Neben der fehlenden Winterstimmung in Städten gab es auch in vielen Gebieten zu oft Wind und in den niedrigen, kleinen Gebieten natürlich wenig Schnee; nicht zu vergessen in manchen Orten deutlich zu viel Schnee. Angesichts dieser Ausgangslage traue ich mich zu sagen, dass es vom Ergebnis her ein guter Winter wird, wenn man all das berücksichtigt. Das zeigt auf, wie stark das Produkt eigentlich ist, auch wenn die Bedingungen gar nicht für einen spielen. Nichtsdestotrotz wird es wohl wieder Diskussionen geben: über die Zukunft des Wintersports, die kleinen Skigebiete (ein eigenes nicht ganz einfaches Thema, das heute aber nicht von mir behandelt wird) und vielleicht auch darüber, wieso die Branche kontinuierlich rückläufig (?) sei, wenn es doch so viel Potenzial an Skifahrern gäbe.
Manchmal würde Zahlenorientierung nicht schaden
Ich weiß ja nicht, wer aktuelle Diskussionen im Tourismus verfolgt, aber da tauchte doch tatsächlich auf, dass wir ständig an skier days verlieren. Und das nach dem zweitbesten Winter aller Zeiten in der Saison 2012/13! Auch ein Vergleich mit anderen Branchen macht mich sicher: Eine intensivere Auseinandersetzung mit tatsächlichen Zahlen täte der Tourismusbranche manchmal schon ganz gut. Und damit bin ich auch schon beim andererseits, also der zweiten Motivation: Wieder mal poppte die Diskussion bei Touristikern auf, wieso bei so viel Potenzial nicht ständig mehr Skifahrer auf die Pisten drängen. Klar, eine einfache Antwort wäre: Redet mit dem Wettergott, lasst es zuerst ordentlich schneien und dann viel Sonne scheinen – dann würde man schon sehen, welches Potenzial auch abgeholt werden kann. Betonung auf Potenzial abholen.
Begriffliche Verwirrungen
Neben dem zu oberflächlichen Umgang mit Zahlen scheint nämlich auch der mangelnde Umgang mit einfachen (Fach-)Begriffen in der Branche problematisch. Das scheint schon systematisch und lässt mancherorts an der Professionalität zweifeln. Viele der ISR-Leser kennen wahrscheinlich unsere Studien zum Thema Skifahrer und Skifahrerpotenzial. Nun, das Potenzial misst hierbei das Interesse am Skisport und nicht die tatsächlichen Skifahrer. Mir ist es schleierhaft, wieso immer wieder zu hören und lesen ist, dass die tatsächlichen Skizahlen mit den hohen Potenzialzahlen nicht einhergehen können. Erstens muss man Potenzial wie gesagt erstmals auch abholen, zweitens können die Skifahrer in den unterschiedlichsten Ländern Ski fahren (und tun dies auch) und drittens gibt es meines Wissens nach keine über die Zeit hin vergleichenden Analysen, die uns über die Entwicklung des Potenzials Auskunft geben (und erst damit ließe sich sinnvoll eine Entwicklung bei skier days gegenüberstellen). Ein Querschnittsvergleich mit dem Interesse an Wintersport von sehr umfangreichen Verbraucheranalysen in Deutschland kommt übrigens auf sehr ähnliche Werte.
Wo sieht man die Kundenorientierung?
Vielleicht ist es aber auch leichter, sich auf den Markt auszureden als sich wirklich mit ihm zu beschäftigen. Ein Potenzial muss erst ausgeschöpft werden und da braucht es, glaube ich, noch einiges an Ideen und Überlegungen in Marketing und Produktgestaltung. Wie öfters erwähnt, fallen mir primär Stichworte wie einfache Packages und Zugänglichkeit ein. Und im Bereich der Vermarktung wäre es natürlich gut, wenn uns etwas einfallen würde, wie auch kleinere Gebiete, die Anfängern eigentlich von der Größe her reichen würden, am Markt bekannt werden können. Auch sollte man nicht vergessen, dass die Branche ein großes Potenzial benötigt, denn jedes Jahr fallen auch wieder ein paar Skifahrer aus unterschiedlichen Gründen aus – die drop outs. Und wir bewegen uns auf hohem Niveau. Natürlich auch deshalb, weil doch auch recht viele sehr wohl kundenorientiert unterwegs sind.
Kundenorientierung geht nur mit Kunden- und Marktwissen
Also: längst kein Beleg, dass es kein Potenzial gibt. Aktuell wissen wir aber immer noch nicht, wie gut es uns tatsächlich gelingt, dieses abzuholen. Keiner kennt die Anzahl der Anfänger auf den Pisten – wir vergleichen Gesamtzahlen ohne zu wissen, wie viele neue Skifahrer es gibt, wie viele wir (dieses Jahr wieder) überzeugt haben und wie viele auch ausgestiegen sind. Noch leisten wir uns den Luxus von wenig Marktwissen und behaupten kundenorientiert zu sein (bei natürlich einigen sehr löblichen Positivbeispielen, die sich intensiv mit Kunden und Markt auseinandersetzen). Kundenorientierung ohne Markt-Feedback läuft aber Gefahr, daneben zu gehen: Genau so wie bei einem Unternehmen, das nicht misst, wo es notwendig ist zu reagieren oder wie Investitionen ankommen, ist es auch etwas fahrlässig, die Aktionen und Ideen der Branche nicht auf Wirkungen zu überprüfen. Aber vielleicht will man das ja auch nicht so genau wissen, was wie gut funktioniert …
Klaus Grabler