Der Einsessellift „Oldřichovice – Javorový vrch“ ist ganzjährig in Betrieb.
Foto: Radim Polcer
Seilbahnen Bahnen

AUSSERGEWÖHNLICHE SEILBAHNEN

Der letzte Zeuge der Vergangenheit seiner Art

Der Einsessellift „Oldřichovice – Javorový vrch“ in Tschechien ist heute das letzte in Betrieb stehende Exemplar der ersten Generation dieser Seilbahngattung in der ehemaligen Tschechoslowakei.

von: Roman Gric

Die Firma Wiesner aus Chrudim hat schon im Jahr 1940 als überhaupt erste Sesselbahn Europas den Einsessellift Ráztoka – Pustevny gebaut. Nach dem Krieg hat die inzwischen unter dem Namen Transporta Chrudim verstaatlichte Firma für den Bau von Sesselbahnen eine Lizenz der Schweizer Firma Von Roll erworben und nach diesem System in der damaligen Tschechoslowakei insgesamt neun Teilstrecken von kuppelbaren Doppelsesselbahnen mit den VR-101-Klemmen gebaut. Eine dieser Bahnen, die Sesselbahn Krupka – Komáří Vížka (bzw. Komáří Hůrka) in Krušné hory (Erzgebirge) ist als weltweit letzte Sesselbahn mit den VR-101-Klemmen immer noch in Betrieb (siehe ISR 6/2022, S. 28–30).

Rückkehr zu fixen Sesselbahnen

Da die Lizenz der Schweizer Firma Von Roll nicht lizenzvertragsgemäß genutzt wurde (auf Druck der kommunistischen Regierung, welche die Zusammenarbeit mit dem „bösen“ Westen unbedingt verhindern wollte), kündigte Von Roll den Lizenzvertag. So war die Firma Transporta gezwungen, Sesselbahnen eigener Konstruktion zu entwickeln. Als wesentlich einfachere und billigere Lösung wurde das System der fixen Sesselbahn gewählt. Der erste Einsessellift dieser Art wurde in den Jahren 1954/1955 hergestellt und war ursprünglich für Sarajevo im damaligen Jugoslawien vorgesehen.

Der jugoslawische Kunde hat diese Seilbahn schließlich nicht übernommen, und so wurde nach einem geeigneten Standort für die Sesselbahn auf tschechoslowakischem Gebiet gesucht. In Sarajevo wurde nach vier Jahren doch eine Seilbahn von Transporta gebaut, eine kuppelbare Zweiseilumlaufbahn mit 4er-Kabinen, die im Krieg in Jugoslawien anfangs der 1990er-Jahre beschädigt und 2018 durch eine 10er-Kabinenbahn von Leitner ersetzt wurde.

Zurück zu unserem Sessellift: Schließlich wurde beschlossen, diese Bahn auf den Berg Javorový aus der Gemeinde Oldřichovicein der Nähe der Stadt Třinec aufzustellen. Der Grund war die Nähe der Eisenhütten Třinecké železárny, da der Sessellift dem Erholungsbedürfnis der Arbeiter in den schwierigen Betrieben der Eisenhütten dienen sollte.

Vom Anfang an ein unerwünschtes Kind

Die 1.310 m lange Bahn wurde am 7. Juli 1957 eröffnet. In der Talstation befinden sich der Brückenantrieb und die Gewichtsspannvorrichtung des Förderseiles. Als Notstromaggregat ist in der Talstation ein Dieselaggregat aus einem U-Boot mit einer Leistung von 100 kW platziert. Die Seilbahntechnik der Bergstation besteht lediglich aus einer starren Umlenkscheibe. Die ursprünglichen Sessel hatten hölzerne Sitzbänke und ein kleines, mit Segeltuch bedecktes Dach. Zur Stoßdämpfung beim Überfahren der Rollenbatterien und der senkrechten Umlenkscheiben bei der Talstationsaus- und -einfahrt, wie auch auf den Stützen Nr. 6 und 10, wurde ins Sesselgehänge eine Schraubenfeder eingebaut. Die Umlenkscheiben hatten die Funktion der heutigen Rollenbatterien auf Niederhaltestützen.

Der Sessellift wurde mit Stützen in Fachwerkkonstruktion ausgestattet. Transporta nutzte diese Lösung bei fünf ihrer ersten Einsessellifte, bis die viel schöneren Rohrstützen ab ihrem sechsten fixen Sessellift, der Seilbahn Krásetín – Kleť, in Südböhmen im Jahr 1961 zum Einsatz kamen.

Wie bei den meisten Seilbahnen aus den 1940er- und 1950er-Jahren, wurden die Tschechoslowakischen Staatsbahnen (ČSD) als Bahnbetreiber bestimmt. Die ČSD waren mit dieser Entscheidung nicht besonders glücklich und versuchten bereits Ende 1957 den Sessellift zu verkaufen. Da es jedoch keine Interessenten gab, blieb der Sessellift bis 1996 im Besitz und in der Verwaltung der ČSD. Abgesehen von der notwendigen Erneuerung der Elektrotechnik im Jahr 1985 wurde zu Zeiten der ČSD keine Modernisierung an dem Sessellift vorgenommen.

Privatisierung und Modernisierung

Zum 1. Juni 1996 wurde diese Seilbahn als eine der letzten im Land privatisiert. Der neue Besitzer, die Firma Bytoslan s.r.o., führte im Jahr 1997 die nötige Modernisierung durch. Neue Rollenbatterien ersetzten die ursprünglichen frei aufgehängten Batterien, auch Sessel wurden ausgetauscht. Sie wurden von der eingestellten slowakischen Sesselbahn Turecká – Krížna bezogen. Da die slowakische Bahn viel länger war, verfügt der Betreiber über genügend Sessel als Ersatzteile.

