Ziel der von der Stiftung „pro natura – pro ski“ in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur organisierten Veranstaltung war es, den Dialog über relevante Aspekte einer nachhaltigen Nutzung des Alpenraums zu fördern.
„Umweltfreundlich, nachhaltig, grün, CO2-neutral“ – mit diesen Begriffen wird im Tourismus immer häufiger geworben. Das gilt für Wintersportorte, und zwar für die Seilbahnen ebenso wie für Hotels und touristische Events. Wer treibt diese Entwicklung voran? Ist es die Einsicht der touristischen Branche oder sind es die neuen Wünsche und Anforderungen der Touristen/-innen? Im Rahmen der Veranstaltung BERG-UM-WELT wurde der Grundsatzfrage nachgegangen, was der potenzielle Gast über Umweltthemen wissen möchte und ob diese einen Einflussfaktor auf die Entscheidungsfindung für einen Wintersportort oder eine Seilbahnfahrt darstellen. Impulsvorträge aus Tourismus- und Trendforschung sowie Kommunikation und Marketing mündeten in eine lebendige Diskussion unter den rund 70 Teilnehmern.
Impulsreferate
„Die Bahn ist umweltzertifiziert, aber den Kunden kümmert das nicht“, so eine der Aussagen eines Seilbahn-Geschäftsführers zu Beginn der Veranstaltung. Prof. Pröbstl-Haider von der Universität für Bodenkultur in Wien zeigte auf, dass hier möglicherweise ein „Henne-und-Ei-Dilemma“ vorliegt. Selbst wenn der Kunde interessiert wäre etwas über Umweltengagement in Skigebieten zu erfahren, hätte er nicht viele Möglichkeiten sich zu informieren. Eine Studie der Universität für Bodenkultur hatte untersucht, welche Maßnahmen in alpinen Skigebieten online kommuniziert werden. Von insgesamt 70 Seilbahnbetrieben, die bei der Wirtschaftskammer Österreich oder auf Bewertungsplattformen auf Grund ihrer Umweltmaßnahmen gelistet waren, hatten 54 % keinerlei Information dazu auf ihrer Website angeführt. Auf der Hauptseite ihrer Internetauftritte konnte lediglich bei 10 % der Gebiete ein Hinweis zu Umweltleistungen gefunden werden.
Pröbstl-Haider zeigte weiters auf, dass zahlreiche Forschungsergebnisse – u. a. eine groß angelegte Studie in vier österreichischen Wintersportgebieten – belegen, dass der Gast Umweltmaßnahmen nur nachrangig in die Buchungsentscheidung für den Winterurlaub einbezieht. Gleichzeitig zeigen vergleichende Studien über mehrere Jahrzehnte, dass das schlechte Gewissen, durch den Skisport der alpinen Umwelt zu schaden, in den letzten 30 Jahren noch zugenommen hat. Dies ist auch durch mediale Kampagnen bedingt, die insbesondere die Themen Beschneiung und Ausbau von Seilbahnanlagen sehr kritisch thematisieren. Diese negative Berichterstattung erregt in den Quellmärkten der Besucher alpiner Gebiete starke Aufmerksamkeit. Will man den Gast erreichen, gilt es darum, auch die mediale Berichterstattung zu berücksichtigen, die wiederum durch die Kommunikation mit NGOs beeinflusst sein kann.
