In der Mittelstation werden alle 74 Kabinen und 36 Sessel ­garagiert.
Bahnen

ISR-REPORTAGE

Kaprun – Neugestaltung des traditionellen Gletscherskigebietes

Mit der Strecke Gletscherjet 3+4 von Doppelmayr wurde am Kitzsteinhorn vor einem Jahr eine neue komfortable und leistungsfähige Seilbahnverbindung zwischen Alpin­center und dem Gletscher eröffnet. Heuer wird die Modernisierung des Gebietes mit dem Bau einer 8er-Sesselbahn, der Schmiedingerbahn, fortgesetzt.

von: Roman Gric

Seilbahnpionier Wilhelm Fazokas

Das Gletscherskigebiet Kaprun wurde in den 1960er-Jahren nach der visionären Idee des Kapruner Bürgermeisters und Werksgruppenleiters der Tauernkraftwerke, Ing. Wilhelm Fazokas, als erstes Sommerskigebiet Österreichs eröffnet. 

Am 12. Dezember 1965 wurden die ersten Gäste zum Skifahren auf den Gletscher mit der Vierwagen-Pendelbahn von der Talsohle zur Krefelder Hütte (zum heutigen Alpincenter) gebracht – mit Umsteigen in der Mittel- und Winkelstation Salzburger Hütte. Elf Monate später wurde auch die Teilstrecke bis zur Gipfelstation Kitzsteinhorn auf 3.029 m eröffnet. Für die Seilbahntechnik zeichnete damals die Firma Waagner-Biró verantwortlich. Die obere Teilstrecke besaß mit der 106,9 m hohen Stütze Nr. 7 die bis 2016 höchste Seilbahnstütze der Welt (nach dem Bahnumbau im Jahr 1981 wurde die Stütze auf 113,6 m erhöht). Diesen Weltrekord hält heute die 188,88 m hohe Stütze der Pendelbahn über die Halong-Bucht (Vietnam, seit Juni 2016 in Betrieb).

Entwicklung in den Jahren 1965 bis 2000

Technische Innovationen prägten die ganze Geschichte der Gletscherbahnen Kaprun. So z. B. der im Jahr 1967 eröffnete „Maurergletscherlift“ am Schmiedinger Kees, der weltweit erste von der Firma Doppelmayr entwickelte Schlepplift mit Gletscherstützen.

Im Jahr 1970 wurde von der Gipfelstation der 360 m lange „Hanna Stollen“ an die Südflanke des Berges durchgebrochen, womit der Gletscher auch für Fußgänger erreichbar wurde. Mit der Eröffnung des Selbstbedienungs- und Bedienungsrestaurants Alpincenter im Jahr 1973 wurden gastronomisch neue Maßstäbe gesetzt.

Auch die im Jahr 1974 eröffnete erste alpine wetterunabhängige Stollen-Standseilbahn, die Gletscherbahn Kaprun 2 vom Tal direkt zum Alpincenter, galt seinerzeit als technische Pionierleistung. Der „Gletscher Shuttle“, eine auf Knopfdruck fungierende Standseilbahn, verbindet seit 1990 den Gletscher mit der Bergstation Kitzsteinhorn. Im Jahr 1991 ersetzte die 8er-Kabinenbahn „Panoramabahn“ die 1965 gebaute erste Teilstrecke der Pendelbahn. Vom Langwiedboden, der Bergstation der Panoramabahn, bis zum Alpincenter wird die Fahrt mit der bereits 1990 gebauten 4er-Sesselbahn „Langwiedbahn“ fortgesetzt, die zugleich ein beliebtes Freeride-Gebiet erschließt. Die obere Trassenhälfte Salzburger Hütte – Alpincenter der vorherigen Vierwagen-Pendelbahn wurde mit zwei Kabinen erhalten und dient heute dem Materialtransport.

Darüber hinaus wurde das Gebiet mit weiteren Gletscherliften und Sesselbahnen ausgebaut.

