ISR: Herr Falkner, vergangenes Jahr sind vielen Skigebieten pandemiebedingt die Einnahmen weggebrochen, jetzt sind die Bergbahnunternehmen mit exorbitant gestiegenen Energiepreisen konfrontiert. Wie kann man als Seilbahnunternehmen reagieren?
Jakob Falkner: Dass die Pandemie verheerend für die Branche war und dass die drastisch gestiegenen Strompreise beträchtliche Herausforderungen mit sich bringen, kann man nicht schönreden. Fakt ist aber, dass Tourismus und die Seilbahnwirtschaft immer eine langfristig orientierte Branche sein werden. In den vergangenen 30 Jahren haben wir durchwegs gute Zeiten erlebt und uns daran gewöhnt, dass es nur eine Richtung gibt – nach oben. Gerade in Krisen zeigt sich, wie wichtig es ist, über einen langen Zeitraum hinweg seine unternehmerischen Hausaufgaben zu machen. Das betrifft speziell die Themenbereiche Innovationen im Angebot, Investitionen, Mitarbeiter und Steigerung der Dienstleistungsqualität. Um dies alles zu finanzieren und um sich weiterzuentwickeln, braucht man natürlich entsprechende Einnahmen.
ISR: Energiesicherheit ist auch für Seilbahnen ein zentrales Thema geworden. Wie lässt sich diese langfristig gewährleisten?
Jakob Falkner: In den Bergen haben wir enormes Potenzial für die Gewinnung von Wasserkraft. In der Praxis ist es uns aber verwehrt, dieses Potenzial zu nutzen. Unsere Situation ist derzeit so, wie wenn man Arabern verbieten würde, Öl zu verkaufen. Die Ressourcen für die umweltfreundliche Energiegewinnung liegen direkt vor unserer Haustür, wir können derzeit aber nichts tun. Wir benötigen einen Abbau von faktischen Monopolstellungen und bürokratischen Hürden, wenn es darum geht, dass Seilbahnen und Tourismusregionen ihre Stromversorgung in die eigenen Hände nehmen. Dazu müssen jetzt die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Eigene Investitionen in erneuerbare Energien machen uns unabhängiger, und wir stellen damit langfristig sicher, Seilbahnen wirtschaftlich nachhaltig zu betreiben.
ISR: Werden die Bergbahnen Sölden angesichts der Einnahmenausfälle in der Wintersaison 2020/21 Investitionen verschieben?
Jakob Falkner: Wir investieren laufend in unsere Anlagen, die Beschneiung, die Gastronomie und das gesamte Angebot für unsere Gäste. In der vergangenen Wintersaison – also mitten in der Pandemie – haben die Bergbahnen Sölden beispielsweise zwei neue Restaurants mitten im Skigebiet errichtet. Es ist möglich, dass wir Investitionen um ein bis zwei Jahre verschieben. Wir haben aber nach wie vor das Potenzial, uns weiterzuentwickeln.
ISR: Betrifft dies auch die viel diskutierte Seilbahnverbindung zwischen dem Pitztaler Gletscher und Sölden, mit einem ursprünglichen Projektvolumen von 130 Mio. Euro?
Jakob Falkner: Unser Partner, die Pitztaler Gletscherbahn, hat bis Ende dieses Winters um Fristerstreckung ersucht. Ich stehe nach wie vor zu 120 % hinter der Skigebietsverbindung und setze mich massiv dafür ein. Die Zusammenlegung der Skigebiete ist in sich logisch – und sie steht in absolutem Einklang mit den Ansprüchen und Wünschen unserer Gäste. Betroffen davon sind nur 0,6 % der gesamten Fläche des Ötztaler und Pitztaler Gletschers. Für beide Täler ist dies aber eine Investition in die wirtschaftliche Absicherung der nächsten Generation – und darüber sollten jene Menschen entscheiden, die es wirklich betrifft. Und nicht Menschen in Wien, Berlin oder München, die sich nur am Rande mit der Situation vor Ort befassen und mit einem einfachen Mausklick eine Online-Petition unterschreiben.
