Ragnatsch – Palfries
Als in den Schweizer Nachbarländern Mussolini (1926) und Hitler (1933) die Macht übernommen hatten und Frankreich seine Grenzen mit neuen Festungsanlagen schützte, wurde nach Saint-Maurice und St. Gotthard ein Ausbau der Festung Sargans als dritte Landesfestung zum Thema. Die Hochebene Palfries ist Teil der Festung Sargans, die ab 1938 und vor allem während des Zweiten Weltkrieges zur Sicherung des Rheintals errichtet wurde. Zur Versorgung der dort stationierten Truppen wurde im Jahr 1941 von Ragnatsch (Gemeinde Mels) eine Pendelbahn gebaut. Wie viele militärische Seilbahnen der Schweiz wurde auch diese Bahn von der Firma Oehler in Aarau hergestellt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Interesse an der Aufrechterhaltung des Betriebes der Seilbahn für Privatpersonen. Da die Verhandlungen mit den lokalen Interessenten schließlich erfolglos waren, wurde die Bahn am 1. Februar 1947 an die Festungswacht-Kompanie 13 übergeben, die die öffentliche Beförderung „bis auf weiteres“ einstellte; „bis auf weiteres“ dauerte letztendlich fast 70 Jahre. Die Bahn stand aber auch weiterhin in Betrieb, da das Gebiet in den kommenden Jahrzehnten als Übungsplatz für militärische Schulen genutzt wurde. Dank dieser militärischen Nutzung blieb die Seilbahn Palfries in einem guten technischen Zustand. Im Jahr 1980 modernisierte die Firma Garaventa die Bahn. Dabei wurden zwei neue Laufwerke und Gehänge geliefert, die je mit einer zehnplätzigen Kabine der Firma Gangloff bestückt wurden. Der Umbau umfasste auch die Auswechslung aller Rollenbatterien und der gesamten Antriebsgruppe (Motor, Getriebe und Bremsen) in der Talstation.
Mit der Abwandlung der internationalen Militärdoktrin in den frühen 1990er-Jahren kam es auch in der Schweiz zu einem Strategiewechsel. Nachfolgend wurde das Gebiet der Alp Palfries als für Infanterieübungen ungeeignet eingestuft und der Militärbetrieb der Bahn im Jahr 1998 eingestellt. Im Gegensatz zu anderen Militärseilbahnen stellte sich die Frage der Liquidation der Seilbahn Palfries nicht. Die Armee fand einen Abnehmer für die Bahn – die Genossenschaft Seilbahn Palfries, die mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, die Seilbahn für zivile, touristische Zwecke wieder in Betrieb zu nehmen. Es dauerte immerhin noch 17 Jahre, bis zahlreiche Hürden überwunden und verschiedene Änderungen gemäß den Angaben des IKSS (Interkantonales Konkordat für Seilbahnen und Skilifte) umgesetzt werden konnten. Nur dank hartnäckiger Beharrlichkeit einheimischer Idealisten und des Seilbahnexperten Dipl.-Ing ETH Reto Canale konnte die Palfriesbahn am 4. November 2015 die kantonale Bewilligung für den Betrieb erhalten und am 28. Mai 2016 den fahrplanmäßigen Betrieb für die Öffentlichkeit aufnehmen. Die Wiedergeburt der Bahn war nur mit unzähligen unbezahlt geleisteten Arbeitsstunden von Dutzenden Enthusiasten möglich. Um den Bahnbetrieb und die Wartung kümmert sich heute ein Team von 70 Mitgliedern der Genossenschaft Seilbahn Palfries, die nach wie vor ihre Arbeit in der eigenen Freizeit und ohne Anspruch auf ein Gehalt ausüben.
Die Talstation in Ragnatsch in der Ebene des Seeztals ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Es handelt sich um einen in Tarnfarbe bemalten Betonbau. Auch die Bergstation ist ein Betonbaukörper mit Flachdach, der bergseitig in den Hang hineingebaut ist. Beide Tragseile sind in der Talstation mittels Muffen mit Spannseilen verbunden und gewichtgespannt, während sich das Spannsystem für das Zugseil in der Bergstation befindet. Das Spanngewicht ist in einem Turm vor der Bergstation untergebracht. Die Streckenlänge von über 3 km wird mit Hilfe von neun Fachwerkstützen mit beweglichen Tragseilschuhen bewältigt. Im Jahr 2019 erfolgte ein Umbau der Steuerung durch die Firma Frey AG Stans. Die Stromversorgung der Steuerung in der Bergstation erfolgt mittels Solarzellen und Batterie.
Die Bahn erschließt ein einzigartiges Naherholungsgebiet mit vielen Wanderwegen und mit einem gemütlichen Berggasthaus. Trotz der geringen Förderleistung der Bahn werden jährlich an die 16.000 Beförderungen verzeichnet. Eine Voranmeldung ist vor allem bei Schönwetter obligatorisch. Die Seilbahn Palfries verwendet als Fahrkarten eigene klassische Edmondsons-Kartontickets, die von vielen Besuchern als kleines Souvenir von der Bahnfahrt mitgenommen werden. Für manche Besucher ruft heute die Fahrt mit dieser Seilbahn ihre Erinnerungen an die Zeiten ihres Militärdienstes wach.