Nach insgesamt sieben Funifor-Anlagen in Italien wurde heuer die erste Seilbahn dieser Art außerhalb von Italien im österreichischen Bezau gebaut.
Neue Lösung nach 90 Jahren klassischer Pendelbahntechnik
traditionsreichen Südtiroler Seilbahnherstellers Hölzl aus Lana, konstruierte in der zweiten Hälfte der 90er Jahre eine ganz andere Pendelbahn. Sie ist wohl die interessanteste Innovation der Pendelbahntechnik seit den ersten modernen Pendelbahnen anfangs des 20. Jahrhunderts. Ähnlich wie die Funitel-Umlaufbahnen ist auch beim Funifor-System die Seilspur breiter als die Kabine.
Auf einer solchen Spur kann die Kabine nicht seitlich auspendeln, was neben der sehr hohen Windstabilität zu einem kurzen Gehänge und somit auch zu niedrigeren und entsprechend kostengünstigeren Stationsbauten führt. Die endlose Zugseilschleife bildet auf der Trasse vier Seilstränge und ist mit dem Kabinengehänge durch vier horizontale Ausgleichscheiben verbunden. Bis auf die letzte Anlage in Bezau wurden bisher alle Funifors in Form zweier unabhängiger Parallelbahnen gebaut. Dies macht es möglich, eine Anlage für die andere als Rettungsbahn zu verwenden und somit auf eine zusätzliche Rettungsbahn zu verzichten.
Vor allem kann dadurch der Betrieb dem vorhandenen Fahrgastsaufkommen angepasst werden, wie z. B. Vollbetrieb mit beiden Kabinen, in den schwachen Betriebszeiten Betrieb mit nur einer Kabine oder bei Anlagen mit einer Mittelstation einen Betrieb beider Kabinen z. B. nur zwischen der Mittelund der Bergstation. Eine Detailbeschreibung des Systems und ein Schema der Seilführung haben wir in der ISR 5/2000, S. 68- 69, und 6/1997, S. 16, veröffentlicht.
Italien – sieben Anlagen in zehn Jahren
Die allererste Funifor wurde als Ersatz der veralteten Pendelbahn Trincerone – Livrio am Stilfser Joch gebaut. Diese knapp 800 m lange stützenlose Anlage erfüllte alle Erwartungen des Herstellers und Betreibers und ebnete somit den Weg zum Bau weiterer Funifors. Nach der Umwandlung der Firma Hölzl zu Doppelmayr Italia im Jahr 2001 ging auch das Funifor-Patent an Doppelmayr über; die Funifor wird auch weiterhin bei Doppelmayr Italia projektiert und die meisten Komponenten dieser Bahnen werden in Lana auch produziert.
Zu Beginn der Saison 2004/2005 wurde am Ende des Valsesia-Tales in Alagna die weltweit zweite Funifor Pianalunga – Passo dei Salati eröffnet. Sie ist mit einer Länge von etwa 3,2 km, einem Höhenunterschied von 930 m und einer Mittelstation auf der Stütze Nr. 3 die bisher größte Funifor. Diese als Fortsetzung der 8er-Kabinenbahn Alagna – Pianalunga gebaute Anlage kann flexibel mehrere Aufgaben erfüllen. In den Morgenstunden dient sie als Zubringer ins Gebiet, wobei beide Wagen die ganze Trasse mit einer Förderleistung von 800 P/h befahren.
Während des Tages pendeln dann beide Wagen vor allem zwischen der Mittel- und Bergstation mit einer Förderleistung von 1.200 P/h, weil die steile und nicht präparierte Tal - abfahrt nur geübten Skifahrern vorbehalten ist. Im Sommerbetrieb wird die Trasse in der Regel nur mit einer Kabine bedient. Von der Bergstation Passo dei Salati wollte man ursprünglich eine weitere Funifor bis auf die Cresta Rossa (3.700m ü. M.) bauen.
Die Baubewilligung für diese Bahn, die teilweise auch auf dem Gebiet der Region Piemont liegen sollte, wurde wider alle Erwartungen nicht erteilt und deswegen hat das Seilbahnunternehmen, die Monterosa S.p.A. von Aosta, die Trasse der neuen Bahn Passo dei Salati – Punta Indren letztendlich zur Gänze auf das Gebiet der Region Aosta verlegt. Die Bauarbeiten der Funifor erwiesen sich im Hochgebirge des Monte-Rosa-Gebietes äußerst schwierig. Beim Stützenstandort der einzigen Stütze nahe der Bergstation stellte sich eine 9m dicke Permafrostschicht heraus, was die Verstärkung der Fundamente mit Mikropfählen und eine Erhöhung der Stütze um etwa 10 m erforderte.