Im Anschluss an den Vortrag von Prof. Pröbstl-Haider ging Mag. Yvona Asbäck, österreichische Repräsentantin von mascontour Berlin, in ihrem Vortrag näher auf die Vorteile von „green marketing“ ein. Sie zeigte auf, welche Segmente mit welchen Strategien angesprochen werden können. Klassische potenzielle Adressaten von Umweltengagement wären die Gruppen der „LOHAS“ (Lifestyles of Health and Sustainability) sowie die „Naturalities“, die an einem nachhaltigen und gesunden Lebensstil interessiert sind. Beide Gruppen sind jedoch auch sehr sensitiv gegenüber Eingriffen in die Landschaft. „Conventionals“ können mit guten Argumenten überzeugt werden und sind eine sehr preisbewusste Gruppe. „Drifters“ hingegen sind primär um ihr Image bemüht – wenn Angebote hier ansetzen, können auch sie durch Umweltengagement angesprochen werden. Zusammen machen diese Gruppen laut amerikanischen Studien (NMI 2009) 83 % der Bevölkerung aus. Je nach Differenzierung und Marktgröße eines „grünen“ Produktes zeigte Asbäck verschiedene Marketingstrategien auf, von einer eher „zurückhaltenden“, „defensiv verteidigenden“ hin zu einer „am Mitbewerber orientierten“ bzw. „offensiven“ Strategie unter den Stichworten „lean green“, „defensive green“, „shaded green“ und „extreme green“.
Prof. Harald Pechlaner, Universität Eichstätt-Ingolstadt, knüpfte an diese Ausführungen an, indem er Trends in den Quellmärkten bei der Nachfrage nach umweltfreundlichen Angeboten in alpinen Destinationen aufzeigte. Laut Pechlaner gilt es dabei, neue Strömungen für sein Angebot zu nutzen, wie den „Car to go Lifestyle“ der großstädtischen Klientel. Dies erfordert jedoch neue, kreative Ansätze, wobei „ein klassischer Shuttle möglicherweise nicht genug ist“, so Pechlaner. Luxus von heute seien insbesondere Zeit, Ruhe, Raum und Sicherheit. Laut Pechlaner geht es vor allem auch darum, dem Gast den Lebensraum und Entscheidungen, die dort stattfinden, wieder verständlich zu machen. Er sieht dabei soziales Bewusstsein bei den Gästen fast gleich wichtig wie Ökologisches. Zum Abschluss hob er hervor, dass „Green Holidays“ kein Luxusgut für eine kleine Zielgruppe sein sollten. Der Gast will die Berg-Lebenswelt verstehen und bewahren, in der er Urlaub macht.
Ein internationaler Vorreiter im Bereich Umweltengagement ist das Schweizer Gebiet Zermatt. Dort werden zahlreiche Maßnahmen wie die Installation von Solarthermie-Anlagen, umfassende Renaturierungs- und Vegetationspflege-Projekte und Bemühungen um Energieeffizienz gesetzt. Anlass und Motivation solche Maßnahmen zu ergreifen, waren jedoch nicht der Imagevorteil beim Gast, sondern die Verhandlung mit Umweltverbänden bei der Zusammenlegung mehrerer Gebiete. Das Beispiel aus der Schweiz zeigt, dass auch die Einbindung von NGOs ein zentraler Schritt in der Umweltkommunikation sein kann: „Wir haben die Umweltverbände eingeladen und von Beginn an an den Projekten beteiligt“, so Markus Hasler, CEO der Bergbahnen. Über Neuerungen wie im Bereich effizienter Energieerzeugung und über die Beschneiungsanlage wurde zunächst keine aktive Kommunikation geführt. „Im direkten Kontakt mit dem Gast wurde dies dann zum Thema. Es gab wöchentlich Führungen in der Beschneiungsanlage“, so Hasler. Erst Auszeichnungen, die das Gebiet bekommen hat, waren dann der Auslöser, dass das Zermatter Engagement weltweit bekannt wurde. Mittlerweile werden die Umweltleistungen auf der Homepage ansprechend dargestellt und auch im Gebiet weisen „grüne Gondeln“ auf das Engagement hin.
