Wirtschaft

Unsere Kinder sind die Zukunft!

Das gilt vor allem im Marketing. Warum professionelles Kinder- und Familienmarketing im Tourismus Verantwortung, besonderes Know-how und einen differenzierten Umgang mit der Zielgruppe braucht.

In den alpinen Tourismuszentren ist man nicht erst seit dem letzten Winter besorgt. Schon seit einigen Jahren nimmt die Zahl der Schulskikurse und Sportschulwochen kontinuierlich ab. Wenn die Kinder nicht mehr Skifahren lernen, wo bleiben dann die Kunden der Zukunft?

Gründe für diese Entwicklung werden gesucht und schnell gefunden: Die Eltern fahren nicht mehr Ski, Schulen scheuen den Organisationsaufwand, die Preise von Tickets und Ausrüstung sind hoch, ja interessieren sich Kinder überhaupt noch für den Sport Skifahren oder ist das Handy heute schon viel wichtiger?

Zurück bleibt die Frage, wie man Kinder und Familien wieder für den Skisport und den Bergsport begeistern kann.

Hier gleich die gute Nachricht: Kinderthemen funktionieren niemals exklusiv, sondern immer inklusiv. Das heißt, es kommen neue Trends wie Videospiele, Internet, Handy und Apps zu den Interessensgebieten der Kinder dazu. Sie ersetzen nicht die wichtigen, bereits vorhandenen Themen. Zum Beispiel ist das gute alte „Bauen und Konstruieren“ bei Buben bis 10 Jahre nach wie vor unangefochtenes Thema Nummer eins. Das konnten bisher weder die neuesten Smartphones noch besonders ausgeklügelte technische Spielzeuge ändern.

Spaß haben und Sport treiben

Im Bereich Tourismus kommt eine aktuelle Grundlagenstudie aus Deutschland zu einem ähnlichen Ergebnis. Bei den Urlaubspräferenzen der 3- bis 13-Jährigen rangieren – wie schon in Zeiten der Elterngeneration – „Spaß haben“, „Spiele spielen“, „Natur beobachten“ und „Sport treiben“ unter anderem auf den vordersten Rängen. Warum aber schlägt sich das nicht in den Buchungsstatistiken nieder? Irgend etwas muss also falsch laufen.

In der Tat machen viele Tourismusbetriebe entscheidende Fehler, wenn es um die richtige Vermittlung ihrer Angebote an die Zielgruppen Kinder und Familien geht. Häufig mangelt es den Unternehmen an konkretem Wissen, in welcher Welt Kinder heutzutage leben, was sie interessiert, welche Medien sie konsumieren und wie man der Zielgruppe spannende Themen – zum Beispiel „Natur beobachten“ – näherbringen kann.

In vielen Fällen wird die Zielgruppe hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und Interessen unter- bzw. überschätzt. Ältere Kinder werden zum Beispiel mit „Babykram“ abgespeist, jüngere Kinder, die noch gar nicht lesen können, mit Internet und Apps überfordert.

Wie transportiert man Kinderthemen richtig?

Sich darauf zu verlassen, dass „Skifahren“ und „Bergwandern“ per se cool sind und das schon allein als Überzeugungsargument ausreicht, ist zu wenig. Vielmehr muss kritisch hinterfragt werden, was genau das Spannende und Interessante am Skifahren und Bergwandern für die junge Zielgruppe ist. Es müssen Geschichten dazu erzählt werden, die die Kinder entsprechend ihrem Alter dort abholen, wo sie in ihrer Entwicklung und mit ihren Interessen stehen.

Dazu ist es wichtig, die Zielgruppe „Kinder“ genau zu kennen und zu wissen, was welche Kinder in welchem Alter interessant und spannend finden und wie sie es erleben und verarbeiten.

„Kinder“ sind mindestens sechs verschiedene Zielgruppen. Sie können nach dem Alter in Vorschulkinder (bis 6 Jahre), Volksschulkinder (6 bis 10 Jahre) und „Tweens“ (10 bis 12 Jahre) eingeteilt werden. Die Unterschiede zwischen diesen Altersklassen sind enorm, die Ansprache muss also sehr differenziert erfolgen.