Neuorientierung nach dem Jahr 2000

Die Stollenbahn Gletscherbahn Kaprun 2 wurde nach 26 Jahren Betrieb am 11. November 2000 durch einen verheerenden, bis dahin an einer Seilbahn für unmöglich gehaltenen Brand zur Todesfalle für 155 Opfer.

Die Gletscherbahnen Kaprun als Leitbetrieb der Region änderten in den Jahren nach diesem Unglück grundsätzlich die gesamte Infrastruktur des Gebietes. Die verunglückte Bahn wurde stillgelegt und abgebaut. Mit der Funitel Gletscherjet I (Baujahr 2001) und der 15er-Kabinenbahn Gletscherjet II (Baujahr 2002) wurde wiederum eine zweite leistungsfähige Zubringer-Achse bis zum Alpincenter gesichert (siehe ISR 3/2002, S. 44–45).

Die folgenden Jahre sind von Neuorientierung und richtungsweisenden Veränderungen geprägt. Statt auf laute Events setzt man heute auf die Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Hohe Tauern, der Berg funktioniert als Fenster zur Natur. „Aufbauen auf vorhandene natürliche und einzigartige Stärken, kreative Angebote im Einklang mit der hochalpinen Natur und ein hoher Qualitäts- und Servicestandard“ sind im neuen Unternehmensleitbild verankert. Die Gletscherbahnen schließen einen Partnerschaftsvertrag mit dem Nationalpark Hohe Tauern und starten eine Kooperation mit dem Salzburger Institut für Ökologie, das seither alle Bauprojekte begleitet. Seit 2003 sind die Gletscherbahnen Kaprun für alle Unternehmensteile in den Bereichen Qualitäts- und Sicherheitsstandards ISO-zertifiziert, seit 2007 zusätzlich auch für den Bereich Umweltmanagement. Das Kitzsteinhorn ist auch mit dem Gütesiegel „Beste Österreichische Sommer-Bergbahn“ ausgezeichnet.

Sommer als zweites Standbein

Mit der Eröffnung der „Gipfelwelt 3000“ im Jahr 2011 gelingt dem Unternehmen die Schaffung eines zweiten wirtschaftlichen Standbeins neben dem Wintersport. In der Bergstation genießen Gäste die Aussicht von der Panorama-Plattform „Top of Salzburg“, die scheinbar frei 50 m über dem Gletscher schwebt. Das „Cinema 3000“ entführt den Zuschauer auf einer 8 m breiten Leinwand in die magische Bergwelt. Zusammen mit dem Nationalpark Hohe Tauern wurde die „Gipfelwelt 3000“ um die „Nationalpark Gallery“ erweitert (Ausstattung des Hanna-Stollens mit fünf Infostationen und Neubau ­einer Panorama-Plattform direkt an der Grenze zum Nationalpark).

Dank ihrer Lage mitten in der Gletscherregion bietet die „Gipfelwelt 3000“ auch im Sommer ein unvergessliches Schneeerlebnis. Das Skigebiet am Gletscher ist fast das ganze Jahr über geöffnet. Aber auch im Hochsommer genießen vor allem die Nichtskifahrer und Gäste aus dem Orient in der „Ice Arena“ mit ihren Schneerutschbahnen und ihrem Schneestrand einzigartige Erlebnisse.

50 Jahre Gletscherbahnen Kaprun

Am 12. Dezember 2015 – und damit auf den Tag genau 50 Jahre, nachdem die ersten Gäste mit einer Seilbahn ins Gletscherskigebiet transportiert wurden – feierten die Gletscherbahnen Kaprun ihr 50-Jahr-Jubiläum und die offizielle Eröffnung der neuen Bahnachse Gletscherjet 3+4. An der Eröffnungsfeier am Kitzsteinhorn nahmen an die 300 Gäste teil, ­darunter Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer und Bundes­präsident Dr. Heinz Fischer. Bei der ­darauffolgender Jubiläumsfeier im Alpincenter bezeichnete Bundespräsident Dr. Fischer den Start des Skibetriebs auf dem Kitzsteinhorn vor 50 Jahren als „Meilenstein in der Entwicklung Österreichs zum Wintersportland Nummer Eins“.

