Die Berichterstattung in den Fachmedien eines Wirtschaftszweiges und die Fachbeiträge bei einschlägigen Tagungen sind wohl ein ziemlich unbestechlicher Gradmesser für die Bedeutung eines Themas in dem betreffenden Wirtschaftsbereich. Es lag daher nahe, die Frage nach dem Stellenwert von Umweltfragen im Seilbahnwesen anhand der einschlägigen Beiträge in der ISR und der im Rahmen von Seilbahntagungen gehaltenen Referate zu Umweltthemen zu untersuchen. Schauen wir uns das am Beispiel der OITAF-Welt-Seilbahnkongresse näher an.
Die Durchsicht der Programme der letzten drei OITAF-Kongresse – 1999 in San Francisco, 2005 in Innsbruck und 2011 in Rio de Janeiro – zeigt, dass eine signifikante Zunahme von Umwelt-Referaten erst 2011 in Rio de Janeiro stattfand. Bei den früheren OITAF-Kongressen standen andere Themenbereiche im Vordergrund.
OITAF-Kongress 1999 in San Francisco
Nicht nur 1999 in San Francisco, sondern auch bei all den anderen statutengemäß alle sechs Jahre abgehaltenen Welt-Seilbahn-Kongressen der OITAF, die im vorigen Jahrhundert über die Bühne gegangen sind, stand die Präsentation von technisch-wissenschaftlichen Arbeiten im Vordergrund. So befassten sich beim Kongress 1999 in San Francisco von über 80 Fachvorträgen nur einige wenige mit Betriebs-, Rechts- und Managementfragen und nur drei mit Umweltfragen, zwei davon gehalten von Ingenieuren, die als echte Vordenker des Umweltschutzes in ihrem jeweiligen Arbeitsgebiet bezeichnet werden können:
- Dipl.-Ing. Christoph Hinteregger, Technischer Direktor der Firma Doppelmayr, und
- Dipl.-Ing. Michael Manhart, Geschäftsführer der Skilifte Lech und langjähriger Vorsitzender des OITAF-Studienausschusses VII, Umwelt.
Dipl.-Ing. Hinteregger plädierte in seinem Vortrag „A Holistic View of Ropeways and the Environment – The Impact of Ropeways on their Natural Surroundings“ für möglichst landschaftsgerechte Gestaltung der Seilbahnanlagen und für umfassende Optimierungsanstrengungen beim Seilbahnbau und -betrieb, die der Schonung von Material- und Energieressourcen zugute kämen.
Dipl.-Ing. Michael Manhart, gerne wegen seiner Pionierrolle im Bereich der technischen Beschneiung als „Schneipapst“ bezeichnet, hat sich in seinem Referat „Skiareas and Environment“ für die Anwendung des Umwelt-managementsystems nach ISO 14001 in Skigebieten stark gemacht und dieses Managementinstrument bei den Skiliften Lech erstmals bei einem österreichischen Seilbahnunternehmen eingeführt.
OITAF-Kongress 2005 in Innsbruck
Die Programmgestaltung des ersten OITAF-Kongresses im 21. Jahrhundert zeigte auf, dass die zukünftigen Probleme der Seilbahnen weniger im technischen Bereich als überwiegend im Marketing- und Managementbereich sowie im internationalen Umfeld des Tourismus erwartet wurden. Gegenüber früheren Kongressen trat die Technik eher in den Hintergrund – zum Leidwesen vieler Experten aus Technik und Wissenschaft, aber wohl zum Nutzen der Geschäftsführer und Wirtschaftsfachleute, die aus den Referaten über Marketing und Management, Trends und Lifestyle wichtige Anregungen mitnehmen konnten.
Umweltschutz kam nicht vor. Selbst im Referat des Umweltpsychologen Prof. Alexander Keul, „Psychologische Aspekte der Besucherlenkung in Ski-gebieten“, in dem er so etwas wie eine Psychologie der Seilbahn, eine Betrachtung aus der Sicht des Fahrgastes versuchte, waren Umweltaspekte kein Thema.
OITAF-Kongress 2011 in Rio de Janeiro
Beim letzten OITAF-Kongress kam das Wort Umwelt sogar im Kongress-Titel vor: „Seilbahnen: sicher, umweltfreundlich, erfolgreich in die Zukunft“. Von den insgesamt vier Arbeitssitzungen stand die 3. Session unter dem Motto „Nachhaltigkeit bei Seilbahnen, Umwelt, Soziales und Wirtschaftlichkeit“.
