Ein Beitrag von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. DDr.Ulrike Pröbstl und Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Dr. Alexandra Jiricka, Institutfür Landschaftsplanung, Erholung und Naturschutzplanungder Universität für Bodenkultur, Wien.
Die Diskussion rund um den Klimawandelhat dazu geführt, dass nicht nur derVerbrauch, sondern auch die Einsparungvon Treibhausgasen und Energie an Bedeutunggewonnen haben. Bei der Genehmigungneuer Infrastrukturvorhaben war derCO2-Output ebenfalls bereits nachzuweisen.
„Carbon Footprint“
Das Instrument des sogenannten „Carbon-Footprints“ wird dabei kontrovers diskutiert.Es stellen sich vor allem in Hinblickauf Transparenz und Nachvollziehbarkeitfolgende Fragen: Welche Messgrößen verwendeich zur Berechnung und wieweitsind diese standardisiert und im internationalenVergleich anerkannt?
Welche Bereichemeines Skigebiets bzw. -betriebs beziehe ichin die Berechnung ein bzw. wo erfolgt dieAbgrenzung? Und welche Aussagekraft undBedeutung kann eine Carbon-Footprint-Bilanzierung tatsächlich für die Verbesserungmeiner Umweltperformance haben?Die zur Ermittlung der treibhausrelevanten Emissionen im Internet frei zugänglichenund kostenlosen CO2-Bilanz-Rechner eignensich nur für Privatpersonen und ermöglicheneine grobe Abschätzung in Hinblickauf die Auswirkungen des persönlichen Mobilitäts-,Wohnungs- oder Konsumverhaltens.
Die CO2-Bilanz-Rechner geben alsResultat den Fußabdruck in CO2-Äquivalentenan. Die Konversion der Emissionenerfolgt mittels Umrechnungsfaktoren. VerschiedeneOrganisationen haben Methodenzur Berechnung festgelegt. Dazu gehörenu. a. die „Greenhouse Gas Protocol Initiative“(GHG Protocol Initiative) des WorldResources Institute – WRI (Sitz: WashingtonDC) und des World Business Councilfür Sustainable Development – WBCSD(Hauptsitz: Genf ).
Das GHG Protocol ist eine internationalanwendbare Methode für Regierungen undUnternehmen zur Bestandsaufnahme ihrerTreibhausgasemissionen. 2006 hat die „InternationalOrganisation for Standardization”(ISO) den „GHG Protocol CorporateStandard“ als Basis für die ISO-Norm14064-1: “Specification with Guidance atthe Organization Level for Quantificationand Reporting of Greenhouse Gas Emissionsand Removals” übernommen (THEGREENHOUSE GAS PROTOCOL,2010).
Ein weiterer Herausgeber von Umrechnungsfaktorenfür Treibhausgase ist das„Department for Environment, Food andRural Affairs“ (DEFRA), eine Dienststelleder Regierung in Großbritannien. Die Umrechnungsfaktorensollen dazu dienen, Daten(wie z. B. Kilometerstand von Fahrzeugen,Benzinverbrauch etc.) in CO2-äquivalenteEmissionen zu konvertieren. Die Faktorensollen genau wie beim GHG Protocol als Anleitungzur Messung und Dokumentationvon Treibhausgasemissionen gesehen werden.
CO2-Bilanzen für Skigebiete
Für einen Skibetrieb bzw. eine Destinationist eine weitaus umfassendere Betrachtungnotwendig, als mit den frei zugänglichenRechnern geleistet wird. Im Skigebietsbereichwurden systematische CO2-Bilanzierungenbis dato sehr selten eingesetzt. Vorreiterin Bezug auf CO2-Bilanzierung sindzehn französische Skigebiete, die sich imRahmen der „Bilan Carbone“ intensiv mitdiesem Thema beschäftigen.
Die „BilanCarbone“ ist eine CO2-Bilanzierungsmethode,die von der französischen OrganisationADEME (Agence de l'Environnement etde la Maîtrise de l'Energie) entwickelt wurde.Sie ist sowohl mit der ISO-Norm14064-1 als auch mit der GHG ProtocolInitiative kompatibel (AGENCE DE L'ENVIRONNEMENTET DE LA MAÎTRISEDE L'ENERGIE, s.a.). Die erste Studiewurde im Jahr 2007 von der französischenNon-Profit-Organisation „Mountain Riders“im Wintersportort St. Martin de Belleville(F) durchgeführt.
Daraufhin habensich neun weitere Urlaubsorte mit derDurchführung einer „Bilan Carbone“ beschäftigt.Diese neun Skigebiete sind: LaBresse, Les 2 Alpes, Le Corbier, Courchevel,Morzine-Avoriaz, Les Orres, St-Lary Soulan,Valberg und Val d’Isère. Darüber hinausgibt es Einzelbeispiele im Alpenraum,die entweder aus medialen Beweggründenoder verfahrenstechnischen Aspekten einenCarbon-Footprint erstellt haben.
In ihrem Umfang und den Einflussgrößensind die bereits vorliegenden CO2-Bilanzierungensehr unterschiedlich. Entweder eswerden nur Teile eines Skigebiets bzw. derBergbahngesellschaften bilanziert, wie etwaeine neue Infrastrukturmaßnahme bewertet,oder aber es wird auf Destinations-(Orts-)ebene gerechnet.
