Tourismus

Zwischen Schützen und Nützen

Ein treffendes Beispiel für das Missverhältnis von Begrüßungs-Statements und konkreten (Verfahrens-)Handlungen in der täglichen Entscheidungs(un-)kultur lieferte u.a. der Tiroler Seilbahntag 2011 Anfang Oktober in Neustift/Stubaital. Die Uhren laufen eben – nicht nur in Tirol, auch in anderen Alpenregionen – in der Realität anders als sie bei öffentlichen Auftritten und Ansprachen politischer Repräsentanten vor einem staunenden Seilbahnpublikum ticken.

Bei solchen Gelegenheiten wird häufig massive politische Unterstützung angesagt, folgen Versprechungen für Erleichterungen bei den Rahmenbedingungen – allerdings mit offenem Bekenntnis dazu erst nach dem nächsten Urnengang, man will ja wiedergewählt werden – wird Einsicht und Schulterschluss mit den Problemen der Seilbahnwirtschaft gezeigt und – wenn es hoch hergeht – noch das Investieren in neue kundenfreundliche Qualität in Anlagen und Pisten gelobt.

Allerdings: Wenn dann z.B. der alpenweit bekannte Pionier des Tourismus im Stubaital Dr. Heinz Klier anklingen lässt, dass bereits 72% des Gemeindegebietes Neustift unter Schutz gestellt sind, jedoch der Bau eines Speicherteiches fast gescheitert wäre, weil sich zufällig Zuckmückenlarven im Wasserzulauf befinden – obwohl sonst zigmillionenfach vorhanden – und dann das Wasser umständlich wie kostenintensiv vom tiefer gelegenen „Sammelbecken der Zuckmücken“ wieder hinauf in den eigentlichen Speicher gepumpt werden müssen, bewirkte dies kein „Zucken“ der in der erster Reihe anwesenden politischen Ehrengäste.

Hier Zuckmücken, dort Kurzflügelkäfer, nicht vorhandene Steinhühner oder angeblich exakt nur auf der geplanten Piste wachsende seltene Kräuter oder Pflänzchen, balzende Auerhähne etc. – alles ein unbedingt zu schützendes Naturgut?! Fast jedes Bergbahnunternehmen im Alpenraum kann ein Lied davon singen, dass zwar die Seilbahnwirtschaft eine Stütze für den ländlichen Raum und einen unersetzbaren Bestandteil des Bergtourismus im Sommer und speziell im Winter darstellt, aber das Pendel schon längst in Richtung „alles Schützen statt Nützen“ ausgeschlagen hat. Fauna und Flora zählen offenbar mehr als Entwicklungschancen und Weiterentwicklung in den Alpentälern.

Dazu passt nun allerdings haarscharf die Aussage von Adolf Ogi, ehemaliger Schweizer Bundesrat und Uno-Beauftragter: „Wir können in den ländlichen Räumen nicht alles erhalten wie es ist“!

Es geht also darum, Natur vernünftig zu schützen, aber gleichzeitig sie auch für die Bevölkerung und die touristischen Gäste zu nützen; eine Notwendigkeit, die häufig zu wenig Beachtung findet. Vor allem sind die UVP-Verfahren schon längst und das fast überall aus dem Ruder gelaufen.

Die UVP-Verfahren für Bahnen und Pistenkorrekturen bzw. -erweiterungen sollten ursprünglich eine Verfahrenskonzentration bewirken, aber das Gegenteil ist der Fall. Meterweise Gutachten, häufig für kleinste Details, und tausende Seiten zum „Studieren“ kosten nicht nur viel Geld, sondern verschlingen enorm viel Zeit, bis endlich der zuständige Beamte einen Bescheid erstellen kann. Unter dem Deckmantel des öffentlichen Interesses und des Naturschutzes werden die Entscheidungen oft bis ins Unendliche vertagt, vor allem wenn dann noch Einsprüche der NGOs erfolgen.

Die Kosten infolge der langen Genehmigungsverfahren aber belaufen sich nicht selten von drei Millionen aufwärts bis zu doppelstelligen Millionen-Euro-Beträgen und erreichen oft bis zu einem Viertel und mehr der tatsächlichen Investitionskosten. Kein Wunder, es kostet eben viel Geld, wenn wochen- und monatelang irgendwelche Käfer, Larven, Hühner, Gräser und Almkräuter etc. erfasst und gezählt werden müssen. Die Frage steht im Raum: Wer kann sich das schon leisten?

Auch die ständigen Vorschreibungen von Bauaufsichten für alle möglichen Bereiche stellen nichts anderes dar als ein täglich erklärtes Misstrauen gegenüber den Seilbahnunternehmen. Diese praktizieren jedoch schon längst die so oft geforderte „Harmonie von Wirtschaft und Ökologie“. Sie sollten sich deshalb auch nicht für ihre Investitionen zugunsten des Tourismus und des Wohlstandes im Alpenraum entschuldi-gen müssen. Sie tragen schließlich auch zur Erhaltung und Nutzung der Natur bei.