Zwei der Referate dieser Arbeitssitzung hatten Umweltaspekte zum Thema:
- “Nachhaltigkeit in der Seilbahnplanung“, Dipl.-Ing. Andreas Brandner, Zivilingenieur für Bauwesen, Innsbruck, (siehe auch ISR 1/2012, S. 28).
- „Skigebietsnachhaltigkeit“, Dipl.-Ing. Dr. Kurt Ramskogler, LIECO GmbH & CoKG (ein Unternehmen der Stiftung Fürst Liechtenstein), Kalwang, (siehe auch ISR 2/2012, S. 80).
Dipl.-Ing. Brandner ging vom Begriff der Nachhaltigkeit aus, wie er etwa in der Agenda 21 dargestellt und seither in weiten Bereichen als anerkanntes Leitbild dient, und leitete dann über zu seiner Tätigkeit als Bauingenieur. Im Sinne der genannten Nachhaltigkeitsprinzipien griff er drei Aspekte der Seilbahnplanung heraus:
- Schutz der Erdatmosphäre – Verkehrs- und Transportkonzepte,
- Integriertes Konzept zur Planung und Bewirtschaftung der Flächen-ressourcen – sparsamer Umgang mit den zur Verfügung stehenden Flächen,
- Bewirtschaftung empfindlicher Ökosysteme – nachhaltige Entwicklung von Berggebieten.
Zu jedem dieser drei generellen Umweltaspekte führte er aus, welchen Beitrag die Seilbahnen in diesen Bereichen leisten können, vorausgesetzt, dass die Nachhaltigkeitsprinzipien bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb der Seilbahnen eingehalten werden.
Dr. Ramskogler ist davon überzeugt, dass intensiv touristisch genutzte Ski-gebiete neben der Einhaltung aller Rechtsvorschriften an einer gebiets-spezifischen Nachhaltigkeitsstrategie arbeiten müssen, wenn das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung im Interesse zukünftiger Generationen erreicht werden soll. Die dabei relevanten Bereiche beschrieb der Referent in Form eines Nachhaltigkeitsmodells, das aus drei Säulen besteht:
- Ökonomie (Kunden und Märkte, Leistung & Professionalität, Gewinn & Rentabilität),
- Ökologie (Erhaltung & Schutz, Vielfalt & Natur, Landschaft und Wasser, Wald & Tiere, Vegetation & Boden),
- Soziales/Gesellschaft (Ausbildung & Information, Region & Services, Erholung & Sport, Landschaftserlebenis).
Als zentrales Thema bezeichnete Dr. Ramskogler die sparsame, innovative und immer auf den letzten Stand der Technik und Bedürfnisse ausgerichtete Nutzung aller involvierten Ressourcen. Dadurch werde sichergestellt, dass die Nutzer nachhaltig ein funktionierendes Ökosystem, funktionierende Betriebe und gesicherte Arbeitsplätze vorfinden.
Fachbeiträge in der „Internationalen Seilbahn-Rundschau“
Bei Durchsicht der ISR-Ausgaben der letzten Jahre zeigt sich, dass die Anzahl von umweltrelevanten Beiträgen in den letzten Jahren etwa in dem Ausmaß zugenommen hat, in dem auch in der Gesellschaft die Bedeutung von Umweltschutzmaßnahmen gewachsen ist.
Besonders hervorzuheben sind dabei die Arbeiten von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. DDr. Ulrike Pröbstl und Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Dr. Alexandra Jiricka vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholung und Naturschutzplanung der Universität für Bodenkultur, Wien. Beginnend mit einem Interview in der ISR-Ausgabe 2/2010, das die in der ISR für Umweltfragen zuständige Landschaftsarchitektin Dipl.-Ing. Dr. Maria Nejez mit Prof. Pröbstl zum Thema „Umweltmanagement im Seilbahnbereich“ geführt hat, erschienen bisher 17 (!) Beiträge der genannten Autorinnen zu Umweltthemen im Seilbahnwesen (siehe Kasten).
