Perspektiven und Herausforderungen für Seilbahnverantwortliche im Alpenraum aus unterschiedlicher Sichtweise zu diskutieren war das Ziel des Symposiums „Trends und Herausforderungen im Umweltmanagement in Berggebieten – 2014 plus“. Unter der Leitung des Vorsitzenden Hans Brunhart lud die Stiftung „pro natura – pro ski“ am 24. September 2013 Vertreter der Seilbahnbranche, der Wissenschaft sowie Journalisten zu dieser Veranstaltung auf die Insel Mainau (Bodensee) ein. Für thematischen Input sorgten drei Impulsreferate zu den Bereichen „Angebots- und Nachfragetrends im Tourismus“ (Christian Laesser, Universität St.Gallen), „Die Rolle der Bergbahnen in der Destinationsentwicklung“ (Roger Walser, HTW Chur) und „Zukünftige ökologische Herausforderungen in Wintersportgebieten“ (Bruno Abegg, Universität Innsbruck).
Zum Auftakt präsentierte Prof. Dr. Christian Laesser (Universität St. Gallen, Präsident AIEST) Angebots- und Nachfragetrends im Tourismus und skizzierte die sich wandelnden „Ansprüche des Kunden im alpinen Wintersport“. Im Vordergrund standen dabei zunächst die Ausdifferenzierung des Marktes, die zunehmende Bedeutung des Hochpreissegments sowie die Beachtung neuer internationaler Märkte für die Schweiz.
Seiner Ansicht nach können Umweltleistungen und nachhaltige Angebote in alpinen Wintersportdestinationen nur verpackt in einer „gut erzählten Geschichte“ bzw. angereichert mit lifestyle-gerechten Erlebnissen vermarktet werden.
Defizitär sei in Europa – im Vergleich zu nordamerikanischen Skigebieten – auch die gezielte Berücksichtigung der Anreise im Gesamtpaket. In den USA sind Kooperationen zwischen diversen Servicedienstleistern üblich, die es dem Gast erlauben, trotz langer Anreise und umfangreichen Gepäcks unkompliziert an sein Ziel zu gelangen (Stichwort „total convenience“). Hier sind auch Ansatzpunkte für neue umwelt- und klimagerechte Angebote vorhanden.
Um Spitzenprodukte anzubieten, wie dies die Schweiz anstrebe, müsse, so Prof. Laesser, auch die Beschränkung von Zutritten zum Skigebiet in Betracht gezogen werden. Diese Möglichkeit erlaubt es, ökonomischen Nutzen mit ökologischen Anliegen zu verbinden und die Qualität und Exklusivität des Angebotes herauszustellen.
Für einzelne Gebiete kann diese Strategie in einem Mehrwert für jene Gäste resultieren, die nur an wenigen Tagen im Jahr ins Gebiet kommen und bereit sind, höhere Preise für mehr persönlichen Komfort zu bezahlen. Christian Laesser regte in diesem Zusammenhang an, sich seine Gästezusammensetzung genau anzusehen. Dies nicht nur in Hinblick auf die Generierung eines Prestigefaktors (wie er durch die Zutrittsbeschränkungen entstehen kann) sondern auch in Hinblick auf zukünftige Investitionsentscheidungen und wichtige strategische Überlegungen wie den Zusammenschluss von Skigebieten. Die Nachfrage der Gäste nach zusätzlichen Pistenkilometern gilt es im Kontext der Aufenthaltsdauer sowie des skifahrerischen Könnens der jeweiligen Zielgruppe zu hinterfragen.
Die anschließende Diskussion zeigte, dass die Zweiteilung des Marktes in zentral-europäische Kunden und internationale Kunden sich auf die Wahrnehmung und die Marketingmöglichkeiten von Umweltmanagementmaßnahmen auswirkt. Die nationalen und europäischen Kunden, die vielfach das Berggebiet auch im Sommer kennen, reagieren sensibel auf naturräumliche und landschaftliche Veränderungen. Bei den neuen internationalen Gästen (z. B. dem chinesischen Markt) ist die Relevanz von umweltfreundlichen Wintersportdestinationen vermutlich eingeschränkt. Dies liegt vor allem an der kurzen Aufenthaltsdauer, der Wahrnehmung der Gebiete nur im Winter sowie dem kulturellen Hintergrund dieser Gäste. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Austauschbarkeit von Skigebieten. Kontrovers wurde die Bedeutung der bisherigen klassischen Zielgruppen wie die Familien diskutiert. Herr Lauterwasser vom Deutschen Skiverband erinnerte an die große Bedeutung des einheimischen Ski-Nachwuchses für die Destinationen in der Zukunft, der trotz der Internationalisierung nicht vernachlässigt werden dürfe. Prof. Laesser regte demgegenüber eine Spezialisierung auf eine ganz konkrete, enger gefasste Zielgruppe an, wie etwa Eltern mit Klein(st)kindern anstelle der traditionellen allgemeineren Zielgruppe Familien. Auf diesem Weg sei eine Abgrenzung und vor allem Profilierung möglich.Roger Walser, Dozent an der HTW Chur und Geschäftsführer des Ostschweizer Verbandes für Seilbahnunternehmungen, referierte zur „Rolle der Bergbahnen in Destinationen. Bedeutung von übergeordneten Strategien.“ Dabei strich er zunächst hervor, dass in Tourismusregionen vielfach erwartet wird, dass die Seilbahnen die Initiative ergreifen und als sogenannte „Leitbetriebe“ Veränderungen vorantreiben bzw. auch Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsinnovationen anregen. Dabei würde vielfach übersehen, dass die Bergbahnen häufig bereits in ihrer eigenen Entwicklung und Ausrichtung mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert sind. Insgesamt lassen sich aus seiner Sicht drei unterschiedliche Typen von Seilbahnbetrieben unterscheiden:
Die Traditionellen, die den modus operandi wie bisher fortsetzen und ihre Aufgabe auf die Beförderungsleistung reduziert sehen.