Gletscherjet 3+4 hebt Kitzsteinhorn in noch höhere Liga

Die neue Bahnen Gletscherjet 3+4 machten den zentralen Gletscherskiraum am Kitzsteinhorn deutlich schneller und komfortabler erreichbar. Der Gletscherjet 3 ersetzte die 4er-Sesselbahn „Gratbahn“ aus dem Jahr 1992, die nun im russischen Gebiet Abzakovo wiedererstellt wird.

Die Verlängerung der neuen Bahntrasse bis in die Nähe der Talstation des Gletscher Shuttles auf fast 3.000 m Seehöhe ermöglicht eine neue Strukturierung der Pisten am Gletscher und eröffnet den nicht-skifahrenden Gästen ganzjährig eine eindrucksvolle Gletscher-Rundreise: Vom Alpincenter mit Gletscherjet 3+4 zum Gletscher, durch den neuen etwa 100 m langen Barbara-Stollen zur Talstation der Standseilbahn Gletscher Shuttle, mit der Standseilbahn zur Bergstation Kitzsteinhorn und von dort mit der Gipfelbahn (Pendelbahn) zurück zum Alpincenter oder umgekehrt.

Zusätzlich zur Errichtung der neuen Bahnen wurden bestehende Schlepplifte neu positioniert. So wurden Kitz- und Keeslift zu einem Doppel-Schlepplift zusammengeführt und die Magnetköpfl­lifte abgetragen und 100 m weiter südwestlich am Gletscherplateau neu situiert. So konnten die früheren Schlepplifttrassen für eine  Erweiterung der Skipisten verwendet werden.

Spezielle Seilbahntechnik

Die Idee der Gletscherbahnen Kaprun, beim Gletscherjet 3 (einer Kombibahn mit 10er-Kabinen und 8er-Sesseln) und dem Gletscherjet 4 (einer 10er-Kabinenbahn) einen Durchfahrbetrieb zu installieren, ergab sich aus den verschiedenen Aufgabenstellungen der beiden Teilstrecken. Von der Firma Doppelmayr wurde dafür in Zusammenarbeit mit den Gletscherbahnen Kaprun eine einzigartige Lösung des Bahnbetriebes entwickelt. Die 10er-Kabinen der Kombibahn Gletscherjet 3 fahren in der Mittelstation durch bis zur Bergstation der Kabinenbahn Gletscherjet 4. Dabei werden sie nahtlos zwischen die Kabinen des Gletscherjet 4 eingereiht, die nur in der oberen Teilstrecke fahren. Die 8er-Sessel des Gletscherjet 3 hingegen bleiben im unteren Bereich und werden vor allem von sportlichen Skifahrern für Wiederholungsfahrten genutzt. In der Talstation der Kombibahn sind die Einstiegsbereiche Kabine/Sessel voneinander getrennt.

Für die Sortierung der Fahrzeuge werden insgesamt sechs vollautomatische Schnellschaltweichen ein­gesetzt – vier in der gemeinsamen Mittelstation und zwei in der Talstation der Kombibahn. So können sowohl die Wintergäste mit angeschnallten Sportgeräten als auch jene, die lieber mit einer Kabine fahren wollen, stressfrei die Seilbahn benützen. Bei der Talfahrt öffnet sich in der Bergstation die Tür nur bei jenen Kabinen, die bis zur Talstation des Gletscherjet 3 fahren. Beide Teilstrecken können auch separat betrieben werden. Im Sommer sind nur Kabinen im Einsatz.

Wegen der Trassenführung über dem Gletscher gibt es auf der ­Trasse des Gletscherjet 4 ein rund 550 m langes Spannfeld, und zwei der insgesamt acht Stützen wurden als Fachwerkstützen mit einer Höhe von 50 und 65 m gebaut. Dies macht die Bahn zu einem Erlebnis für sich. Bis zu 60 m über den Gletscherpisten schwebend, eröffnen sich Ausblicke auf die Gletscherhänge und Pisten und weit in die unberührte Gebirgswelt des Nationalparks Hohe Tauern.

