In den letzten Jahren sind mehrmals Fahrgäste aus Sesseln von Seilbahnen abgestürzt, weil sie den Schließbügel des Sessels zu früh vor dem Ausstieg geöffnet haben. Interne Untersuchungen von Maßnahmen zur Vermeidung dieser Gefährdung führten zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Nach Beratungen zwischen dem BMVIT und dem Fachverband für Seilbahn wurde beschlossen, ein Fachinstitut über Unfallforschung bei Verkehrssystem mit der Ausarbeitung von Lösungen zu beauftragen.
Die Auswahl fiel auf das „Epigus – Institut für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung“ mit dem Leiter Prof. Dr. DI Pfleger, der mit seinen Erfolgen in der Blickverhaltensforschung Aufmerksamkeit erregt hatte. Ausgangspunkt der Studie war die methodische Beobachtung des Fahrgastverhaltens vor dem Ausstieg von Sesselbahnen unterschiedlichster Anlageverhältnisse. Die statistische Auswertung ergab Abhängigkeiten zwischen Öffnungsbeginn des Schließbügels und den Anlageverhältnissen, insbesonderevon der Ausführung des Annäherungsbereiches und von der Art des Überganges zwischen Gelände und Station. Jedoch wurde der Schließbügel bei allen Anlagen tendenziell zu früh vor dem Ausstieg geöffnet.
Im nächsten Schritt wurden die Auswirkungen von Einrichtungen zur Verringerung von Absturzfolgen auf das Fahrgastverhalten untersucht, indem bei einer Seilbahn vor dem Ausstieg versuchsweise Schutznetze unterschiedlicher Länge angebracht wurden. Es wurde festgestellt, dass ein kurzes Schutznetz das Fahrgastverhalten kaum veränderte und ein langes Schutznetz die Fahrgäste veranlasste, den Schließbügel früher und oftmals auch vor dem Erreichen des Schutznetzes zu öffnen. Aufgrund dieser Versuchsergebnisse wurde in der Studie das Schutznetz als Lösungsmöglichkeit ausgeschlossen. Die weiteren Versuche konzentrierten sich auf Möglichkeiten, durch visuelle Einrichtungen die Fahrgäste von einem vorzeitigen Öffnen des Schließbügels abzuhalten.
Nach Untersuchung mehrerer Varianten wurde ein Maßnahmenpaket gefunden, bei dem eine deutliche Verlagerung des durchschnittlichen Öffnungsbeginnes der Schließbügel zum Ausstieg hin festgestellt werden konnte. Nachdem Erprobungen dieses Maßnahmenpaketes an weiteren Seilbahnen mit unterschiedlichsten Anlageverhältnissen mit dem Erstversuch vergleichbare Ergebnisse ergaben, wurde es im Abschlussbericht der Studie zur Ausführung empfohlen.
Nach weiteren Untersuchungen zur Optimierung des Maßnahmenpakets hat das BMVIT im Dezember 2007 mittels Erlass angeordnet, dieses Maßnahmenpaket auf allen Seilbahnen mit Sesseln bis Beginn der Wintersaison 2008/2009 umzusetzen. Der Inhalt des LED-Erlasses 2007 wird so manchem Leser der ISR bereits bekannt sein. Für jene, die ihn noch nicht kennen, insbesondere für die Leser aus dem Ausland, werden die Schwerpunkte des Erlasses im Folgenden wiedergegeben.
1. Prinzipieller Aufbau des Maßnahmenpaketes
Zum Signalisieren jenes Bereiches vor dem Aussteigebereich, in dem der Schließbügel geschlossen zu halten ist, bzw. jenes Bereiches, in dem dieser geöffnet werden soll, ist die Anbringung zweier Leuchtschilder "ZU/CLOSE" und eines Leuchtbalkens "Rot/Grün" vorgesehen (Siehe Abb. 1; vor dem Aussteigebereich ist das Rot des Leuchtbalkens zu erkennen). Bei bestimmten Anlageverhältnissen kann das erste Leuchtschild durch ein (nicht leuchtendes) Hinweisschild „Bügel ZU“ mit gleicher Symbolik ersetzt werden.
Leuchtschild und Hinweisschild
Die Symbolik auf den Schildern soll mittels eines roten Schließbügels und eines nach unten deutenden roten Pfeiles die Fahrgäste auffordern, den Schließbügel bei Rot noch geschlossen zu halten.
Beim Leuchtschild wird diese Aufforderung noch durch die abwechselnd aufblinkenden Wörter „ZU“ und „CLOSE“ unterstützt. Fahrgäste erreicht werden. Die Leuchtwirkung der Schilder wird durch Nachbildung der Symbole mit hell leuchtenden LEDs erzielt. Der Erlass enthält Anforderungen an die physikalischen Eigenschaften der Schilder und die optische Qualität und die Abstrahlwinkel der LEDs, wobei zur Festlegung der optischen Eigenschaften eine Norm für LED-Verkehrszeichen im Straßenverkehr herangezogen wurde.
Leuchtbalken
Der Leuchtbalken hat die Aufgabe, den Fahrgästen den Öffnungsbereich für die Schließbügel zu signalisieren. Der Leuchtbalken zeigt den Fahrgästen vor Erreichen des Öffnungsbereiches analog zur Farbsymbolik der Schilder rotes Licht und nach Erreichen des Öffnungsbereiches grünes Licht. Die LEDs des Leuchtbalkens leuchten permanent. Durch unterschiedliche Einbaulagen der roten und grünen LEDs und Beschränkung ihrer Abstrahlwinkel wird erreicht, dass die beiden Farben nur von unterschiedlichen Bereichen aussichtbar sind. Der Leuchtbalken wird so angeordnet und ausgerichtet. Der Öffnungsbereich für die Schließbügel und dessen Signalisierung ist im Erlass detailliert geregelt.
Sonstige Bestimmungen des Erlasses
Für Seilbahnen mit eingeschränktem Fahrgastbetrieb (Seilbahnen mit beschränkt öffentlichem Verkehr und Materialseilbahnen mit Werksverkehr)sind Erleichterungen möglich. Bei Seilbahnen mit Schließbügeln, die während der Fahrt von den Fahrgästen nicht geöffnet werden können, sowie bei Ausstiegen auf der Talfahrseite ist das Maßnahmenpaket nicht anzuwenden.
Bei ordnungsgemäßer Umsetzung des Maßnahmenpaketes sind Abweichungen von den europäischen Spezifikationen hinsichtlich des Bodenabstandes in der Annäherungszone zulässig. Weiters entfällt das in den europäischen Spezifikationen verlangte Schild „Bügel öffnen“.
Erste Erfahrungen
Da die Einführung des Maßnahmenpaketes nur kurze Zeit zurückliegt, kann erst auf wenige Erfahrungsberichte zurückgegriffen werden. Die Tendenz scheint erkennbar, dass die installierten Einrichtungen die Fahrgäste zu einem späteren Öffnen des Schließbügels veranlassen. Jedoch dürfte die Bedeutung der Einrichtungen, vor allem des Leuchtbalkens, für viele Fahrgäste ohne Erläuterungen schwer verständlich sein. In einzelnen Fällen erfolgt möglicherweise die Signalisierung des Öffnungsbereiches für den Schließbügel zu spät oder nicht eindeutig genug. Die weiteren Erfahrungen werden abzuwarten sein.
Dipl.-Ing. Alfred WößAbteilung SCH3 – Oberste Seilbahnbehörde