Die Realisten, die vor allem die sich wandelnden finanziellen Rahmenbedingungen im Auge behalten und mit schwankender Nachfrage und wechselnden kleinklimatischen Herausforderungen versuchen bestmöglich umzugehen. Innovative Elemente und Angebote werden dann ein- und umgesetzt, wenn unmittelbar ableitbare Vorteile gesehen werden. Umweltmanagement ist für sie dann ein wichtiger Bestandteil, wenn daraus kurzfristig ökonomische Vorteile abgeleitet werden können.
Die dritte Gruppe bilden die Visionäre, die Innovation in vielfältiger Weise vorantreiben. Sie nehmen vielfach sowohl eine aktive Rolle in der Destinationsentwicklung als auch im nachhaltigen Management des Skigebietes ein.
Die Mehrheit der Betriebe sieht Walser – auch durch die Herausforderungen des aktuellen Geschäftes – auf die Rolle der Realisten reduziert.
Darüber hinaus präsentierte Roger Walser Vorhaben zur Kommunikation von Maßnahmen in Hinblick auf klimafreundliche Bergdestinationen und der Wahrnehmung dieser Ansätze bei den unterschiedlichen Akteuren. Ein Resümee daraus: Ein Großteil der Gäste kennt die Problematik des Klimawandels, Änderungen im Urlaubsverhalten lassen sich aber nur sehr bedingt ableiten. Weiterhin wurde der hohe Anteil der Zweitwohnungsbesitzer an der CO2-Bilanz in Skigebieten angesprochen.
Das dritte Referat „Zukünftige ökologische Herausforderungen in alpinen Wintersportgebieten“ wurde von Prof. Dr. Bruno Abegg (Universität Innsbruck) vorgetragen. Ausgehend von Klimawandelszenarien und der Diskussion um die Schneesicherheit alpiner Gebiete beleuchtete er auch die Anpassungsstrategien von Skigebieten im Sommer. Dabei stellte er zunächst am Beispiel des Wassers die ökologischen Probleme der technischen Anpassung durch die Beschneiung heraus. In Hinblick auf die neu geschaffenen Angebote im Sommer zeichnete er ein kritisches Bild von den zunehmenden „Inszenierungen am Berg“ durch Aussichtsplattformen, Hängebrücken und andere „Adrenalin-fokussierte“ Erlebniswelten. Er warnte hierbei vor einer weiteren Technisierung der Berglandschaft und strich hervor, dass unterschiedliche Konsumentengruppen die gleiche Landschaft unterschiedlich bewerten. Speziell der interkulturelle Hintergrund ist hier wichtig – Gäste aus hochtechnisierten Lebensumwelten empfinden anders als Touristen, die einen starken Naturbezug auch in Ihrer Heimat haben. Es stelle sich darum die Frage, wie viele Eingriffe gewünscht sind, wo diese stattfinden sollen und vor allem wo nicht. Eine Lösung auf diese Fragen kann nur in Anbetracht der jeweiligen touristischen Zielgruppen und unter Berücksichtigung von Einheimischen und anderen Nutzergruppen gefunden werden.
Prof. Ralf Roth von der Deutschen Sporthochschule in Köln wies in der anschließenden Diskussion darauf hin, dass Klimamodelle stark dadurch geprägt sind, mit welchen Parametern sie „gefüttert“ und wie die Modelle eingestellt werden. Für den jeweiligen Standort und Betrieb müssten individuelle Anpassungen der Modelle erfolgen, weil jeder Seilbahnbetrieb gänzlich andere Rahmenbedingungen hat (Wasserverfügbarkeit, Beschneiungskapazität, natürliche Rahmenbedingungen etc.). Allerdings kritisierte er auch den so genannten „Angstschnee“, d. h. eine Überproduktion an künstlichem Schnee. Die Beschneiungstechnik könne noch weit effizienter eingesetzt werden.
In seiner Zusammenfassung dankte Hans Brunhart, Fürstlicher Rat und Vorsitzender der Stiftung „pro natura – pro ski“, den Referenten und Experten für Ihre Teilnahme. Es sei wichtig, auch in Zukunft solche Foren für den Gedankenaustausch und eine kontroverse Diskussion zu schaffen. Zukünftige Veranstaltungen durch die Stiftung „pro natura – pro ski“ sind deswegen geplant.
Ulrike Pröbstl, Alexandra Jiricka