Veranstaltungen

ITTAB 2012

Die 62. Internationale Tagung der Technischen Aufsichtsbehörden (ITTAB) fand vom 16. bis 21. September 2012 in Chamonix, dem traditionsreichen Tourismusort am Fuße des Mount Blanc, statt.

16 Länder hatten heuer insgesamt 41 Teilnehmer zur 62. ITTAB nach Frankreich entsandt. Erstmals dabei war heuer auch ein Behördenvertreter aus Singapur.

Ausgerichtet wurde die Veranstaltung vom STRMTG (Service Technique des Remontées Mécaniques et das Transport Guidés), der für die französischen Seilbahnen zuständigen Aufsichtsbehörde. Das Team des STRMTG unter der Leitung von Daniel Pfeiffer, Direktor des STRMTG, hatte die Tagung hervorragend vorbereitet und bot den Tagungsteilnehmern beste Bedingungen für die zügige Behandlung der vorgesehenen Themen. Wieder hat sich im Laufe der Tagung gezeigt, dass sich durch die langjährige Tradition der ITTAB ein Vertrauensverhältnis zwischen den Seilbahn-Aufsichtsbehörden aufgebaut hat, das eine offene Diskussion auch heikler technischer und organisatorischer Probleme ermöglicht. Insbesondere die Vertreter jener Länder, in denen Seilbahnen eine nicht so bedeutende Rolle spielen wie in den „klassischen“ Seilbahnländern, können vom Erfahrungsschatz der anderen profitieren.

Eröffnung
Tagungsleiter Daniel Pfeiffer begrüßte die Behördenvertreter aus aller Welt und gab der Hoffnung Ausdruck, dass es wieder zu einem fruchtbaren Erfahrungsaustausch zwischen den Delegationen der beteiligten Länder kommen werde.

Der Bürgermeister von Chamonix, Eric Fournier, stellte in seiner Grußadresse den Tagungsort vor. Die einmalige Lage von Chamonix am Fuße des Mount Blanc beschert dem traditionsreichen Ort mit 60.000 Gästebetten fünf Millionen Übernachtungen jährlich, gleichmäßig aufgeteilt auf die Sommer- und Wintersaison.

Offiziell eröffnet wurde die 62. ITTAB dann von David Zambon, dem stellvertretenden Direktor der Abteilung Verkehr im französischen Ministerium für Ökologie, nachhaltige Entwicklung und Energie (Ministère de l’Ècologie, du Développement durable et de l’Ènergie), der die Bedeutung der ITTAB für die Sicherheit der Seilbahnen gebührend würdigte.

Unfallberichte
Aus den schriftlichen Unfallmeldungen der in der ITTAB vertretenen Länder geht hervor, dass das Unfallgeschehen im Berichtszeitraum 2010/2011 gegenüber dem Vorjahr mit nur einem tödlichen Fahrgastunfall und einem tödlichen Arbeitsunfall ungünstiger ausfiel: Fünf tödliche Fahrgastunfälle und ein tödlicher Arbeitsunfall waren zu verzeichnen. Keiner der Unfälle war auf ein technisches Versagen zurückzuführen.

In China fiel nach schweren Regenfällen ein Baum auf das Förderseil einer Einseilumlaufbahn mit fixgeklemmten Stehkörben. Durch den Aufprall wurden insgesamt fünf Fahrgäste aus den Fahrzeugen geschleudert. Der Bodenabstand betrug ca. 8 m. Ein Fahrgast blieb unverletzt, zwei wurden leicht, einer schwer und einer tödlich verletzt.

In Frankreich verhängte sich ein Kind mit seinem Rucksack beim Ausstieg in der Bergstation einer kuppelbaren Sesselbahn am Sesselkorb. Das Kind wurde bis auf die Talfahrtseite mitgeschleift, wurde bewusstlos und erlag nach einigen Tagen im Spital seinen Verletzungen.

Die Schweiz meldete drei tödliche Fahrgastunfälle:
An der unbesetzten Zwischenstation einer kuppelbaren Sesselbahn wollen zwei Fußgänger aussteigen, obwohl signalisiert ist, dass dort kein Ausstieg zulässig ist. Einer der beiden Fahrgäste verletzt sich beim Absprung tödlich.