ISR: Viele Beobachter sehen die Pandemie als Zäsur für den Tourismus und als Anlass zu mehr qualitativem Wachstum …
Jakob Falkner: Das ist eine sehr oberflächliche Denkweise. Natürlich wachsen wir seit jeher auch qualitativ, indem wir das Angebot für unsere Gäste verbessern und damit unsere Wertschöpfung steigern. Um uns weiterzuentwickeln, benötigen wir aber auch quantitatives Wachstum. Es gibt unter anderem genug zu tun, was die Auslastung unserer Einrichtungen über das Jahr gesehen betrifft. Die Betten in Österreichs Tourismusbetrieben sind im Schnitt nur rund 130 Tage im Jahr belegt, in etwa zwei Drittel des Jahres stehen sie leer – und hier gilt es anzusetzen. Welches Industrieunternehmen würde sich damit zufriedengeben, wenn Produktionsanlagen nur zu einem Drittel ausgelastet sind?
ISR: Wenn man deutschsprachige Medien aufschlägt, steht die Seilbahnbranche seit geraumer Zeit massiv in der Kritik. Was läuft hier verkehrt?
Jakob Falkner: Ich denke, dass viele Medienvertreter sich nur oberflächlich und aus einer entfernten Perspektive mit der Thematik auseinandersetzen. Vielen österreichischen Journalisten und Meinungsbildnern ist gar nicht bewusst, welchen Stellenwert die österreichischen Seilbahn- und Tourismusunternehmen im gesamten Alpenraum haben. Von den gesamten Auslandsreisen im Winter im alpinen Raum hat Österreich einen Anteil von mehr als 50 %. Daran sieht man, welche enorme Bedeutung die österreichischen Wintersportorte haben. In welchem Wirtschaftssektor ist Österreich sonst noch absolute Weltspitze? Diese Spitzenposition müssen wir auch als Branche wesentlich besser kommunizieren.
ISR: Bereits jetzt gibt es zwischen vielen Branchen einen Kampf um Mitarbeiter. Wie kann sich hier die Seilbahnwirtschaft positionieren?
Jakob Falkner: Der Trend in Richtung Sommertourismus trägt nicht nur verstärkt zu unseren Umsätzen bei. Die Bergbahnen Sölden haben das Sommerangebot auch deshalb stark ausgebaut, damit wir Arbeitskräfte über das ganze Jahr halten können. Darüber hinaus müssen wir die Vorzüge der Jobs im Tourismus und in der Seilbahnbranche besser kommunizieren. Wir haben ein emotionales Produkt, mit dem sich Mitarbeiter voll identifizieren können, – in einer einzigartigen Umgebung, in der man nach Feierabend die unterschiedlichsten Freizeitaktivitäten gleich vor der Haustür vorfindet. Also ich arbeite lieber 60 Stunden im Tourismus als irgendwo 40 Stunden in der Industrie.
ISR: Marktkommunikation findet vor allem gegenüber Gästen statt …
Jakob Falkner: Ja, und wir sollten Marketing-Aktivitäten vermehrt auf Mitarbeiter ausdehnen. Aber auch im Bereich des Gäste-Marketings haben wir als Bergbahnen Sölden noch einiges vor: Es reicht nicht, wenn wir unseren Gästen ein optimales Produkt in Form von hochmodernen Seilbahnen, gut präparierten Pisten und einem umfassenden touristischen Angebot bieten. Wir müssen unsere Angebote noch stärker als bisher auf den verschiedenen Zielmärkten kommunizieren. Und wir müssen in die Stärkung der Marke Sölden investieren. Von Markenartiklern im Konsumgüterbereich können Seilbahnunternehmen mit Sicherheit noch einiges lernen – nicht zuletzt was den Umfang der Budgets betrifft. Wir haben also noch einiges zu tun, und wir haben das Potenzial dazu. Und genau das ist das Schöne an dieser Aufgabe.
ISR: Wir danken für das Gespräch!
Das Interview wurde am 31. Jänner 2022 geführt.