Wagen für 100 Personen der Standseilbahn Petřín bei der Mittelstation Nebozízek
Foto: Roman Gric

Die Prager Standseilbahn auf Petřín

Es gibt kaum einen Besucher der tschechischen Hauptstadt, der die Standseilbahn auf die Petřín-Anhöhe nicht kennt. Ursprünglich als Wasserballast-Bahn im Jahr 1891 eröffnet, wurde sie im Jahr 1932 neu gebaut und im Jahr 1985 von Grund auf saniert. Außergewöhnlich ist bei dieser Bahn die Fangbremse, die auf ein separates Bremsseil anstatt wie üblich auf eine der beiden Fahrschienen wirkt.

Bei einem Besuch in Paris im Jahr 1889 wurden die Mitglieder des Klubs der tschechischen Touristen aus Prag durch den Eifelturm zur Idee inspiriert, auch in Prag eine kleinere Kopie des Turmes zu bauen. Zu diesem Zweck wurde die Genossenschaft Aussichtsturm Petřín GmbH gegründet. Ein 62 m hohes Bauwerk in genieteter Fachwerkkonstruktion wurde zum Anlass der im Jahr 1891 veranstalteten Großen allgemeinen Landesjubiläumsausstellung auf dem Laurenziberg, dem tschechisch als Petřín bezeichneten Hügel, auch gebaut.

Um den Besuchern dieser Attraktion eine leichte Zugänglichkeit zu ermöglichen, wurde von der Genossenschaft Aussichtsturm Petřín GmbH eine Standseilbahn zwischen dem Stadtbezirk Malá Strana und dem Hügel Petřín entworfen und rechtzeitig zur Jubiläumsausstellung am 25. Juli 1891 auch eröffnet.

Erste Standseilbahn mit Wasserballast-Antrieb

Die Standseilbahn Petřín wurde wie auch die technisch ähnliche andere Prager Standseilbahn Letná im gleichen Jahr 1891 als Wasserballast-Bahn gebaut. Wie die meisten Standseilbahnen der ersten Generation vor der Erfindung der Abt´schen Ausweiche besaßen auch beide Prager Standseilbahnen auf der Trasse drei Schienen, wobei die mittlere Schiene von beiden Wagen befahren wurde. In der Mitte der 396,5 m langen Strecke gab es eine einfache symmetrische Ausweichstelle mit vier Schienen. Die Standseilbahn Petřín besaß eine Spurweite von 1.000 mm. Zur Regulierung der Fahrgeschwindigkeit von max. 2,0 m/s hatte sie in der Gleismitte eine Zahnstange mit zwei Lamellen nach dem System Abt. Das war eigentlich eine Besonderheit, weil die meisten Bahnen dieser Art damals mit der Riggenbach´schen Bremszahnstange gebaut wurden.

Die zwei von der Eisenbahn- und Waggonbaufirma Ringhoffer in Prag-Smíchov gelieferten zweiachsigen Wagen mit einem Fassungsraum von 46 bis 50 Fahrgästen besaßen einen an den Seiten verglasten Wagenkasten aus Holz mit vier gestuft angeordneten Fahrgastabteilen und mit jeweils einer schmalen offenen Plattform an beiden Enden für den Wagenführer, der auch die Aufgabe eines Bremsers erfüllte. Während der Fahrt wurde das Wasser zum Ausgleich des ständig zunehmenden, überhängenden Seilgewichts kontinuierlich abgelassen. Der Bahnbetrieb wurde durch den immer wiederkehrenden Wassermangel in der Bergstation oftmals eingeschränkt. Die Bahn wurde in dieser Form bis zu ihrer Einstellung im Jahr 1914 betrieben, danach gab es noch einzelne erfolglose Versuche einer Wiederaufnahme des Betriebes.

Zweite Standseilbahn auf Petřín

Das All-Sokol-Treffen ist ein Höhepunkt der Sportunterrichts-Aktivitäten der Organisation Sokol (Falke) in Form von öffentlichen Übungen für das Publikum. Im neuen Strahov-Stadion in der Nähe von Petřín sollte im Jahr 1932 der IX. Jahrgang dieses Treffens veranstaltet werden.

In diesem Zusammenhang wurde auch die Idee zum Neubau der Standseilbahn Petřín wiederbelebt. Diese Aufgabe wurde von den Elektrischen Betrieben der Hauptstadt Prag (Straßenbahnen und Elektrizitätswerke) übernommen. Die Ausschreibung gewann die Firma Českomoravská Kolben-Daněk (ČKD) mit ihrem Projektpartner, der deutschen Firma Pohlig.