Sehr innovativ ist die Gestaltung der beiden Talstationen dieser Paralellbahn mit Antrieb und Zugseilspanneinrichtung, die optisch den kompakten Stationen der kuppelbaren 4er- Sesselbahnen von Doppelmayr Italia entsprechen. Die neue Bergstation in 3.275m Meereshöhe ist der höchste mit einer Bahn erschlossene Punkt im Gebiet. Von Punta Indren öffnet sich im Winter ein wahres „Freeride Paradise“ abseits der präparierten Pisten, und im Sommer ist hier der Ausgangspunkt unzähliger Touren auf die umliegenden Viereinhalbtausender.
Die Bahn wurde zur Saison 2009/2010 eröffnet. Die dritte Funifor wurde in Arabba im Jahr 2005 als Ersatz einer veralteten Pendelbahn zur Porta Vescovo gebaut, wobei beide Stationsbauten weiterverwendet werden konnten. Im Detail haben wir diese Bahn in der ISR 6/2006, S. 10-11, beschrieben. Die vierte Funifor wurde in der Provinz Friaul- Julisch Venetien im Valcalda-Tal von Ravascletto auf den Monte Zoncolan gebaut.
Auch diese Anlage ersetzte eine veraltete Pendelbahn mit 40er-Kabinen und verfügt über eine Mittelstation mit geschlossenem Warteraum an der einzigen Trassenstütze. Die Bahn dient als einziger Zubringer ins Gebiet mit neun Liften; neben dem Winterbetrieb hat die Anlage auch den Sommertourismus deutlich belebt. Zum ersten Mal bei einer Funifor hat die Bahn neben den fixen Tragseilen auch fix abgespannte Zugseile, allerdings mit einer automatischen hydraulischen Nachstelleinrichtung für die Temperaturdehnung und für die permanente Seillängung.
Die zwei unabhängigen Antriebe befinden sich im Tal. Die Baukubaturen der neuen Stationen im Tal wie am Berg mussten mit denen der alten Stationen auskommen. Nach guten Erfahrungen mit der Funifor Monte Zoncolan hat sich der Betreiber Promotur S.p.A. entschieden, auch in einem anderen seiner Gebiete eine Funifor zu bauen. Die Funifor Prevala schließt die letzte Lücke einer grenzüberschreitenden Seilbahnkette zwischen dem italienischen Sella Nevea und dem slowenischen Bovec über einen Sattel des Kanin-Gebirges in den Julischen Alpen mit dem 2.587 m hohem Großen Kanin als höchste Erhebung.
Auch hier war für die Entscheidung für das System Funifor die Windstabilität, betriebliche Flexibilität, Möglichkeit der Überwindung der lawinengefährdeten Steilhänge mit einem einzigen Spannfeld und Bergung mit der Paralellbahn ausschlaggebend. In Italien befindet sich mittlerweile eine weitere Funifor Pejo im Bau, die von Tarlenta hinauf zur Rifugio Mantova im Herzen der Ortler-Cevedale-Gruppe führt. Diese Seilbahn erschließt die teils verlängerten und verbreiterten Pisten bis zur magischen Grenze von 3.000m Meereshöhe und ist Bestandteil eines umfangreichen Projekts zum Aufbau des Skigebietes in Val di Sole. Die Anlage wird zu Beginn der Wintersaison 2010/2011 eröffnet.
Erste Funifor in Österreich
Die erste Funifor in Österreich wurde im Herbst 2010 von Sonderdach eröffnet. Zugleich ist sie die erste Funifor mit nur einer Fahrbahn. Sie erstetzt zwei kleine Pendelbahnen aus den Jahren 1955 und 1960. An der Stelle der ehemaligen Zwischenstation wurde bei dieser Funifor eine Mittelstation auf der Stütze Nr. 1 errichtet.
Im Gegensatz zu den alten Bahnen fährt die neue 60er-Kabine stets mit einem Wagenbegleiter, was u. a. auch Nachtfahrten ermöglicht. An der Bergstation dieser Ausflugsbahn wird ein neues Panoramarestaurant eröffnet. Die Tragseile sind fix gespannt, der Antrieb und die Zugseilspanneinrichtung befinden sich im Tal. Aufgrund der bisherigen guten Erfahrungen mit dem Betrieb der Funifors im schwierigen Hochgebirge kann man wohl erwarten, dass diese extrem windstabilen Bahnen immer öfter als Variante zur klassischen Pendelbahn zum Einsatz kommen werden.
Roman Gric