Beim Abbügeln an der Aussteigstelle eines Schleppliftes verfängt sich der Bügel zwischen Helm und Brille, der Fahrgast – ein Kind – wird mitgeschleift und erleidet schwere Kopfverletzungen, denen es im Spital erliegt.

Ein Fahrgast stürzt im steilen Bereich vor der Bergstation eines Schleppliftes, gleitet ca. 100 m in der Schleppspur talwärts und prallt an ein Stützenfundament. Im Spital erliegt er seinen schweren Kopfverletzungen.

Der einzige tödliche Arbeitsunfall wurde von Japan gemeldet und ereignete sich an einer fixgeklemmten Sesselbahn. Der Unfall wurde nicht näher beschrieben, jedoch im Unfallbericht der Kategorie selbstverschuldetes Fehlverhalten des Bediensteten zugeordnet.

Über den einen oder anderen weiteren Unfall bzw. Zwischenfall, der vergleichsweise glimpflich verlief, aus dem jedoch Lehren für die Zukunft gezogen werden können, werden wir gesondert berichten. So kam es beispielsweise in Kanada zum Bruch einer Sesselliftklemme und einer Hauptachse einer Rollenbatterie; in Frankreich kam es zu einem Stützenbruch zufolge eines unvorhergesehenen Lawinenabgangs, einer verfrühten Ausfahrt eines Pendelbahnwagens mit offener Tür und der Entgleisung eines Pendelbahnlaufwerks zufolge eines schlecht montierten Eiskratzers; in der Schweiz führte ein unter extremen Bedingungen entstandenes Schneebrett zum Kippen und Verschieben einer Stütze samt Fundament und dem daraus resultierenden betrieblichen Störfall.

Technische Präsentationen
Die Präsentation von technischen Neuerungen, Ergebnissen von wissenschaftlichen Studien und organisatorischen Maßnahmen ist ein wichtiger Abschnitt des Tagungsprogramms, weil er wertvolle Anregungen für die technischen Aufsichtsbehörden enthält.

Besonderes Interesse fand der Bericht von Dipl.-Ing. Sven Winter vom Institut für Fördertechnik und Logistik (IFT) der Universität Stuttgart über neue Entwicklungen bei der Automatisierung der Seilprüfung. Es geht dabei um die Kombination von magnetinduktiver und visueller Seilprüfung mittels des vom IFT entwickelten Prüfgerätes, das mittlerweile unter dem Namen Winspect-Seilprüfgerät auf dem Markt ist (siehe ISR 2/2012, Seite 22, Anm. d. Red.). Es stellte sich heraus, dass das Wissen über die Existenz dieses in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits behördlich zugelassenen Seilprüfgerätes international noch nicht sehr verbreitet ist, aber sehr großes Interesse an der Verbreitung des Gerätes besteht; spontaner Kommentar des kanadischen Vertreters: „Ich möchte eines haben!“

Ralph Sondermann, Leiter der deutschen Delegation, berichtete über die Vorgangsweise beim Rückbau von Altanlagen in Bayern. Er nannte die von der Behörde gewählte Strategie „Rückbau mit Augenmaß“ und demonstrierte an Hand vieler Beispiele, wie die monetären und rechtlichen Schwierigkeiten bei der Beseitigung oder Nachnutzung von nicht mehr in Betrieb stehenden Seilbahnanlagen überwunden werden können. Es handelt sich dabei um ein Problem, das in vielen Ländern besteht, sich aber aufgrund unterschiedlicher Rechtslagen ganz verschieden darstellt. So ist beispielsweise in Österreich der Abtrag von Seilbahnen im Seilbahngesetz klar geregelt, in den USA und Kanada gibt es dafür keinerlei Bestimmungen. Es handelt sich dabei nicht nur um Landschaftsschutz – verrostete Seilbahnstützen und halb eingestürzte Stationsbauwerke sind wohl keine Zier für das Landschaftsbild –, sondern um echte Gefährdungen von Personen beispielsweise durch noch gespannte Seilbahnseile, die jederzeit brechen können.