Die Bahntrasse wurde nahezu beibehalten, jedoch an beiden Enden auf eine Gesamtlänge von 510 m verlängert. Deshalb wurde sogar die aus dem 14. Jahrhundert stammende Hungermauer durchbrochen, in einem tiefen Einschnitt unterfahren, und die neue Bergstation wurde erst hinter der Mauer gebaut. Die neue Talstation wurde in ein Barockhaus integriert. Die Bahn mit einer Spur von 1.435 mm (Normalspur) hatte nun zwei Schienen und in der Streckenmitte eine Abt´sche Ausweiche. Oberhalb der Ausweiche wurde eine Haltestelle für das Gartenrestaurant Nebozízek errichtet.

Weltweit zum ersten Mal wurde hier bei einer Standseilbahn das Bremsseilsystem Pohlig eingesetzt. Das Bremsseil – für jeden Wagen ein separates Seil – bewegt sich im normalen Betrieb nicht, liegt auf der gesamten Strecke in der Nähe der Bahnmitte auf kleinen Führungsrollen und läuft im Bodenrahmen des Wagens über kleine Seilrollen durch eine im Regelfall offene Klemmvorrichtung. In der Bergstation sind beide Bremsseile auf mit leistungsfähigen Bremsen ausgerüsteten Trommeln aufgewickelt, in der Talstation sind die Bremsseile gewichtgespannt. Erst wenn das Zugseil reißt oder sich vom Wagen löst sowie bei Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 20 % wird die Bremsseilklemme des Wagens aktiviert und die Bremskraft über das Bremsseil in die Bremstrommeln in der Bergstation geleitet. Diese aufwendige Lösung sollte im Bremsfall zu einer im Vergleich mit den gewöhnlich auf eine der Fahrschienen wirkenden Fangbremsen zu einer sanfterer Bremsung führen*).

Auch die Wagen der neuen Bahn, diesmal mit einem Fassungsraum von 100 Personen, wurden von der Firma Ringhoffer gebaut. Mit 4,0 m/s konnte die Bahn bis zu 1.300 P/h auf Petřín bringen. Oberhalb des Gleises wurden fünf Fahrleitungen installiert, die über Stromabnehmer auf dem Wagendach zur Signalübertragung, Beleuchtung und Heizung dienten.

Der Bau ging mit hohem Tempo voran, im November 1931 wurde mit dem Abbruch der alten Bahn begonnen und schon am 5. Juni 1932 wurde die neue Bahn feierlich eröffnet. Sie ist bald zu einer vielbesuchten Prager Attraktion geworden und war auch während des 2. Weltkrieges außer einigen mehrmonatlichen Unterbrechungen nahezu durchgehend in Betrieb. Im Jahr 1962 wurde der 15-millionste Fahrgast verzeichnet.

Wasser macht wieder Probleme

Wasser verursachte auch bei dieser zweiten Standseilbahn Probleme. Diesmal nicht wegen Wassermangel, sondern im Gegenteil durch überschüssiges Wasser. Schon im Juni 1961 wurden Beschädigungen an den Stützmauern und am Bahnkörper festgestellt, die durch das durchsickernde Grundwasser verursacht wurden. Es wurde eine temporäre Instandhaltung der Stützmauer durchgeführt und der Zustand des Bahnkörpers durchgehend beobachtet. Für eine dauerhafte Stabilisierung des Bahnkörpers gab es damals bei den Baufirmen keine freien Kapazitäten.

Am 7. Juni 1965 kam es nach einer langen Regenperiode schließlich zu einer massiven Hangrutschung und Beschädigung des Bahnkörpers, die einen weiteren Bahnbetrieb unmöglich machte. Obwohl besonders nach einer zweiten massiven Hangrutschung im Jahr 1967 die Erneuerung der Bahn unrealistisch geworden war, konservierten die – inzwischen schon ehemaligen – Mitarbeiter der Bahn in freiwilliger Arbeit den Antrieb und die Bodenrahmen mit Laufrädern und Fangbremsen beider Wagen in der Hoffnung auf einen späteren Umbau.

