Tourismus

Gegenwind gibt auch Aufwind

Die ganze Schweiz spricht vom Zerfall des Euro und des US-Dollar und vom überbewerteten Schweizer Franken. Alles spricht von einer sehr schwierigen Zeit für die Exportindustrie und dass Importprodukte günstiger werden sollen.

Auch der Tourismus ist zu einem wesentlichen Teil Export. Das Tourismusprodukt Schweiz ist aus vorerwähnten Gründen teurer geworden. Heute sind wir bei einer wechselkursbedingten Preiserhöhung von über 25 % im Vergleich zum Vorsommer. Und die Inland-Gäste können so günstigere Ferien im Euroraum machen. Die Wintersaison steht vor der Tür.

Der Städtetourismus hat im Sommer 2011 dank Internationalität und stark diversifizierter Märkte nur leicht eingebüßt. Der Bergtourismus verlor wegen der Stärke des Franken und der ungünstigen Witterung in verschiedenen Regionen zweistellige Prozentpunkte.

Der Tourismus ist die viertwichtigste Exportbranche der Schweiz und sichert direkt 4,2 % der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung der Schweiz. Mit den indirekten Arbeitsplätzen zusammen gilt der Tourismus als einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige der Schweiz. In den Bergtälern ist der Tourismus die Existenzgrundlage und die Querschnittsbranche erster Güte. Ohne Tourismus würde die Partnerschaft Tourismus und Landwirtschaft arg in Mitleidenschaft gezogen. Der exportorientierte Tourismus ist standortgebunden und kann nicht wie ein Industriebetrieb ins Ausland verlagert werden. Der Schweizer Tourismus steht wieder einmal vor einer enormen Herausforderung.

Es ist eine paradoxe Situation: Solide Staatsfinanzen, geringe Verschuldung und klare Ausgabenpolitik führten zur Stabilität des Standortes Schweiz und zur Stärke der hiesigen Währung. Keine Frage, da hat die Schweiz im Gegensatz zu etlichen Euroländern ihre Hausaufgaben schon längst gemacht. Die Ironie der Geschichte: Gerade die gute Wirtschaftslage und die Sicherheit sind zwei wesentliche Gründe für die Stärke des Franken. Der andere Grund ist die globale Wirtschaftslage, denn die Euro- und Dollar-Schwäche führt zu einer noch höheren, zu hohen Bewertung des Schweizer Franken.

Nun, was machen? Alle sind gefordert. Primär einmal die Tourismusregionen, die Tourismusbetriebe und deren Verantwortliche. Aber auch Schweiz Tourismus und die kantonalen Tourismus-Organisationen. Ganz besonders aber die Schweizerische Nationalbank. Sie reagierte gerade noch im richtigen Moment und klug und hat sicher noch weitere "strategische Pfeiler im Köcher". Der Bundesrat und das Bundesparlament – das Bundesparlament wird in der Herbstsession über das Hilfspaket und den dafür erforderlichen Budgetnachtrag beraten –, aber auch die kantonalen Regierungen und Parlamente der Tourismus-Kantone sind genau so gefordert. Immerhin lebt z. B. in Graubünden jeder zweite Erwachsene direkt und indirekt vom Tourismus. In den Kantonen Tessin, Bern, Wallis ist es ähnlich.

Die Märkte sind noch rascher als geplant breiter zu diversifizieren. Die Qualität muss nochmals gesteigert werden. Die Tourismus-Infrastruktur ist rascher zu erneuern und auszubauen. Alle Tourismusbetriebe und auch die öffentliche Hand müssen das Investitionstempo erhöhen. Es müssen neue Produkte entwickelt werden. Wir sollten uns ein Beispiel nehmen an den Kreuzfahrt-Angeboten – All-inklusiv-Angebote sind gefragter und geforderter denn je. Ohne Kosteneinsparungen wird es aber wohl kaum gehen. Der Industrialisierung des Bergtourismus sind allerdings Grenzen gesetzt. Ferientourismus ist geprägt vom Kontakt der Mitarbeitenden zu den Gästen. Also neue Ideen entwickeln und umsetzen. Dies aber zusammen mit den Mitarbeitern. Sturmerprobte Kapitäne wissen genau, wie in solchen Situationen die "Matrosen" um sich zu scharen, sie zu motivieren sind, um sich noch besser am Markt zu etablieren. Gerade die Mitarbeiter haben die besten Ideen. Sie kennen das Buchungsverhalten und die Wünsche der Gäste und wissen, wie man die Gäste überraschen, verblüffen kann. Solche Mitarbeitende sind freundlicher, motivierter, aufgestellter, sind mit Herzblut dabei. Man muss das Feuer spüren.

Ganz wichtig ist auch die Zusammenarbeit in der Region. Die drei Z sind überall existenziell: Ziele und Zusammenarbeit sichern die Zukunft.

Also nicht in Problemen, sondern in Lösungen denken, positives Denken und Handeln. In der Politik geht es primär darum, die Rahmenbedingungen für die Unternehmungen rasch und massiv zu verbessern. Jede Veränderung, jeder Wandel ist auch eine Chance. Wichtig und gut ist, dass das Tourismusbewusstsein in der Politik und bei den Behörden in den letzten Wochen und Monaten deutlich gestiegen ist. Der Standort Schweiz ist sicher gut, er muss aber noch besser werden. Durch eine kluge Strategie und Deregulierung wird er für alle attraktiver. Nutzen wir also die Gunst der Stunde: Keine neuen Gesetze und parallel dazu der konsequente Abbau der Regulierungsdichte. Geben wir auch den Tourismusbetrieben endlich mehr Luft, mehr Spielraum. Nur so können sie im schwierigen globalen Markt bestehen. Persönlich bin ich überzeugt, dass die gesamte Exportwirtschaft der Schweiz, also auch der Tourismus, gestärkt aus der jetzigen sehr angespannten Situation herauskommen wird. Gegenwind kann auch Aufwind und Nachhaltigkeit bedeuten!

Leo Jeker

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