtlänge eines Langspleißes wirklich?
Im Folgenden wird versucht auf die verschiedenen Fragen einzugehen, einige Informationen zu liefern sowie Fakten aufzuzeigen.
1.1 Historie der Seile und des Langspleißes
Der Begriff „Spleißen“ hat die Bedeutung des Zusammenfügens von Seilen bzw. Seilenden.
Tatsächlich ist die Geschichte des Seiles beeindruckend. Noch heute sind die meisten Seile im Grundsatz ähnlich beschaffen wie vor mehr als 2.000 Jahren. In vielen alltäglichen Situationen spielen Seile zunehmend eine wichtige Rolle; werden Zugkräfte über Rollen oder um Scheiben abgelenkt, so sind Seile bis heute ein nicht zu ersetzendes Teilsystem.
Während Jahrhunderten existierten Seilerzünfte, und noch heute tragen Tausende diesen Beruf in ihrem Namen. Der Seiler lernte Natur-, Chemiefaser- sowie Drahtseile herzustellen und diese entsprechend den Bedürfnissen der Kundschaft zu konfektionieren, zu montieren und zu warten. Da heute die Anzahl der Seilereien aber sehr viel kleiner ist und die Seilereien meist in einem stark eingegrenzten Bereich spezialisiert sind, kann eine Ausbildung zum Seiler weltweit oft nur noch im Textilseilsektor und an sehr weni-gen Orten erfolgen. Auch kann mit Bestimmtheit gesagt werden, dass sich der Seiler heute mehr auf die Seilherstellung konzentriert und die Arbeit der Spleißherstellung spezialisierten Spleißern überlässt (Bild 1).