Schwierigkeiten im Baugenehmigungsverfahren
Rechtzeitig vor der Erstellung des Bauentwurfs trat die Fa. Doppelmayr an mich heran, um vorweg zwei Problemkreise zu diskutieren, dafür Lösungen zu finden und sie in die Planung einfließen zu lassen. Es waren dies das gesamte System des Halteseils sowie die mit der variablen Position der Gletscherstützen zusammenhängenden Probleme mit der Längenschnittsberechnung.
Das Halteseil
An sich war das System von Gletscherstützen mit Halteseil nicht neu. Außer beim Einsessellift Gefrorene Wand III gab es bereits zahlreiche Schlepplifte mit ganzen Reihen von Gletscherstützen mit Halteseilen. Dazu heißt es beispielsweise in einem Artikel über neue Doppelmayr-Gletscherschleplifte in ISR 5/1977 im Abschnitt Die Technik der schwimmenden Stützen:
Verwendet werden 9 m hohe Gitterportalstützen. Die Streben sind kardanisch mit speziellen Sockeln verbunden, die nur auf dem gepressten Schnee stehen. Mit einem von der Tal- zur Bergstation durchlaufenden Halteseil werden die „schwimmenden“ Stützen miteinander verbunden. Die Verbindung am Stützenjoch erfolgt mit einer Art „Rutschkupplung“, die bei Überlastung der Verbindung nachgibt. Das Halteseil ist an der Bergstation fix verankert, wobei zusätzlich ein Dynamometer mit einem elektrischen Überwachungskontakt zur Kontrolle der Seilspannkraft eingebaut ist. In der Talstation ist das Halteseil mit einem Spanngewicht verbunden. Die Antriebs- und Umlenkstationen sind meist auf Fels gebaut und mit Felsankern befestigt.
Nun, für die Gletscherstützen einer Doppelsesselbahn war die Verbindung des Stützenjochs mit dem Halteseil in Form einer „Art Rutschkupplung, die bei Überlastung der Verbindung nachgibt“, wohl keine adäquate Konstruktion. Aber nicht nur dieses Detail, sondern eine Reihe von grundsätzlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Halteseil waren zu lösen.
Da war einmal die Frage, ob ein Seil in Bahnachse oder zwei Seile jeweils an den Enden der Stützenjoche geführt werden sollten. Der Einsessellift Gefrorene Wand III hatte zwei solcher außenliegenden Halteseile; ich bestand jedoch darauf, die Konstruktion mit nur einem Seil zu wählen, weil dadurch für die Gletscher-Portalstütze eine Dreipunktlagerung – die beiden Stützenfüße unten und die Halteseilklemme oben – entsteht, also ein statisch bestimmtes System. Bei zwei Halteseilen bilden die Stützenfüße und die beiden Halteseilklemmen eine Vierpunktlagerung, ein statisch unbestimmtes System: Jede einzelne Verschiebung eines der Auflagepunkte in Längsrichtung ergibt eine Torsionsbeanspruchung der Portalstütze und Änderung der Seilspannkräfte in den Halteseilen, deren Ausmaße kaum kalkulierbar sind. Dem Vernehmen nach gab es beim Einsessellift damit keine Probleme, aber mir war eine statisch „saubere“ Lösung lieber.
Die nächste Frage war die nach der Art des Seils, die als Halteseil verwendet werden sollte. Da kam mir die brandneue 3. Auflage der Bedingnisse betreffend die Herstellung und Verwendung von Stahldrahtseilen für Seilförderanlagen mit Personenbeförderung, bekannt unter der Kurzbezeichnung DSB 80, zupass, in der sich im Abschnitt über den Geltungsbereich der Vorschrift folgende Bestimmung findet:
31.13 …; für Halteseile gelten die Bestimmungen für Tragseile sinngemäß.
Damit hatte ich, was ich benötigte: eine damals gültige Vorschrift für die auszuwählende Seilart, für die Bemessung des Seils und der damit im Zusammenhang stehenden Anlageteile. Als Halteseil für die Doppelsesselbahn Gefrorene Wand IIIa wurde ein vollverschlossenes Spiralseil (Abb. 4) gewählt, das von der Bergstation mittels drehbar gelagerter, geschlossener Seilschuhe (Abb. 5) über die Joche der fixen T-Stützen zur Talstation geführt wurde.