Auch nach dieser notwendigen Modernisierung haben sich System und Charakter des Einsesselliftes kaum verändert.

Der Einsessellift ist ganzjährig in Betrieb. Im Sommer erschließt er beliebte Wanderwege, im Winter präparierte Langlaufloipen und ein kleines Skigebiet mit zwei Schleppliften. Das Kreisamt des Mährisch-Schlesischen Kreises beteiligt sich an der Instandhaltung des Sesselliftes sowie an der Präparierung von Pisten und Langlaufloipen, um den Betrieb der Seilbahn und des beliebten Naherholungsgebiets aufrechtzuerhalten. Ein Umbau der Bahn ist derzeit nicht geplant.

Foto: Archiv Radim Polcer
Auf diesem Archivbild sind die frei aufgehängten Rollenbatterien und das Segeltuch-Dach zu erkennen.
Foto: Archiv Radim Polcer
Foto: Archiv Radim Polcer
Talstation in den ersten Betriebsjahren: Das Stationsgebäude wurde erst später um die bis dahin im Freien stehende Seilbahntechnik gebaut.
Foto: Archiv Radim Polcer

Einsessellift „Oldřichovice – Javorový vrch“

Technische Daten

Seehöhe Talstation424 m ü. M.
Seehöhe Bergstation886 m ü. M.
Schräge Länge1.310 m
Höhenunterschied462 m
Stützenanzahl27 + 1 Kuppengerüst
Sesselanzahl120
Förderseildurchmesser28 mm
AntriebTal
Spanneinrichtung (Gewicht)Tal
Antriebsleistung62,5 kW
Max. Fahrgeschwindigkeit2,0 m/s
Sesselabstand22 m
Fahrzeit12,0 min
Max. Förderleistung324 P/h
Hersteller und BaujahrTransporta Chrudim, 1957

 


Foto: Erwin Petz

Das Skischulzentrum ermöglicht eine professionelle Betreuung der Kinder in unmittelbarer Pistennähe. Ein neues Förderband ermöglicht den Aufstieg für…

Weiterlesen
Foto: Leitner

Mit der 10er-Kabinenbahn am Rosskopf in Sterzing feiert die Technologie LeitPilot von Leitner als Vorstufe für automatisierte Seilbahnen ihre Premiere…

Weiterlesen
Foto: Seilbahn Museum Schweiz

Ein historischer Steinseilbahnwagen aus Toggenburg ist der interessante Neuzugang im "Seilbahn Museum Schweiz".

Weiterlesen
Foto: C. Mantona

Die "Standseilbahn Rosshütte" in Seefeld in Tirol ist im Sommer der Hauptzubringer vom Tal in das beliebte Ski- und Wandergebiet Rosshütte und somit…

Weiterlesen
Foto: Garaventa AG

Das Großprojekt „Schilthornbahn 20XX“ in der Schweiz umfasst den vollständigen Neubau der Seilbahnverbindung von Stechelberg bis zum Schilthorn. 

Weiterlesen
Foto: Bergbahnen Fieberbrunn

Rund 200 geladene Gäste feierten die Einweihung der Anlage, die als nächster Meilenstein in der Entwicklung der Bergbahnen Fieberbrunn in Tirol gilt.

Weiterlesen
Foto: WKV/Frederick Sams

Studien zeigen, dass es in Vorarlberg auch in den nächsten 30 Jahren noch ausreichend Schnee zum Skifahren geben wird, aber der Saisonstart im…

Weiterlesen
Foto: www.michaelbauerphotography.de

Pünktlich zum Start der Wintersaison nehmen zwei neue Seilbahnen von Leitner am Ochsenkopf im Fichtelgebirge in Bayern (D) und am Hauser Kaibling in…

Weiterlesen
Foto: Harald Steiner

Mit einem Festakt wurden am 4. Dezember 2024 die neue 10er-Kabinenbahn „Rohrmoos I“ sowie das moderne „Wintersportzentrum WEST“ offiziell eröffnet. 

Weiterlesen
Foto: R. Gric

In Chamonix (F) hat die Doppelmayr-Gruppe eine neue Kabinenbahn mit vielen Extras von der Bergstation der Montenvers-Zahnradbahn hinunter zum…

Weiterlesen
Foto: Chris Gollhofer

Unter dem Motto „Seilbahnen im Wandel“ diskutierte am 2. Dezember in der Wirtschaftskammer Tirol in Innsbruck die Branche über aktuelle…

Weiterlesen
Foto: Lech Bergbahnen AG

Die Lech Bergbahnen AG investiert in neue Schneeerzeuger und in moderne Technik für die Pistenfahrzeuge sowie Lawinenwächter. Das Corporate Design…

Weiterlesen
Foto: Jungfraubahnen 2019

Den Zuschlag für die Erneuerung der "Firstbahn" inklusive einer zusätzlichen Sesselbahn erhält die Doppelmayr-Gruppe/Garaventa. An die Firma Leitner…

Weiterlesen
Foto: Somedia Buchverlag

Der Graubündner gilt als einer der Pioniere der technischen Beschneiung in Europa, ist Vollbluttouristiker und hat einen Ruf als „Grünenschreck“. Nun…

Weiterlesen
Foto: Gasteiner Bergbahnen AG

Benjamin Rogl, bisher Prokurist und Leiter für Verwaltung und Finanzen, rückt an die Seite von Andreas Innerhofer und wird ab 1. Jänner 2025 den…

Weiterlesen