Workshop Umweltberichterstattung
Mag. Christian Amtmann, Chefredakteur der ISR, moderierte den Workshop „Wie gelingt erfolgreiche Kommunikation in der Umweltberichterstattung?“ Auf die Frage, wie man denn am besten Informationen kommunizieren sollte, wenn man hier verstärkt aktiv werden will, hatte Fritz Lietsch, Chefredakteur des „Forum Nachhaltig Wirtschaften“, drei praktische Hinweise parat: Erstens kommt es auf die Länge der Umweltbeiträge an – Inhalte sollten möglichst kurz und prägnant kommuniziert werden –, zweitens auf den Zeitpunkt, damit die Glaubhaftigkeit gegeben ist, und drittens geht es darum, eine Geschichte zu erzählen und damit Emotionen zu vermitteln, um Menschen zu erreichen. „Die Leute wollen informiert werden, aber nicht viel lesen“, bestätigte auch Prof. Dorothea Schaffner von der Hochschule Luzern, wobei sie zwei Wege der Verarbeitung von Kommunikation aufzeigte – einen stärker an Informationen gebundenen und einen über die Vermittlung von Emotionen wirkenden Weg. Bei Ersterem sind vor allem Handlungsoptionen vorteilhafte Inhalte, um Gäste zu erreichen, bei Zweitem geht es um „positive Emotionalisierung“ – dies kann durch Techniken wie „Story telling“ oder „Gamification“ (z. B. den Spieltrieb der Kunden durch Wettbewerb und Vergleich anzusprechen) geschehen.
Paneldiskussion
Dr. Erich Egger, Vorstand der Schmittenhöhebahnen AG, ergänzte aus seinen Erfahrungen während der Paneldiskussion, dass Themen „oft über Umwege besser kommuniziert werden können.“ Er illustrierte dies mit einem aktuellen Beispiel der Schmittenhöhebahnen, wo spielerisches Erleben die Leistungen der Solaranlage sichtbar macht bzw. dem Gast vermittelt, welches Potenzial darin liegt. „Konzepte müssen ehrlich gemeint sein“, ergänzte Egger.
Dass Bemühungen unter diesen Voraussetzungen auch gewürdigt werden, zeigte das wertschätzende Statement von MMag. Liliana Dagostin vom Tiroler Alpenverein zu den Bemühungen der Schmittenhöhebahnen in den letzten Jahren, denen zunächst eine negative Konfrontation zwischen dem Alpenverein und der Bergbahn vorausgegangen war.
Mit Ekkehard Assmann, Marketingleiter bei Doppelmayr, Michael Hemscheidt, Marketingleiter bei Kässbohrer Pistenbully, Patrizia Pircher, Marketingleiterin bei Technoalpin, und Andreas Bangheri, Geschäftsführer bei Heliotherm, beteiligten sich auch Experten/-innen aus der Firmenpraxis an der Diskussion. Sie berichteten über ihre Erfahrungen im Umgang mit negativen Schlagzeilen im Bereich Umwelt und erläuterten ihre Strategien im kooperativen Marketing von grüner Innovation.
Erfolgreiche Veranstaltung
Der Vorsitzende der Stiftung „pro natura – pro ski", Hans Brunhart, zeigte sich mit dem Erfolg des Auftaktes von BERG-UM-WELT äußerst zufrieden: „Die Anzahl von hochkarätigen Veranstaltungsteilnehmerinnen und Veranstaltungsteilnehmern aus dem internationalen Alpenraum hat unsere Erwartungen sogar noch übertroffen.“ Der Geschäftsführer der Tirol Werbung, Josef Margreiter, sprach von einer „sehr inspirierenden Veranstaltung“.
Mit BERG-UM-WELT wurde eine Plattform für Wissenschaftler/-innen, Seilbahnunternehmen, Touristiker/-innen, Vereine und Verbände geschaffen, die es erlaubt, auch künftig aktuelle Fragen im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Tourismusentwicklung in den Bergen zu diskutieren. „Wir freuen uns auf eine Fortsetzung von BERG-UM-WELT mit weiteren spannenden Themen“, zeigten sich zahlreiche Teilnehmer/-innen – darunter Franz Hörl, Obmann des Fachverbandes der Seilbahnen, – interessiert.
Alexandra Jiricka, Ulrike Pröbstl-Haider