Anlass dieser Entscheidung war die Kollision eines Skifahrers mit einem Stahlseil eines Pistengerätes. Bei der Bergstation des Skigebietes befand sich ein neben der allgemeinen Orientierungstafel ein zusätzliches gelbes Schild mit folgender Aufschrift:
Warnhinweis
"ACHTUNG - Schipisten täglich ab 17:00 Uhr bis 08:30 Uhr außer Betrieb! Während dieser Zeit keine Gefahrensicherung! Verletzungsgefahr: Durch Pistenbearbeitung - Spurrinnen, Windenseile, freiliegende Kabel und Schläuche der Schneekanonen".
Der Skifahrer fuhr gegen 16:00 Uhr in einer Entfernung von ca. 50 m an diesem Schild vorbei zu einer Skihütte. Es war der Seilbahn bekannt, dass bei schönem Wetter nach Betriebsschluss Gäste erst später abfahren. Zwischen 16:15 Uhr und 16:30 Uhr wurde - wie üblich - den bei dieser Hütte befindlichen Gästen mitgeteilt, dass sie beim Abfahren auf Windengeräte achten sollen. Der Verletzte hat diese Durchsagen nicht gehört, er wusste aber, dass die Lifte bereits außer Betrieb sind. Er verließ die Hütte gegen 18:00 Uhr, wobei nicht feststellbar ist, ob er das oben genannte Warnschild lesen hätte können.
Ca. um 18:10 Uhr kollidierte er bei der Abfahrt mit einem Stahlseil, das vom Pistenboden eines Skiwegrands bis zu einer Höhe von etwa 50 cm quer über den Weg gespannt war. An diesem Seil hing - in einer Entfernung von ca. 150 m - ein Pistengerät. Dessen Drehleuchte war eingeschalten, nicht aber das akustische Signal. Der Skifahrer hätte das Seil aus mindestens 30 m Entfernung wahrnehmen können, bei der von ihm eingehaltenen eher langsamen Geschwindigkeit hätte die Wahrnehmung des Seils aus 8 bis 13 m genügt, um den Unfall zu vermeiden.
Atypische Gefahr
Bei der Frage, welche Gefahren auch außerhalb der Betriebszeit atypisch sind, ist zwischen natürlichen und künstlichen Gefahrenquellen zu unterscheiden: Natürliche Gefahrenstellen sind nach Pistenschluss nur in Ausnahmefällen abzusichern, künstliche dann, wenn ihre Gefährlichkeit über das übliche Maß hinausgeht. Dies insbesondere dann, wenn diese Hindernisse für einen mit besonderer Vorsicht fahrenden Wintersportler nur schwer erkennbar sind.
Das Gericht sprach dem verletzten Skifahrer 50% der geltend gemachten Ansprüche zu. Es war der Ansicht, dass ein quer über eine Skipiste gespanntes Stahlseil auch nach dem Ende des Pistenbetriebs als atypisches Hindernis zu qualifizieren ist, das wegen seiner besonderen Gefährlichkeit abgesichert werden muss. Dies auch dann, wenn es bereits aus einer größeren Entfernung – hier 30 m – erkennbar war. Nach der Ansicht des Gerichts muss der durchschnittliche Wintersportler nicht mit einem nicht abgesicherten, in geringer Höhe gespannten Stahlseil rechnen. Angesichts der extremen Gefahr, die damit verbunden ist, ist der Pistenerhalter verpflichtet – so das Gericht -, die Einfahrten und Zugänge zum Gefahrenbereich abzusperren.
Mitverschulden
Auf der anderen Seite muss der Wintersportler bei der Abfahrt nach Pistenschluss eine besondere Vorsicht einhalten: Er muss nicht nur damit rechnen, dass keine Schutzmaßnahmen gegen natürliche Hindernisse gesetzt werden, er muss auch mit Arbeiten auf der Piste rechnen, die nur um diese Zeit ausgeführt werden können. Da der Skifahrer erst lange nach Pistenschluss ins Tal fuhr, war er zu besonderer Vorsicht verpflichtet, weiters hätte er das Stahlseil aus mindestens 30 m Entfernung sehen und darauf reagieren können. Auf Grund dieser Umstände lastete ihm das Gericht ein Mitverschulden von 50% an.
Wegehalterhaftung
Der Zuspruch erfolgte in diesem Fall nicht auf Grund eines Verstoßes gegen die Pistensicherungspflicht, sondern wegen der auch nach Ende des Pistenbetriebs einzuhaltenden Pflicht als „Wegehalter“: Der Halter eines Weges, einer Piste etc. haftet für Schäden der Benutzer, wenn ihm eine grobes Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann. Dieser Grundsatz besteht – soweit überblickbar - im gesamten zentraleuropäischen Raum, so dass auch die Seilbahnen in den anderen Alpenstaaten auf diesen besonderen Sorgfaltsmaßstab hinzuweisen sind.
(erschienen in ISR 2/09, Christoph Haidlen)