Beispielsweise ist es relativeinfach möglich, eine Kohlendioxid-Bilanzkonkret für die Pistengeräte eines Skigebietszu erstellen, da hierfür der Verbrauch vonBenzin, Diesel etc. bekannt ist. Ebenfallsrasch möglich ist die Berechnung desStromverbrauchs und seiner CO2-Äquivalentevon Seilbahnanlagen, indem die verbrauchtenkWh als Berechnungsgrundlageverwendet werden.
Vernetzung von Klimaschutzmaßnahmen
Wenn man die Vernetzung von Maßnahmenzum Klimaschutz nachweisen will, erfordertdas eine umfangreichere Betrachtung.Das Skigebiet St. Martin de Bellevillebeispielsweise hat die Bereiche Transportund Unterkunft der Urlaubsgäste, Beförderungdiverser Lieferungen bis zum Skiortsowie die gesamten Aktivitäten innerhalb des Skigebiets in die Berechnung mit einbezogen.
Das bedeutet, dass auch die Heizungder Unterkunft, der Betrieb des Skigebiets,die Beleuchtung sowie der Treibstoffverbrauchder Schneeräumungsfahrzeuge, Pistenfahrzeugesowie für den Transport derTouristen und des Personals berücksichtigtwurden. Außerhalb der Berechnung warennur Anlagenabschreibungen, die Abfallbehandlung,der Transport von Tagesgästen,der Warentransport von Vorlieferanten, dieAnreise der Saisonarbeiter, die privaten Wegeder Ortsbewohner, die Tätigkeiten anBaustellen im Sommer, die Emissionen derZweitwohnsitze sowie die Emissionen derkommunalen Beleuchtung (MOUNTAINRIDERS, 2007).
CO2-Bilanzen fürVeranstaltungen
CO2-Bilanzen können jedoch nicht nur fürein Unternehmen oder einen bestimmtenBereich erstellt werden, sondern auch füreinzelne Veranstaltungen. Die SchweizerNon-Profit-Stiftung „myclimate“ bietetzahlreiche Möglichkeiten zum Klimaschutzbeizutragen. Neben dem Angebot an freiwilligen Kompensationsmaßnahmen undKlimaschutzprojekten erstellt myclimateauch CO2-Bilanzen.
Der Event-Rechnervon myclimate bezieht diverse Angabenzum Event (Dauer, Anzahl der Teilnehmer,Energiebedarf, Mobilität, Übernachtungenim Hotel, Verpflegung, Abfälle etc.) in dieBerechnung ein. Als Ergebnis erhält mandie Menge an CO2, die durch die Veranstaltungverursacht wird. Gleichzeitig werdenMöglichkeiten zur Kompensation der Emissionenangeboten (MYCLIMATE, 2010).In Bezug auf die Ski-Weltmeisterschaft2013 bekennt sich Schladming mit der Austragungder WM längerfristig zum Klimaschutzund möchte zeigen, dass Tourismus,Sport, Wirtschaft und Klimaschutz optimalergänzt werden können.
Die Ski-WM inSchladming soll als CO2-reduziertes Großereignisveranstaltet werden. Im Rahmender Regionalen Agenda 21 arbeiten dieKleinregion Schladming (bestehend aus siebenGemeinden) und die LandentwicklungSteiermark unter Einbeziehung der Bevölkerungzusammen, um Kooperation undgegenseitige Unterstützung in Bezug auf dieSki-WM 2013 zu gewährleisten (AMTDER STEIERMÄRKISCHEN LANDESREGIERUNG,2010).
Schon für die Ski-Weltmeisterschaften 2003 in St. Moritz und2009 in Val d’Isère wurden Nachhaltigkeitskonzepteentwickelt. Auch die WM 2011 inGarmisch Partenkirchen soll als umweltfreundliche,CO2-neutrale WM organisiertwerden (HIMMEL, 2009). Durch die großeReichweite und Medienpräsenz einer solchenVeranstaltung ist es möglich, zur Bewusstseinsbildungim Umweltbereich beizutragen(AMT DER STEIERMÄRKISCHENLANDESREGIERUNG, 2010).
Die CO2-Bilanz kann für Gebiete, aberauch für Events mittels gezielter Maßnahmenein positives Werkzeug für eine Imagekampagneund ein Beitrag zur Bewusstseinsbildungsein. In Anbetracht der Methodenund Berechnungsvielfalt sowie derAbweichungen bei Äquivalenten erscheintdie Verwendung im Rahmen von Infrastrukturvorhabenz. B. bei Umweltverträglichkeitsprüfungennur wenig angebracht.Die vorliegenden Methoden und angesprochenenOnline-Rechner besitzen für jeden –ob Skifahrer oder Betreiber – einen wichtigenLern- und Erfahrungswert. Die Tatsache,dass vor allem die Anreise in das Skigebietentscheidend ist, sollte uns allen aberauch ohne CO2-Rechner bekannt sein.
Ulrike Pröbstl, Alexandra Jiricka