Nur punktuelles Interesse fand naturgemäß eine Studie über den Einfluss von Vulkanasche auf die Dauerfestigkeit von Seilbahnseilen, die von Jorge Ernesto Schneebeli, dem Vertreter Argentiniens vorgelegt wurde. Nach einem Vulkanausbruch waren die Seilbahnen monatelang dem Einfluss von Vulkanasche ausgesetzt gewesen. Das Ergebnis der Studie wies einen Lebensdauerverlust der Seile zufolge des Einflusses der Vulkanasche zwischen 8 und 12 % aus.

Technische Fragen
Im Abschnitt „Technische Fragen“ diskutieren die Behördenvertreter aktuelle Probleme ihrer Aufsichtstätigkeit mit den Kollegen aus den anderen Ländern, um Lösungsmöglichkeiten auszuloten. Es stellte sich heraus, dass wie beim Rückbau von Altanlagen in vielen Fällen die rechtliche Situation ganz unterschiedlich ist. Das trifft für die Frage der Kennzeichnung von Seilbahnen als Luftfahrthindernis ebenso zu wie für die Anpassung sehr alter Anlagen an den Stand der Technik.

Weitere Fragen betrafen die Bestimmungen über die Instandhaltung der Klemmen von kuppelbaren Seilbahnen und die integrierte Bergung, die bereits auf der letztjährigen ITTAB in St. Anton am Arlberg ausführlich diskutiert wurde (siehe ISR 5/2012, Seite 32).

Seilbahnbesichtigungen
Der Höhepunkt der Besichtigungen im wahrsten Sinne des Wortes war zweifellos die Fahrt mit der Seilbahn „Aiguille du Midi“ auf eine Seehöhe von 3.842 m. Der Blick von der Aussichtsterrasse auf den Mont Blanc und das umliegende Panorama ist überwältigend! Die Besichtigung der Antriebe der beiden Pendelbahn-Teilstrecken in der Mittelstation ist für jeden Seilbahntechniker ein echter Leckerbissen – kaum anderswo ist ein Antriebsraum so mit Seilscheiben und vielerlei Aggregaten „vollgestopft“. Die Seilbahn „Aiguille du Midi“ war übrigens die erste Seilbahn, bei der das Bergungssystem der integrierten Bergung behördlich genehmigt wurde. Des Konzept dazu stammt vom genialen französischen Seilbahnkonstrukteur Denis Creissels, der die erforderlichen Maßnahmen im Zuge der Generalsanierung der Bahn 1991 umgesetzt hat.

Die zweite Bahnbesichtigung führte zur im Bau befindlichen 3S-Bahn „Les Prodains“ in Avoriaz. Die neue Anlage wird mit einer Förderleistung von 2.400 P/h im Endausbau diejenige der bestehenden Pendelbahn aus dem Jahr 1963 mit 450 P/h mehr als verfünffachen. Wieder einmal zeigt sich, dass sich das 3S-System zum Ersatz von alten Pendelbahnen besonders gut eignet. Besichtigt werden konnte aus Zeitgründen nur die Talstation, die bereits größtenteils mit den seilbahntechnischen Einrichtungen bestückt war. Zum Zeitpunkt der Besichtigung fand gerade der Seilzug eines der vier Tragseile statt, eines war bereits aufgelegt.

Die letzte Bahnbesichtigung führte nach Salève am Genfersee, wo die älteste Pendelbahn Frankreichs seit 1932 in Betrieb steht. Sie wurde 1982 von der Firma Von Roll/Habegger generell erneuert, wobei die Gusseisen-Seilscheiben und das Bergstationsgebäude, bei der erstmals in Frankreich Stahlbeton für den Bau einer Seilbahnstation eingesetzt wurde, beim Umbau beibehalten wurden. Die Kabinen von Gangloff mit einem Fassungsraum von 60 + 1 Personen konnten mit symmetrischen Gehängen ausgeführt werden, da die Trasse keine Stütze aufweist. Die Kabinen sind unter dem Boden mit 2.000-l-Wassertanks ausgestattet, die nicht nur der Wasserversorgung der Bergstation auf 1.097 m ü. M. dienen, sondern auch bis 15 m/s Seitenwind durch ihre stabilisierende Wirkung einen problemlosen Betrieb ermöglichen. Für die nächste Zeit sind an dieser heute 30 Jahre alten Pendelbahn der Austausch der elektrischen Steuerung und der Ersatz des DC-Antriebes durch einen AC-Antrieb geplant.

