Mitverschulden für Unfallsfolgen
In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall kam ein (Renn-)Radfahrer zu Sturz, weil eine Fußgängerin zu knapp vor ihm über die Straße ging: Er folgte seinem Vordermann in dessen Windschatten und trug keinen Helm. Als sein Vordermann wegen der Fußgängerin scharf abbremsen musste, fuhr er auf diesen auf fuhr auf diesen auf und kam zu Sturz, wodurch er insbesondere schwere Schädelverletzungen erlitt. Hätte er einen Helm getragen, hätte er zwar eine Gehirnerschütterung erlitten, die schweren traumatischen Hirnverletzungen und deren Folgen wären aber ausgeblieben. Der Radfahrer klagte die Fußgängerin (u. a.) auf Schmerzengeld. Die Fußgängerin wandte ein, den Radfahrer treffe das überwiegende Verschulden an diesem Unfall. Er habe einen zu geringen Abstand zum Vordermann eingehalten und die schweren Verletzungen wären bei Verwendung eines Fahrradhelmes unterblieben.
Helmpflicht für „sportliche“ Radfahrer!
Die österreichische Rechtsordnung kennt keine allgemeine Helmpflicht für Radfahrer, nur für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr besteht gemäß der StVO eine solche Pflicht auf öffentlichen Straßen. Dennoch war das Gericht in diesem Fall der Ansicht, dass für „sportlich ambitionierte“ Radfahrer, die sich dabei besonderen Risiken aussetzen, eine solche Verpflichtung anzunehmen ist: Zum einen verursache eine Fahrweise mit hoher Geschwindigkeit ein gesteigertes Unfallrisiko und bestehe deshalb eine höhere Unfallgefahr (insbesondere die Gefahr schwerer Kopfverletzungen). Zum anderen sei davon auszugehen, dass sich in Österreich bereits ein „allgemeines Bewusstsein“ gebildet habe, dass der „Einsichtige und Vernünftige“ wegen der erhöhten Eigengefährdung einen Radhelm trägt (im Jahre 2006 nannten 93 % der befragten Radfahrer das Tragen eines Helmes bei Radsportlern als „wichtig“). Daher ist das Gericht im Fall eines „sportlich ambitionierten“ Radfahrers zu dem Schluss gekommen, dass er im eigenen Interesse – auch wenn keine gesetzliche Verpflichtung besteht – angehalten gewesen wäre, einen Radhelm zu tragen. Die Verletzung dieser Obliegenheit war für seine schweren Kopfverletzungen kausal, hätte er einen Helm getragen, hätte er nur eine Gehirnerschütterung ohne Dauerfolgen erlitten. Das Nichttragen eines Helmes ist ihm daher als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen, was zu einer Kürzung seines Ersatzanspruchs führt. Das Gericht hat daher ein Schmerzengeld nur für die – auch beim Tragen eines Helmes – unvermeidbare Gehirnerschütterung zugesprochen, nicht jedoch für die schweren Kopfverletzungen.
Es gibt keine Helmpflicht für Wintersportler!
Nachdem diese Entscheidung bekannt wurde, begann eine mediale Diskussion zu den möglichen weiteren Folgen daraus, insbesondere wurde auch behauptet, dass man aus dieser Entscheidung ableiten könne, dass nun auch alle Wintersportler einen Helm tragen müssen und dass möglicherweise die Bergbahnen verpflichtet wären, dies zu kontrollieren. Diese Ansicht ist falsch!
Zunächst muss festgehalten werden, dass diese Entscheidung nur deshalb so ausgegangen ist, da es sich hier um einen Unfall eines „sportlich ambitionierten“ Radfahrers gehandelt hat. Wäre der Unfall bei einer gemütlichen Radtour geschehen, so wäre die Frage, ob der Verletzte einen Helm getragen hat, ohne Bedeutung: Er hätte in diesem Fall den vollen Schadenersatz erhalten. Daher kann für den „normalen“ Pistenbenutzer aus dieser Entscheidung in keinem Fall eine Pflicht zum Tragen eines Helmes abgeleitet werden. Zum Zweiten ist diese Frage nur dann relevant, wenn sich ein Unfall mit Kopfverletzungen, die durch das Tragen eines Helmes vermieden worden wären, ereignet: Bei allen anderen Verletzungen ist diese Frage ohne Bedeutung. Zum Dritten ist die von den Gerichten in Österreich immer wieder ausgesprochene und anerkannte Eigenverantwortung der Wintersportler zu betonen: Jeder Pistenbenützer hat sein Fahrverhalten und seine Ausrüstung entsprechend seinem Können, den äußeren Verhältnissen und der Umgebung anzupassen. Eine generelle Pflicht, einen Helm zu tragen, kann daraus nicht abgeleitet werden.
Keine Pflicht der Bergbahnen
Abschließend ist zur Beruhigung der Branche festzuhalten, dass die Bergbahnen auf Grund der aktuellen Rechtsprechung keinesfalls verpflichtet sind, eine Helmpflicht zu kontrollieren oder von den Pistenbenützern einzufordern. Auch in dieser Entscheidung hat das Gericht festgehalten, dass den Verletzten letztendlich eine hohe Eigenverantwortung trifft.
Christoph Haidlen
www.seilbahnrecht.at