Maskottchen werden im Tourismus sehr oft mit Kinder-Marketing gleichgesetzt. Schnell vom Grafiker entworfen, werden sie auf alle Marketing- und Werbe-Materialien aufgedruckt und schon ist das Kinder-Angebot fertig! Denkt man …
Viele dieser Maskottchen sind in der Ansprache deutlich zu jung (nämlich für ganz kleine Kinder gestaltet), viel zu statisch (zeigen keine Emotionen) und haben keine Persönlichkeit (keine Geschichte, keine Geheimnisse, keine sozialen Kontakte). Die meisten Maskottchen sind im Tourismus austauschbar geworden. Sie heißen Mausi, Weidi, Susi oder Steini und repräsentieren eine Kleinkinderwelt, die schon für 7-Jährige gänzlich uninteressant ist.
Maskottchen, die Geschichten erzählen
Kinder und Familien leben heute in einer multimedialen Welt. Charaktere in Film/Fernsehen/Gaming oder Zeitschriften erzeugen starke Emotionen, erzählen schon allein durch ihr Aussehen spannende Geschichten und regen die Phantasie an. Genau diesen Schritt müssen wir auch in der Maskottchen-Entwicklung gehen.
Gerade im Tourismus geht es um ein besonderes Erlebnis. Das Maskottchen sollte dieses Erlebnis repräsentieren und eine kind- und familiengerechte Geschichte erzählen. Es sollte leben – also eine eigene Biografie haben. Für Kinder und Familien sollte es zur Hauptfigur der Geschichte werden, die sich dann im jeweiligen touristischen Angebot entdecken lässt.
Grundsatzfragen
Folgendes sollten Sie bei der Entwicklung Ihres Maskottchens beachten:
1. Zielgruppe: Überlegen und entscheiden Sie, welche Zielgruppe genau Ihr Maskottchen ansprechen soll. Soll es Kinder zwischen 3 und 7 Jahren, Kinder von 7 bis 12 Jahren, Jugendliche oder die ganze Familien erreichen? Die Unterschiede in Design und Geschichte sind je nach Altersgruppe enorm!
Als nächstes informieren Sie sich, in welcher Welt Ihre Zielgruppe lebt. Beachten Sie, dass Sie es mit „digital natives“ zu tun haben, also mit Kindern, die ganz natürlich in einer digitalen und multimedialen Welt aufwachsen. Machen Sie sich mit dem „Konkurrenzangebot“ Ihres zukünftigen Maskottchens vertraut: Welche Filme, welche TV-Serien, welche Videospiele sieht Ihre Zielgruppe?
2. USP („unique selling proposition“): Wissen Sie genau, wofür Sie als Unternehmen stehen und was Sie von der Konkurrenz unterscheidet? Was ist Ihr Alleinstellungsmerkmal? Halten Sie fest, was genau Ihre Werte sind, welche besonderen Erlebnisse Sie kommunizieren wollen. Gibt es Sagen, Geschichten, Persönlichkeiten in Ihrer Tourismusregion, auf die Sie zurückgreifen könnten?
Gestaltung
Erst wenn Sie diese beiden Punkte eingehend diskutiert und für sich entschieden haben, geht es an die Gestaltung Ihres Maskottchens. Dazu empfiehlt sich Folgendes:
1. Schreiben Sie eine Geschichte oder lassen Sie eine Geschichte schreiben (es gibt hervorragende, professionelle Geschichten-Erzähler!). Denken Sie langfristig strategisch: Ein gutes Maskottchen ist wie ein Kind der Marke und sollte diese jahrelang begleiten können. Überlegen Sie: Wie erwecken Sie das Maskottchen zum Leben? Wo kommt es her, wo ist es zuhause? Geben Sie ihm nicht nur einen Namen, einen Lebenszweck, eine Vergangenheit, eine Zukunft, ein Geheimnis, einprägsame Charakterzüge. Warum lebt das Maskottchen gerade in Ihrer Region? Welche Geheimnisse hat es? Welche Aufgaben und Probleme hat es zu lösen?
2. Suchen Sie sich einen guten Grafiker/Designer und schauen Sie sich mehrere Zeichenstile an.
3. Passen Sie das Design/die Bildsprache an Ihre Zielgruppe an: Die Bildsprache für Kindermarketing ist – wie schon eingangs erwähnt – in den meisten Fällen viel zu jung. Große niedliche Augen ohne den Ausdruck unterschiedlicher Emotionen sprechen noch 5-Jährige, aber keine 9-Jährigen mehr an!
Lassen Sie bei der Entwicklung eine altersgerechte Bildsprache einfließen: Ihr Maskottchen sollte unterschiedlich aussehen, wenn Sie 4-Jährige oder 11-Jährige und deren Familien erreichen wollen. Bringen Sie Buben- und Mädchen-Elemente ein. Geben Sie Ihrem Maskottchen bestimmte Bewegungen/Gesten und überzeugende Charaktermerkmale mit. Generell empfiehlt es sich, für Maskottchen keine Menschenfiguren zu verwenden. Sie engen die Zielgruppe zu sehr ein. Nehmen Sie Tiere/Fabelwesen oder animierte Gegenstände.
4. Betten Sie das Maskottchen in ein soziales Umfeld ein – auch grafisch! Wo wohnt es, welche Freunde hat es? Welche „Feinde“ hat es?
5. Trauen Sie sich, ein Maskottchen mit Ecken und Kanten zu entwerfen! Fichtl (s. Bild) ist zum Beispiel der Marken-Botschafter der Bergbahnen Hochficht. Er ist ein „echter“ Mühlviertler, seine Geschichte geht auf die Gnome und Trolle der Region zurück. Mit seinen Freunden Reischa und Zwiesel erlebt er spannende Abenteuer. Besonders vor den Granitbeißern, gemeinen hinterhältigen Waldwesen, die gerne Schnee schmelzen und sich von Mühlviertler Granit ernähren, müssen sich die Freunde in Acht nehmen und immer wieder mit waghalsigen Skirennen retten.
Mag. Ursula Weixlbaumer-Norz