Werksbesichtigungen
Nach der Besichtigung der 3S-Bahn-Baustelle in Avoriaz besuchten die ITTAB-Teilnehmer die Firma Coppel Maintenance in Saint-Pierre-en-Faucigny. Dieses Privatunternehmen bietet seinen Kunden einerseits Instandhaltungsarbeiten an Seilbahnbauteilen aller Art an und befasst sich andererseits mit der Wiederaufbereitung von Altanlagen. Den größten Teil der Instandhaltungsarbeiten machen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an fixen und kuppelbaren Klemmen, an Gehängen und Sesselkörben aus. Augenscheinlich werden diese Arbeiten sehr professionell durchgeführt; beispielsweise werden für die Wartung von Kuppelklemmen selbst entwickelte Prüfmaschinen eingesetzt. Den größten Teil der Lagerfläche beansprucht die Altanlagen-Wiederaufbereitung. Die Firma kauft nicht mehr betriebstaugliche Sessellifte und Schlepplifte auf, führt die Abtragung der Anlagen durch, transportiert sie ins Werk und setzt dort die Bauteile instand. In der Regel ist dann schon ein Käufer – meist ein kleineres Seilbahnunternehmen – vorhanden. Man betont, dass man bei der Wiederaufstellung eng mit den Seilbahnherstellern und mit dem STRMTG zusammenarbeitet und sich genau an die französischen Vorschriften hält.

Nicht fehlen durfte im Tagungsprogramm natürlich die Besichtigung des französischen Kabinenherstellers Sigma in Veyrins. Sigma ist eine 100-%ige Tochterfirma von Poma und stellte bisher rund 20.000 Seilbahnkabinen für die Leitner-Poma-Gruppe her. Das Sigma-Werk in Veyrins befasst sich in erster Linie mit der Produktion der erfolgreichen Diamond-Kabine für Umlaufbahnen. Im Rahmen der Besichtigung, über die wir noch gesondert berichten werden, wurde der Weg von der Anlieferung der Rohprofile bis zur fertig montierten Seilbahnkabine demonstriert. Während des abschließenden Buffets wurden eindrucksvolle Videos von speziellen Poma-Anlagen gezeigt wie das Riesenrad „London Eye“, die Roosevelt Island Tram in New York, die APM-Fahrzeuge für den Flughafen Kairo und die kugelförmigen Kabinen für ein neues Riesenrad in Las Vegas.

Ausblick
Vor dem Abschluss der ITTAB 2012 wurde wie üblich die Frage des nächsten Veranstaltungslandes der ITTAB angeschnitten. Erfreulicherweise erklärten sich diesmal mit Argentinien, China, Italien und Norwegen gleich vier Länder bereit, die Ausrichtung der ITTAB im Jahr 2013 oder in einem der Folgejahre zu übernehmen. Man einigte sich auf die vorläufige Reihenfolge China 2013 – Norwegen 2014 – Argentinien 2015 – Italien 2016; alles natürlich unter dem Vorbehalt der Zustimmung der entscheidungsbefugten Stellen in den genannten Ländern.

Die offiziellen Schlussworte sprach der Vizepräsident der Region Bonneville, Francis Bianchi, der die Leistungen der Mitarbeiter des STRMTG für das Gelingen der Tagung würdigte und sich bei allen Teilnehmern für ihr Kommen bedankte. Der traditionsreichen Veranstaltung ITTAB wünschte er auch für die nächsten Jahre viel Erfolg.

Josef Nejez

Vlnr: David Zambon, stellvertretender Direktor der Abteilung Verkehr im französischen Ministerium für Ökologie, nachhaltige Entwicklung und Energie, Eric Fournier, Bürgermeister von Chamonix, und Tagungsleiter Daniel Pfeiffer, Direktor des STRMTG, bei der Eröffnung der 62. ITTAB; Foto: J. Nejez

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