Ein Beispiel: Kleinere Kinder (bis 8 Jahre) finden Maskottchen toll. Sie sprechen genau ihren Entwicklungsstand an und funktionieren daher als Kommunikationsmittel. Größere Kinder (ab 8 Jahren) finden Maskottchen schon „uncool“ und distanzieren sich von ihnen („Babykram“). In dieser Altersgruppe ist „Wissen sammeln“ angesagt, welches – richtig aufbereitet und dargeboten – die Kinder zu „kleinen Experten“ macht.

Der kleine Unterschied ist ziemlich groß

Für eine Zielgruppenanalyse macht es einen erheblichen Unterschied, ob es sich um Mädchen oder Buben handelt. Dabei gelten leider (fast) alle Klischees: Buben sind eher wettbewerbsorientiert und technikaffin, Mädchen eher sozial orientiert. Diese verschiedenen Interessen müssen adäquat adressiert werden. So könnte für Buben beim Skifahren eher ein Wettbewerb passend sein, Mädchen fühlen sich bei Erlebnissen in der Gruppe wohler.

Genauso ist beim Design für Kinder zu beachten, welche Zielgruppe denn genau erreicht werden soll (Altersgruppe, Geschlecht). Man muss konkret wissen, in welcher Medienwelt Kinder leben. In dieser Welt muss man „mitspielen“, wenn man gutes Kinderdesign machen will.

Jüngere Kinder reagieren auf ganz andere Schlüsselsignale als ältere, der Design-Leitspruch „immer ein bisschen älter wirken” ist nur insofern richtig, als inhaltliche Grenzen zur Jugendlichkeit nicht überschritten werden dürfen. Für die Zielgruppe der Lesekinder ist Komplexität und Farbauswahl viel differenzierter als für kleine Kinder. Bevor man Kinderdesign beginnt, muss man sich gut informieren, welche Schlüsselsignale die Zielgruppe ansprechen.

Es war einmal ...

Der Begriff „Familienskigebiet“ ist kein Angebot, sondern eine Definition. Um aus der Definition ein Angebot zu machen, muss „Storytelling“ betrieben, also eine Geschichte erzählt werden. Im Marketing für Kinder und Familien fällt das relativ leicht, denn diese Zielgruppe lebt in Geschichten und liebt sie. Mit guten Geschichten, konkretem Wissen über Kinderthemen und -interessen und einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit den Wünschen der Eltern kann und wird man diese Zielgruppe nachhaltig begeistern.

Kindermarketing ist Familienmarketing

Stichwort Eltern: Die Dynamiken und Interessen innerhalb der Familie zu verstehen, ist für verantwortungsvolles Marketing essenziell. Eltern eines 2-Jährigen wollen zum Beispiel in Sachen Tourismus etwas ganz anderes als Eltern einer 8-Jährigen. Es gibt Eltern, die ihre Kinder im Urlaub betreuen lassen wollen und Eltern, die mit ihren Kindern gemeinsam etwas erleben wollen. Beiden muss geholfen werden, beide brauchen Unterstützung, beiden muss man es so einfach wie möglich machen. Das fängt beim Toilettenbesuch an und hört beim Gipfelerlebnis auf. Beide Wünsche müssen bei der Angebotsgestaltung in Betracht gezogen werden.

Ursula Weixlbaumer-Norz

 

„Expertentipps“

  • Informieren Sie sich genau, in welcher Welt Kinder und Familien heute leben. Welche Themen sind interessant, welche Interessen wollen Sie bedienen? Ein „bisschen“ Kinderansprache funktioniert nicht mehr – „ganz oder gar nicht“ ist die neue Devise.
  • Segmentieren Sie Ihre Zielgruppe nach Alter. Was genau wollen Sie welchen Kindern und deren Familien anbieten?
  • Unterscheiden Sie nach Mädchen- und Bubeninteressen und bringen Sie diese in Ihr Angebot ein.
  • Schaffen Sie klare Angebote – erzählen Sie Geschichten.
  • Binden Sie immer die Eltern in Ihre Zielgruppenansprache mit ein. Kindermarketing ist Familienmarketing.
Mag. Ursula Weixlbaumer-Norz, Expertin für Kinder- und Familienmarketing kids&funconsulting. Foto: Peroutka/WB

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