Die zweite Auferstehung der Seilbahn

Volle 16 Jahre musste man auf die endgültige Entscheidung der Stadtverwaltung über einen Umbau der Standseilbahn und vor allem auf die Sanierung des ganzen Hanges warten. Durch den Einbau einer neuen Entwässerung gelang es, den Hang soweit zu stabilisieren, dass an eine Wiedererrichtung der Standseilbahn gedacht werden konnte. Die Bauarbeiten fingen im Jänner 1983 mit dem Bau einer auf Mikropfählen tief fundierten Brückenkonstruktion im Hangrutschbereich in Trassenmitte und mit der Erneuerung der Mittelstation Nebozízek an. Auf der ganzen Trasse wurde der neue Bahnkörper mit neuen Schienen und Seilrollen verlegt, der Antrieb und das System des Bremsseils wurden weiterverwendet. Gleichzeitig wurden auch die mittlerweile in Mitleidenschaft gezogenen Stationsgebäude der Bahn renoviert. Rund um den erhaltenen Maschinenraum wurde die Bergstation neu gebaut. Auf die erhaltenen und konservierten Laufwerke mit den Pohlig´schen Bremsseil-Fangbremsen wurden neue moderne Wagenkasten von der Waggonfabrik Tatra Studénka aufgebaut. Die Stromzuführung für Beleuchtung und Heizung erfolgt während des Stillstandes der Wagen in den Stationen über ortsfeste Kontakte und Stromschienen auf dem Wagendach. Die wesentlichen Parameter der Bahn aus dem Jahr 1932 wurden bei der Erneuerung erhalten. Am 15. Juni 1985 wurde der Bahnbetrieb nach 20 Jahren wiedereröffnet.

Während eines Stillstandes der Bahn im Jahr 1996 wurden die elektrische Ausrüstung und die Steuerung der Bahn modernisiert. Der Antrieb wurde mit einem Frequenzumrichter ausgerüstet, die Ward-Leonard-Gruppe blieb als Ersatzstromquelle erhalten. Es wurde eine telemetrische Verbindung zwischen den Wagen und dem Maschinenraum hergestellt. Trotzdem fährt die Bahn nach wie vor mit Wagenbegleitern, die nach Bedarf in das Fahrprogramm eingreifen können.

Auch nach der Jahrtausendwende mussten immer wieder Sanierungsarbeiten an den Stützmauern und am Bahnkörper durchgeführt werden. Zwischen Herbst 2015 und Frühling 2016 stand die Bahn wieder still, weil die Brücke bei der Mittelstation neu gebaut werden musste. Ende 2018 bekam die Bahn eine neue Steuerung.

Die Bahn ist als Bestandteil des Prager öffentlichen Verkehrsnetzes in Betrieb. Für Einzelfahrten gibt es spezielle Fahrkarten um 60,– Tschechische Kronen (etwa 2,5 Euro), Tages- und Zeitkarten der Prager Verkehrsbetriebe sind auch für die Seilbahn gültig.

Die Hauptstadt Prag plant einen Neubau der Bahn. Der Designwettbewerb für die neuen Wagen wurde bereits abgeschlossen. Die Wagen werden auch am Dach verglast und ermöglichen einen Ausblick auf das Prager Panorama mit dem St.-Veits-Dom und dem Hradschin in der Nähe. Neben einer grundsätzlichen Erneuerung des Bahnkörpers wird auch die gesamte seilbahntechnische Ausrüstung erneuert. Die neue Bahn wird schon mit einer üblichen, auf eine der Fahrschienen wirkenden Fangbremse ausgerüstet.

Roman Gric / JN

*) uns ist keine zweite Standseilbahn für den öffentlichen Betrieb mehr bekannt, die diese Konstruktion mit einem Bremsseil aufweist. In den USA gab es Standseilbahnen mit zwei Zugseilen und einem über eine Umlenkscheibe in der Bergstation geführten Bremsseil.

Foto: Archiv Roman Gric
Die erste Standseilbahn Petřín aus dem Jahr 1891. Vorne rechts ist am Wagen der Trichter für die Wasserfüllung erkennbar.
Foto: Archiv Roman Gric
Foto: Roman Gric
Die Talstation wurde in ein Barockhaus eingebaut.
Foto: Roman Gric
Foto: Roman Gric
Die Bahn wird nach wie vor mit dem Maschinensatz aus dem Jahr 1932 betrieben, im Bild die Antriebsscheibe mit zwei Zugseil-Umschlingungen.
Foto: Roman Gric
Foto: Roman Gric
Einbau eine Messspule für die magnetinduktive Untersuchung des Bremsseiles im Fahrgestell des Wagens.
Foto: Roman Gric
Foto: Roman Gric
Abt´sche Ausweiche, Blick in Richtung Tal. Grüne Pfeile: die beiden Seilstränge des Zugseiles; rote Pfeile: die zwei separaten Bremsseile.
Foto: Roman Gric
Foto: Radim Polcer
Im Jahr 2018 bekam die Bahn eine neue Steuerung.
Foto: Radim Polcer

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