Tourismus

Ein Werkstoff, der vom Himmel fällt

Auf der Seegrube, hoch über Innsbruck, sorgten gelbe Ballons für Aufsehen. Sogar über die Landung Außerirdischer wurde gemunkelt. Mittlerweile wurden die Ballons abtransportiert und an ihrer Stelle entstand die größte Schnee-Disco im Alpenraum.

Der Mann mit der behördlich bestätigten Lizenz zum Iglu-Bauen ist der Tiroler Günther Brunner (32). Auf Grund nachgewiesener Kenntnisse und Erfahrungen wurde ihm von der Wirtschaftskammer der Befähigungsnachweis als Baumeister für das Gewerbe zur Errichtung von Schnee- und Eisbauten erteilt. Sein Baumaterial, rund 3.000 m3 Schnee, fällt tatsächlich vom Himmel. Mittels einer speziellen Ballontechnik errichtete er bis zu 8 m hohe Schnee-Iglus. Durch die Bauweise in Kuppelform ist ein Einsturz ausgeschlossen. Seit der Fertigstellung bieten die beiden Hauptiglus der „Cloud9“ bis zu 350 Gästen Platz zum Feiern und Tanzen.

Iglu-Bau ist eine hochkomplexe Angelegenheit

In drei Wochen harter Arbeit realisierte Günther Brunner mit zwei Helfern einen Treffpunkt für Genießer, Sonnenanbeter und Partytiger. In Summe sind an mehr als 20 Bautagen rund 700 Arbeitsstunden zusammen gekommen. „In der Liga, in der wir hier spielen, ist Iglu-Bau eine hochkomplexe Angelegenheit. In der Wintersaison 2010/11 haben wir die Cloud9 erstmals auf der Seegrube, oberhalb von Innsbruck, realisiert. Von der Bauplanung über den Einsatz modernster Spezialballons und Fräsgeräte bis hin zu statischen Gutachten wird nichts dem Zufall überlassen“, aber nicht alles lasse sich planen. „Das Wichtigste ist natürlich, dass das Wetter mitspielt – ohne Schnee keine Iglus. Ich stehe täglich in Kontakt mit Meteorologen. Wir hoffen auf Schnee. Das Hauptiglu ist durch einen breiten Gang mit dem Rest der Cloud9 verbunden – alles in Handarbeit."

Brunners skeptischer Blick zum Himmel verrät mehr als Worte. Sprichwörtlich auf Wolke sieben würde er schweben, wenn endlich Schnee fallen würde. Dabei stellt sich die Frage nach der Namensgebung für Cloud9. „Soviel ich weiß, drückt im Englischen ‚to be on Cloud Nine’ so viel aus wie bei uns ‚auf Wolke Sieben schweben’", ganz genau wisse er dies aber nicht. „Manche vermuten, ‚Cloud Nine’ habe etwas mit der Einteilung von Wolken durch das amerikanische Wetterinstitut in zehn Kategorien zu tun. Das wäre dann eine Wolke, die bis in sehr große Höhen reicht.“

Während der Bauphase blieb keine Zeit zum Philosophieren. Die entleerten Ballons wurden herausgezogen. Endlich konnte mit dem Innenausbau begonnen werden. Mit Hilfe von Eispickeln und Lawinenschaufeln wurde das Iglu von innen heraus „geshapt“, die Wände sauber angeglichen, damit eine einheitliche Fläche entstand. Auch als es um das Errichten von Tanzfläche und Bühne ging, gab es für den gelernten Tischler keine Probleme. Türen, eine Bar und sonstige Einbauten wurden von ihm in Maßarbeit gezimmert. Dazu kamen hunderte Meter Kabel für Licht- und Tontechnik. „Was hier entstand, ist ein echtes High-Tech-Iglu“, verrät Brunner nicht ohne Stolz und betont, dass es für ihn derzeit keinen schöneren Arbeitsplatz geben könnte. „Eingesperrt in ein Büro hätte ich echt Probleme“. Doch ganz ohne Büroarbeit geht es auch bei ihm nicht. „Für die bin ich als Selbstständiger ebenfalls zuständig. Diese verlege ich derzeit ausschließlich in die Nachtstunden.“

An Energie und Motivation mangelt es nicht. Dies bestätigt auch der Geschäftsführer der Nordkettenbahnen, Thomas Schroll: „Die Begeisterung und Leidenschaft von Günther Brunner haben mich von Anfang an fasziniert. Er ist einfach der wahre Baumeister des Iglu-Baus. Durch seinen Enthusiasmus gelingt es ihm, die Iglus zu Kunstwerken zu machen.“

Für die künstlerische Ausgestaltung des Iglus sind auch in diesem Winter wieder die Schneekünstler von KoeflersArt zuständig. „Sie werden das Innere des fertiggestellten Iglus mit außergewöhnlichen Schneekunstwerken verzieren. Leider schaffen sie Werke mit Ablaufdatum“, bedauert Brunner.

Bis ins Buch der Rekorde 2011 hat es der Iglu-Baumeister mit dem größten Iglu der Welt in das Guinness Buch der Rekorde geschafft. Dieses war in Kooperation mit den Kühtaier Bergbahnen als Projekt „Iglu-wohnen im Kühtai“ entstanden. Damals rasten als Spektakel und Test für die Tragfähigkeit Motocrossfahrer mit Quarts über das Iglu.

Brunners Begeisterung für den Iglu-Bau wurde vor rund 13 Jahren in der Schweiz geweckt. „In Adrian Günter, dem Iglu-Pionier, habe ich meinen Lehrmeister gefunden. Seither verfeinere ich Jahr für Jahr die Technik und lerne natürlich auch aus eigenen Fehlern.“ An Rekorden mangelt es nicht. Das erste Iglu-Dorf in Österreich entstand am Rettenbachferner. Beim Iglu-Bar- und Iglu-Hotel-Projekt der Mayrhofner Bergbahnen fungierte Brunner ebenfalls als Bauleiter. Dort wurden Spitzenwerte von über 2.000 Übernachtungen und über 6.000 Partygäste bei rund 20 Iglu-Partys gezählt. Die White Lounge wurde für den Tiroler Tourismuspreis „Touristica“ nominiert und in der Saison 2009/10 mit dem Innovationspreis für Ideen und Umsetzung ausgezeichnet.

B. Triendl-Schwetz

 

Orangefarbene Ungetüme sorgten auf der Seegrube in Tirol, oberhalb von Innsbruck, für Aufsehen. Was hier noch fehlte, waren rund 3000 m3 Schnee und rund 700 Arbeitsstunden. Foto: B. Triendl-Schwetz

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