In einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Zur Zukunft und Wahrnehmung des Tourismus: Zwischen Konsumlust und Nonstop-Kritik – wohin führt ein verantwortungsvoller Weg?“ haben Branchenexperten das nicht immer spannungsfreie Verhältnis zwischen Tourismusbranche, Medien und urbanen Bevölkerungsschichten erörtert.
Tourismusakzeptanz nach wie vor hoch
Wie Karin Seiler von der Tirol Werbung gleich zu Beginn der Diskussionsrunde vor internationalen und österreichischen Journalisten feststellte, habe es der Tourismus gegenüber den Medien „schon einmal einfacher gehabt“. Seit 2020 werde in Österreich die Tourismusakzeptanz gemessen – und diese sei in der Bevölkerung nach wie vor sehr hoch: Positiv mit dem Tourismus in Verbindung gebracht würden dabei vor allem die Themen „Arbeitsplätze“ und „Wertschöpfung“. Kritisiert wird der Tourismus besonders im Hinblick auf die Bereiche „Umwelt“ und „Verkehrsaufkommen“. Wobei beispielsweise in Tirol ein Drittel des Freizeitverkehrs von Einheimischen kommt – etwa, wenn diese zum Skifahren oder Wandern fahren. Generell plädierten mehrere Diskussionsteilnehmer für einen Paradigmenwechsel hin zu mehr „sozialer Nachhaltigkeit“: Tourismus müsse demnach nicht nur für die Gäste da sein, sondern auch qualitätsvolle Lebensräume für Einheimische bieten. „Praktisch jeder von uns reist gerne, aber niemand fragt dabei, wie es den Einheimischen geht“, so Karin Seiler.
Seilbahn-Infrastruktur als „Selbstverständlichkeit“
Der Tiroler Tourismuslandesrat Mario Gerber plädierte dafür, einen „ehrlichen Dialog mit der Bevölkerung zu führen“, Informationen zur Verfügung zu stellen und in diesem Zusammenhang auch die Seilbahnwirtschaft und die Tourismus-Kritiker zusammenzubringen. Für Tirol sei der Tourismus „alternativlos“, so Gerber. Man müsse aktiv auf Einheimische zugehen und kommunizieren, welche Vorteile sie durch das Vorhandensein von touristischer Infrastruktur hätten – von Seilbahnen über Mountainbike-Strecken bis zu Festivals und Konzerten. Das Vorhandensein von Seilbahnen werde in Tirol immer häufiger als „Selbstverständlichkeit“ betrachtet. Seilbahnen – inklusive vergünstigte Tickets für Einheimische – gebe es aber nur, weil ihr Betrieb zum überwiegenden Teil von Touristen finanziert wird“, erklärte der Tiroler Tourismus-Landesrat.
Mit Zahlen und Fakten gegen Emotionen?
Wie Ulrike Rauch-Keschmann, Chefin der Sektion „Tourismus“ im Wirtschaftsministerium, vor den versammelten Journalisten erklärte, benötige man für eine halbe Stunde Jetski-fahren am Meer dieselbe Energiemenge, wie für sieben Tage Skifahren. Für einen Flug von Wien nach Palma de Mallorca werde dieselbe Menge an Energie verbraucht, wie für einen Monat auf der Skipiste. Rauch-Kerschmann plädierte in diesem Zusammenhang für mehr belastbare Zahlen und Fakten, um den Emotionen von „tourismuskritischen“ Menschen zu begegnen.
Dagegen zeigte sich unter anderem Karin Seiler von der Tirol Werbung skeptisch, dass alleine Zahlen und Fakten reichen, um den tourismuskritischen Bildern in sozialen Medien etwas entgegenzuhalten. „Die Auseinandersetzung mit einer kritischen Öffentlichkeit gehört mittlerweile zur ‚Job Description‘ von Touristikern“, so Norbert Kettner, Geschäftsführer von WienTourismus.
Zunehmend Frage nach dem Sinn von Tourismus
Wie der Tourismusforscher Harald Pechlaner von der Universität Eichstätt/Ingolstadt ausführte, würden junge Menschen in Zusammenhang mit Tourismus häufig die Sinnfrage stellen. Also beispielsweise: „Wozu organisiert ihr Ski-Weltcup-Rennen überhaupt?“. Alte Narrative, also Erzählungen, über den Tourismus würden immer weniger funktionieren. „Man muss den jungen Menschen heute etwas anderes erzählen“, so Pechlaner. Die Touristiker sollen sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, welche Rolle der Tourismus in den kommenden Jahren spielen soll bzw. kann. Dabei müsse man wegkommen von der Idee eines wirtschaftlich bestimmten Wohlstands hin zu einem gesellschaftlich bestimmten Wohlstand, plädierte der Tourismusforscher.
Erwartungen an neue Seilbahn-Gesellschaft in Lech
Wie berichtet, haben sich im Sommer 2023 die beiden vormals größten Seilbahnunternehmen in Lech, die Skilifte Lech Ing. Bildstein GmbH und die Rüfikopf Seilbahn AG, zur Lech Bergbahnen AG (LBB) zusammengeschlossen. Hermann Fercher, Direktor von Lech-Zürs Tourismus, erwartet sich von der neuen Seilbahngesellschaft ein besseres operatives Handeln, schnellere Entscheidungen bei gemeinsamen Angeboten und Aktionen sowie einen stärkeren Fokus auf den Bereich Marketing. Die neue Seilbahngesellschaft sei eine wesentliche Grundlage für eine zukunftsorientierte Destinationsentwicklung, so Hermann Fercher am Rande des 15. Mediengipfels.