In der Mittelstation befinden sich die Antriebe beider Teilstrecken, die als Doppelmayr-Sector-Drive (DSD) mit einer Motorleistung von 488 kW (Gletscherjet 3) und 649 kW (Gletscherjet 4) ausgeführt sind. Alle Sessel und Kabinen sind mit Sitzheizung versehen, die Sessel mit Wetterschutzhauben und Schließbügel mit durchrutsch­sicheren, zwischen den Oberschenkeln der Fahrgäste platzierten Fußrastern. Alle 74 Kabinen und 36 Sessel werden in der Mittelstation garagiert. Die Bahn ist mit der Seillageüberwachung RPD ausgestattet.

In der intensiven zweijährigen Bauphase 2014 bis 2015 waren rund 50 vorwiegend regionale Unternehmen mit insgesamt 500 Mitarbeitern im Einsatz. Für die Neustrukturierung des Gebietes wurden in diesen zwei Jahren 25 Mio. Euro investiert.

Ab November 2016 neue Schmiedingerbahn

Die Gletscherbahnen Kaprun setzen ihre Anpassungsstrategie nun weiter fort: Als Ersatz für die 1969 eröffneten, 1974 zum Doppelschlepplift ausgebauten und in den 1990er-Jahren abermals modernisierten Schlepplifte wird die Schmiedingerbahn, eine 721 m lange kuppelbare 8er-Sesselbahn von Doppelmayr mit Sitzheizung und Wetterschutzhauben ab November 2016 in Betrieb sein. Durch den Umbau zur 8er-Sesselbahn wird nun die bisherige Lifttrasse in die Pisten integriert. Mit ihrer Höhenlage zwischen 2.530 und 2.775 m wird sie Salzburgs höchstgelegene Sesselbahn.

Ergänzend zur neuen Schmiedingerbahn setzen die Kapruner Gletscherbahnen auch ihr mehrjähriges Pistenbau- und Beschneiungs-Ausbauprogramm fort. Die beschneibare Pistenfläche wird um 

2 ha vergrößert und durch den Ausbau der Wasser- und Pumpenleistung eine schnellere Beschneiung möglich sein. 9,5 Mio. Euro werden am Kitzsteinhorn in die Gletscher-Herbst- und -Wintersaison 2016/2017 investiert, 7 Mio. Euro in die neue Schmiedingerbahn und weitere 2,5 Mio. Euro in den Ausbau der Beschneiungsan­lage und der Pisten.       

Mit der Eröffnung der Gipfelbahn am 26. November 1966 erreichten die Gäste vom Alpincenter aus erstmals auch die Gipfelstation auf 3.029 m. Diese Bahn wurde mehrmals modernisiert und steht bis heute in Betrieb.
Die neuen Bahnen Gletscherjet 3+4 strukturieren seit 2015 den zentralen Skiraum am Kitzsteinhorn völlig neu.
Die 10er-Kabine Nr. 1 des Gletscherjet 3+4 wurde in einem Jubiläums-Design gestaltet (links im Bild).
Neugestaltung des oberen Gletscherbereiches: Vor der Bergstation des Gletscherjet 4 ist die Talstation der Standseilbahn Gletscher Shuttle zu sehen, links die neue Bergstation des Magnetköpflliftes.
Im Kommandoraum der Bergstation des Gletscherjet 4 spiegeln sich die ankommenden 10er-Kabinen (li.).
Die Bergstation des Gletscherjet 4 ist am Rande des Gletschers an die Felswand angedrückt, den Zugang zur Talstation der Standseilbahn Gletscher Shuttle gewährt der neue 100 m lange Barbara-Stollen.
In der Mittelstation befindet sich der 649 kW starke Doppelmayr-Secktor-Drive-Antrieb. Die hydraulische Spanneinrichtung bewegt die ganze Antriebseinheit mit der Antriebsscheibe.
Fotos: R. Gric
Beim Gletscherjet 3+4 sind insgesamt sechs vollautomatische Schnellschaltweichen für die Sortierung der Fahrzeuge in Betrieb.
Fotos: R. Gric

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