Die im 12. Jahrhundert gegründete Gemeinde Pontresina auf einer Hangterrasse der Alpensüdseite in 1.800 m Meereshöhe ist ein historisch gewachsenes, vor dem im Engadin bekannten Malojawind gut geschütztes Bergdorf. Es ist der einzige Ort im Val Bernina, der über den gleichnamigen Pass das Engadin mit Puschlav (Poschiavo) verbindet. Das Gemeindegebiet ist von Berggipfeln mit über 3.500 m Höhe umgeben, einschließlich des einzigen Viertausenders der Ostalpen, des Piz Bernina (4.049 m).
Pontresina wurde bereits im Jahr 1908 mit der Strecke Samedan – Pontresina an das Netz der meterspurigen Rhätischen Bahn (RhB) angeschlossen. Die Eröffnung der höchstgelegenen alpenüberquerenden Adhäsionsbahn, der Berninastrecke der RhB zwei Jahre später, bedeutete für Pontresinas touristische Entwicklung einen Qualitätssprung. Die erste Bergbahn in Pontresina war die 1907 eröffnete Standseilbahn von Punk Muragl bei Pontresina auf Muottas-Muragl.
Im Winter Schlepplift, im Sommer Sessellift
Im Dezember 1945 wurden in Pontresina zwei Teilstrecken von sogenannten Kombiliften des Herstellers Sameli-Huber gebaut. Im Winter als Schlepplifte brachten diese Bahnen eine Belebung des Kurortes Pontresina als Wintersportplatz. Im Sommer wurden die Anlagen mit Einer-Sesseln versehen, wodurch das schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts ausgebaute Netz der Wanderwege oberhalb von Pontresina besser erreichbar gemacht wurde. Die Fahrgeschwindigkeit als Schlepplifte betrug 2,6 m/s (1. Teilstrecke), bzw. 2,15 m/s (2. Teilstrecke), als Sesselbahn fuhr die Bahn mit 1,25 m/s. Die erste Teilstrecke war nur 340 m lang und in einem Winkel von etwa 33º folgte der zweite, 892 m lange Kombilift in Richtung Alp Languard.
Eine Sesselbahn ersetzte beide Kombilifte
Anfangs der 1990er Jahre entstand ein Bedarf auf Ersatz der Kombilifte durch eine zeitgemäße Anlage. Um die Waldschneise für die neue Anlage zu nutzen und zusätzliche Waldrodungen zu vermeiden, zweigt die neue Doppelsesselbahn auf Höhe der ehemaligen Mittelstation nach rechts ab. Die neue Bergstation wurde im Vergleich mit der Bergstation des alten Kombiliftes weiter oberhalb auf der Alp Languard erstellt.
Für diese Trassenführung wurde das System einer fixen Doppelsesselbahn mit einer Parallelkurve mit BACO-Umlenkscheibe gewählt. Nach dem Roland Bachmanns Seilbahnbaufirma BACO AG aus Steffisburg seit 1978 mit der französischen Firma Poma eng zusammengearbeitet hat, wurde die Doppelsesselbahn mit der Poma-Sesselbahntechnik gebaut (Talstation der Type Alpha mit hydraulisch gespannter Antriebseinheit, Trassenbauwerke, Sessel und die Bergstation in Form einer fixen Umlenkscheibe).
BACO-Ablenkscheibe
Wegen der auf einem Förderseil seitlich auskragenden Seilklemme mit Gehängeachse und dem daran hängenden Fahrzeug ist bei üblichen Einseilumlaufbahnen die Befahrung einer Seilscheibe immer nur von einer Seite möglich. Wird zum Beispiel eine fixe Umlaufbahn betrachtet, die das bergwärts laufende Förderseil auf der rechten Seite hat und an einer Ablenkscheibe eine Linkskurve macht, tritt jetzt allerdings das Problem auf, dass das talwärts laufende Seil bei einer parallelen Seilführung immer in Fahrtrichtung betrachtet eine Rechtskurve an der zugehörigen Ablenkscheibe machen muss. Dabei stehen aber die Seilklemme und das Gehänge im Weg.
Dieses Problem wurde Ende der 1960er Jahre mit der Entwicklung der BACO-Ablenkscheibe des bei der BACO AG arbeitenden Konstrukteurs Max Maurer gelöst. Bei dieser Scheibe wird die Seilauflage nicht wie üblich durch eine Scheibe mit Seilauflagerille, sondern durch eine Vielzahl einzelner Seilauflageklötze gebildet. Die Seilauflageklötze sind in vertikaler Richtung verschiebbar und gegen das Herausfallen nach unten gesichert. Nach oben ist die Verschiebbarkeit durch die Abdeckung der Scheibe begrenzt, die auch die ganze Konstruktion gegen Witterungseinflüsse schützt (s. Abb.).