Darüber hinaus fließen immer mehr umweltbezogene Angaben in redaktionelle Berichte ein, auch wenn man manchmal merkt, dass es sich dabei um werbetechnisch motivierte Umwelt-Mäntelchen handelt. Aber es wird ja nicht nur geschrieben, sondern es wird auch vielfach umweltgerecht gebaut. So hat die Fotovoltaik Einzug in die Energieversorgung von Seilbahnen gehalten. Als Beispiel sei die 2012 gebaute Hüttenkopfbahn genannt, eine 6er-Sesselbahn im Skigebiet Golm in Vorarlberg, bei der ein Drittel des Energieaufwandes für den Betrieb der Bahn von einer Fotovoltaik-Anlage geliefert wird. Das Besondere darin ist, dass die Fotovoltaik-Module in die Standard-Stationsüberdachungen des Seilbahnherstellers Doppelmayr integriert sind. Nach Angaben aus dem Doppelmayr-Management waren 2013 bereits fünf weitere Seilbahnanlagen mit einer derartigen Stromversorgung im Bau.
Auch in weiteren wichtigen Bereichen der Seilbahnbranche, nämlich der technischen Beschneiung und der Pistenpräparierung, wird in den ISR-Beiträgen laufend über umweltrelevante Verbesserungen berichtet.
Die steigende Präsenz von Umweltthemen bei Seilbahntagungen und in der Fachpresse ist ein deutliches Zeichen dafür, dass heute das Umweltbewusstsein in der Seilbahnbranche nicht nur ein Lippenbekenntnis der Geschäftsführer darstellt, sondern in vielen Fällen in der Unternehmensphilosophie der Seilbahnunternehmen fest verankert ist.
Josef Nejez
OITAF und Umwelt
Mit der Behandlung von Umweltthemen, die mit dem Seilbahnwesen zusammenhängen, ist in der OITAF ein eigener Studienausschuss betraut, der Studienausschuss VII: Umwelt. Als wichtige Aktion hat dieser Ausschuss im Februar 2008 eine Empfehlung zu Fragen des Umweltschutzes im Seilbahnbereich erarbeitet und in elf Anlagen Fachbeiträge zu folgenden Themen gesammelt:
- Hochlagenbegrünung,
- Technische Beschneiung und Pistenpräparation,
- Wasserhaushalt in Skigebieten am Beispiel Südtirol,
- Wildtiere,
- Lawinensicherungsmaßnahmen,
- Umweltverträglichkeitsprüfung,
- Umwelt-Auditing,
- Alpenkonvention,
- Klimaeinfluss,
- Freizeit- und Tourismusverkehr,
- Natura 2000.
Die OITAF-Empfehlung „Umweltschutz im Seilbahnbereich“ ist auf der OITAF-Website abrufbar. Der Studienausschuss VII ist bestrebt, die Sammlung der Fachbeiträge regelmäßig weiter zu behandeln und Zug um Zug zu aktualisieren.
UMWELTMANAGEMENT
Beiträge von Prof. Ulrike Pröbstl und Dr. Alexandra Jiricka
- ISR 6/2010: CO2-neutral Skifahren
- ISR 1/2011: Vorstellung der Jury des „pro natura – pro ski“ Award 2011
- ISR 2/2011: Die Preisträger des „pro natura – pro ski“ Award 2011
- ISR 3/2011: Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
- ISR 4/2011: Gletschergebiete im Wandel
- ISR 5/2011: Erneuerbare Energien in Wintersportdestinationen – gewünscht, akzeptiert oder abgelehnt?
- ISR 6/2011: Zukünftig „oben ohne“? (Gletschertagung in Salzburg)
- ISR 2/2012: Mitarbeiterbeteiligung beim Umweltaudit
- ISR 4/2012: Carbon Footprint Skilifte Lech
- ISR 5/2012: Sommer am Berg – mit oder ohne erneuerbare Energieträger?
- ISR 6/2012: Wo steht das Umweltmanagement in Skigebieten?
- ISR 1/2013: Pistenskitourengeher – eine neue touristische Zielgruppe?
- ISR 2/2013: Kommunikation von Umweltleistungen
- ISR 3/2013: Mountainbiking und Seilbahnen
- ISR 4/2013: Umwelt und Bergbahnen – wie geht es weiter?
- ISR 5/2013: Fachworkshop Umweltmanagement am Berg
- ISR 1/2014: Ökologische Bauaufsicht