Niemand hindert jedenfalls die Politik daran, den Wildwuchs an Vorschriften etc. einzudämmen, diese auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen und den Rahmen für die Verwaltung der von der Politik beschlossenen Gesetze und Verordnungen zu lockern, zu dehnen und vor allem die Verfahren zu entbürokratisieren. Nur so werden wir zu einem praktikablen Verhältnis zwischen Schützen und Nützen kommen, das vor allem für die Bevölkerung der Berggebiete die Lebensgrundlage darstellt.

Ob es mit dem ländlichen Raum bergauf oder bergab geht, wird also von den konkrten Taten und nicht von den Versprechungen der Politiker bei festlichen Anlässen der Seilbahnwirtschaft abhängen. Sie sind am Zug!

Dr. Helmut Lamprecht


Foto: Reiteralm Bergbahnen

Nach einem erfolgreichen Berg-Sommer 2022 starten die Besten Österreichischen Sommer-Bergbahnen optimistisch in die Sommersaison 2023. In der…

Weiterlesen
Foto: Klaus Maislinger

Die Innsbrucker Kanzlei CHG Czernich Rechtsanwälte verteidigte ihren Spitzenplatz im renommierten Anwalts-Ranking des Wirtschaftsmagazins „Trend“ zum…

Weiterlesen
Foto: TVB Paznaun - Ischgl

Die Silvrettaseilbahn AG hat zwischen November 2022 und April 2023 über 500.000 Skipässe verkauft und damit nahezu das Vorkrisen-Niveau erreicht. Auch…

Weiterlesen
Foto: TVB Stubai / Andre Schönherr

Im Jahr 2009 übernahm Franz Gleirscher die Geschäftsführung der Serlesbahnen im Tiroler Stubaital, damals noch ein Zuschussbetrieb. Nach 14 Jahren mit…

Weiterlesen
Foto: Doppelmayr Seilbahnen GmbH

Juan José Lapuerta Rodríguez ist ein Seilbahn- und Wintersportenthusiast, der im südspanischen Skigebiet Sierra Nevada das Skifahren lernte und heute…

Weiterlesen
Foto: Seilbahnen Schweiz

Die Wintersaison 2022/23 blieb bei den Schweizer Seilbahnbetrieben zwar hinter den Rekorden des Winters 2021/22 zurück, sie liegt aber im Durchschnitt…

Weiterlesen
Foto: Bad Kleinkirchheimer Bergbahnen / Gert Perauer

Der Aufsichtsrat der Bad Kleinkirchheimer Bergbahnen Holding AG hat den Vertrag von Hansjörg Pflauder als Alleinvorstand der Unternehmensgruppe ab 1.…

Weiterlesen
Foto: Pixabay

Laut einer Schätzung der Österreichischen Nationalbank (OeNB) dürfte die Zahl der Nächtigungen von November 2022 bis April 2023 um 4,4 % unter der…

Weiterlesen
Photo: Adobe Stock

Kelly Pawlak, President of the National Ski Area Association – NSAA, speaks about record capital investments in infrastructure, inspiring people to…

Weiterlesen
Foto: Titlis Bergbahnen

Der Verwaltungsrat der Titlis Bergbahnen hat am 4. Mai 2023 das „Generationenprojekt Titlis“ nun endgültig freigegeben. Damit können die ersten…

Weiterlesen
Foto: Bregenzerwald Tourismus / Alex Kaiser

Ab Mai 2023 gibt es in den Vorarlberger Tourismusregionen Bregenzerwald und Großes Walsertal eine neue Gästekarte. An der „Gäste-Card Bregenzerwald &…

Weiterlesen
Foto: Kitzsteinhorn / Peter Moser

Die Gletscherbahnen Kaprun Aktiengesellschaft hat ihre Aktionäre am 19. April 2023 zur 63. ordentlichen Hauptversammlung nach Kaprun geladen. Auf der…

Weiterlesen
Foto: Österreichischer Skischulverband

Als Dachverband von sieben Landesskilehrerverbänden vertritt der Österreichische Skischulverband (ÖSSV) über 600 Skischulen mit mehr als 18.000 Ski-…

Weiterlesen
Foto: Roman Gric

Am 7. Mai 2023 findet wieder der traditionelle Aktionstag der deutschen Seilbahnunternehmen für Menschen mit Behinderung statt. Gäste mit einer im…

Weiterlesen
Foto: Innsbruck Tourismus / Franz Oss

Nach vierjähriger coronabedingter Pause hat die 24. Ausgabe der Interalpin ihre Anziehungskraft als Weltleitmesse unterstrichen. Vom 19. bis zum 21.…

Weiterlesen