Die Förderseilklemmen müssen für dieses System mit einer sogenannten Abweishaube in Form eines „Daches“ ausgestattet werden (s. Abb.). Beim Einlauf der Klemme auf die BACO-Ablenkscheibe öffnet sich mittels der Abweishaube eine Lücke in der Reihe der Seilauflageklötze, die so breit ist, dass die Abweishaube und somit auch die Klemme und das Gehänge genug Platz haben, um die Ablenkung vollziehen zu können (s. Abb.). Die Seilauflageklötze werden nahezu ohne jeglichen Kraftaufwand vertikal verdrängt, weil sie in dieser Zone vom Förderseil nicht belastet sind. Bei der Sesselbahn Alp Languard verfügt die BACO-Ablenkscheibe über 90 Seilauflageklötze, bei der Durchfahrt eines Sessels werden immer drei dieser Klötze hochgehoben. Das Förderseil stützt sich auf den Seilauflageklötzen beidseitig der gebildeten Lücke ab. Nach der Durchfahrt der Klemme fallen die Seilauflageklötze durch ihr Eigengewicht von selbst in ihre Ausgangsposition zurück bzw. werden sie bei einer eventuellen Eisbildung oder einem anderem Hindernis von einer eingebauten Kulisse in ihre Ursprungslage gedrängt. Dadurch wird dafür gesorgt, dass sich die Klötze nicht in der oberen Lage verhängen, was zu einer Seilentgleisung führen könnte.
Nachteile verursachten geringe Verbreitung
Auch wenn Bahnen mit einer BACO-Ablenkscheibe jahrelang in Betrieb standen, hat dieses Kurvensystem auch seine Nachteile, die eine Verbreitung dieses Systems verhinderten. Der hohe Verschleiß der Seilauflageklötze aus Plastik verursacht erhöhte Betriebs- und Wartungskosten. Die horizontale, durch das Umfahren der Scheiben mit besetzten Sesseln entstandene Fliehkraft verursacht Torsionsbeanspruchung der Sessel, die durch die Konstruktion des Gehänges und durch ein elastisches Band auf der Ablenkstütze nur zum Teil gedämpft werden kann. Um diese Beanspruchung in Grenzen zu halten, ist die Fahrgeschwindigkeit kleiner als bei klassischen fixen Sesselbahnen.
Die BACO-Ablenkscheibe wurde anfangs bei Schleppliften gebaut, später wurde diese Lösung auch bei einigen wenigen Sesselbahnen verwendet. In der Schweiz war es neben der Doppelsesselbahn Alp Languard noch die Doppelsesselbahn Schönried – Rellerligrat (in Betrieb 1971 – 1981), in Deutschland die Kreuzjochbahn in Garmisch-Partenkirchen (1977 – 2009) und in Österreich die Seetalbahn in Spittal an der Drau (1981 – 2011), um die bekanntesten Bahnen dieser Art zu nennen. Die letztgenannte Bahn hatte sogar zwei Kurven und dementsprechend auch zwei BACO-Ablenkscheiben.
Touristische Bedeutung
Seit der Erstellung der Kombilifte in Pontresina im Jahr 1945 ist der Panoramaweg Muottas Muragl zwischen den Bergstationen der Standseilbahn Muottas Muragl und der Sesselbahn Alp Languard ein Begriff geworden. Bei einer 7 km langen und etwa 2,5 Stunden dauernden gemütlichen Wanderung mit 290 Höhenmetern Abstieg und 160 m Aufstieg öffnet sich der Blick auf die verschneiten Gipfel der Berninagruppe. Eine schöne Pausengelegenheit bietet das urige Restaurant Munt da la Bês-cha, bevor der Höhenweg wieder aufwärts Richtung Bergstation Alp Languard verläuft. Natürlich gibt es für die Benützung beider Bahnen ein „Rundwander-Billet“.
An den Flanken des Piz Languard lebt die mit 1.800 Tieren größte Steinbockkolonie der Schweiz, die es besonders im Frühling in Dorfnähe zieht. Zu dieser Zeit erhöht sich die Chance zur Beobachtung dieses Wappentiers von Graubünden wesentlich.
Auch nach der Eröffnung der Doppelsesselbahn blieb die erste kurze Teilstrecke des Kombiliftes als Schlepplift San Spiert – Clüx weiterhin in Betrieb. Im Jahr 2012 kam es zum Ersatz durch ein Schlepplift von Bartholet. Die Sesselbahn ist hingegen seit einigen Jahren nur im Sommer in Betrieb.
Diskutierte Anlagenerneuerung
Obwohl die Betriebsbewilligung für die Sesselbahn Alp Languard bis 2035 gilt, wurde bei der Aktionärsversammlung im Jahr 2021 der Alp Languard AG beschlossen, sich schon jetzt mit der Erneuerung der Bahn zu befassen. Der Gemeindevorstand sprach sich gegen eine Sanierung der bestehenden Sesselbahn und für einen Anlagen-Neubau aus. Ausschlaggebend dafür ist unter anderem der Umstand, dass die Bahn mit ihrer Kurve eine erhebliche technische Schwachstelle mit Gefahrenpotenzial hat. An der Achse der Umlenkscheibe sind bereits zweimal massive Schäden aufgetreten, mit Betriebsunterbrechungen als Folge. Auch die Betriebs- und Wartungskosten der inzwischen europaweit einzigen Seilbahn mit BACO-Ablenkscheibe sind hoch. Die Alp Languard AG gibt nun eine Varianten- und Machbarkeitsstudie für einen Bahn-Neubau in Auftrag. Eine gerade Trasse als Verbindung beider jetzigen Sesselbahnstationen kommt jedenfalls kaum in Frage, weil da neben zusätzlichen Waldrodungen auch die Begräbniskirche mit Friedhof St. Maria aus dem 11. Jahrhundert im Wege stehen.