ISR: Gibt es eine erste Zwischenbilanz seit Ihrer Amtsübernahme?Martin Leitner: Wir hatten einige sehr konstruktive Sitzungen und der aktuelle Themenbereich ist sehr vielseitig. Es ist mit Sicherheit eine spannende Aufgabe, zwischen den verschiedenen Interessensgruppen eine ausgewogene Meinung zu bilden. Hierzu sind mitunter einige Diskussionen im Rahmen unserer Sitzungen erforderlich. Aus meiner Sicht ist uns dies bisher jedoch sehr gut gelungen.
2011 wurde das Seminar mit den Schwerpunkten „Kindertransport und Kommunikation mit Jugendlichen zur Erhöhung der Sicherheit“ und „Rechtliche Fragen in Zusammenhang mit der Sicherheit im Seilbahnwesen“ in Grenoble veranstaltet.
Auch heuer wird, anlässlich der Interalpin, ein Seminar stattfinden zum Thema „Betrieb von Seilbahnen unter außergewöhnlichen Umständen: Erfahrungen und Maßnahmen“, ein sehr praxisorientiertes Thema, das den Grenzbereich vor Einleitung von Rettungsmaßnahmen beschreibt. Wie immer ist der Eintritt zu den Seminaren frei.
ISR: Städtische Seilbahnen kommen weltweit vermehrt zum Einsatz. In welchen Ländern sehen Sie hier das größte Potential und wie kann die O.I.T.A.F. diesen Trend weiter forcieren?
ML: Unser Kongress in Rio 2011 war sicherlich ein wichtiger Ansatz in diese Richtung. Der Studienausschuss Nr. I „Seilbahntechnik und technische Empfehlungen“ und der Studienausschuss Nr. VI „Betriebsoptimierung bei Seilbahnen und Schleppliften“ wird sich mit diesem Thema befassen. Dabei werden wir auch Betreiber von urbanen Bahnen zur Mitarbeit einladen, um deren Erfahrungspotenzial besser zu nutzen. Es ist mein persönliches Anliegen, diesem Bereich mehr Aktualität zu verleihen.
ISR: Eines der Ziele der O.I.T.A.F. lautet „die Förderung der wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Entwicklung und des Fortschrittes des Seilbahnwesens“. Was wird vonseiten der O.I.T.A.F. unternommen, um den wirtschaftlichen Fortschritt zu fördern?
ML: Hierfür ist der Studienausschuss IV „Juridische, administrative, wirtschaftliche und statistische Angelegenheiten“ zuständig. Themen sind: rechtliche Rahmenbedingungen (EU und nationale Vorschriften), wirtschaftliche Entwicklung, wirtschaftliche Kennzahlen, volkswirtschaftliche Bedeutung, Marketing, betrieblich-praktische Fragen, Trends, Dorflifte und Kleinstskigebiete. Im Erfahrungsaustausch werden an Hand von konkreten Beispielen diese Themen diskutiert und analysiert.
ISR: Die Gründung der O.I.T.A.F. ging auf die Notwendigkeit zurück, alle drei Kategorien des Seilbahnwesens, nämlich die Betreiber bzw. die Seilbahnunternehmer, die Seilbahnhersteller und die Aufsichtsbehörden (in Vertretung des Staates bzw. der Benützer) in einer einzigen Organisation zu vereinigen, um anstehende Probleme gemeinsam lösen zu können. Wie funktioniert vor allem der Austausch mit den Betreibern bzw. Seilbahnunternehmern? Gibt gibt es hier noch Verbesserungsbedarf?ML: Es gibt die nationalen Betreiberverbände, die sich relativ intensiv austauschen und sich in regelmäßigen Abständen im Rahmen der FIANET abstimmen. Sicherlich ist es nicht immer einfach einen gemeinsamen Nenner zu finden, wenn wir beispielsweise an die Schweiz denken, welche mit gewissen Problemen aus Brüssel gar nicht konfrontiert werden, oder wenn wir in Bezug auf die Eigentümersituation zwischen den verschiedenen Staaten völlig unterschiedliche Realitäten vorfinden. Gerade mit der aktuellen Problematik Konzessionsrichtlinien stellen wir fest, wie groß die Unterschiede auch innerhalb von Europa sind. Die Vertreter der Betreiber sprechen in den O.I.T.A.F.-Gremien und in den Studienausschüssen ein gewichtiges Wort.
Von Seiten der Hersteller gibt es regelmäßige Abstimmungen innerhalb der IARM, welche dann wiederum versucht einen gemeinsamen Nenner zu finden, was die nationalen Organisationen wie beispielsweise die ACIF in Italien erarbeiten und vorschlagen.
Auch die Vertreter der technischen Aufsichtsbehörden treffen sich jährlich seit 63 Jahren im Rahmen der ITTAB. Diskutiert und analysiert werden die besonderen Unfälle und technisch aktuelle Themen und Fragen. Diese Treffen sind wichtig, um im Erfahrungsaustausch die Sicherheit der Seilbahnen zu erhöhen. Die Behörden versuchen mehr und mehr eine einheitliche Lösung, was die internationalen Vorschriften anbelangt, zu finden. Hier sehe ich eine wichtige Aufgabe, den europäischen Standard in die neuen Seilbahnmärkte wie beispielsweise Südamerika oder Osteuropa zu vermitteln, damit wir auch in diesen Regionen künftig sichere Referenzanlagen vorfinden.
Ich finde, dass in den verschiedenen O.I.T.A.F.-Gremien ein gutes Arbeitsklima herrscht und diese drei Kategorien des Seilbahnwesens gut miteinander kommunizieren und arbeiten.
ISR: Wie geht es Ihnen persönlich in Ihrem Amt als Präsidenten der O.I.T.A.F.?
Ich stelle fest, dass es einen erheblicher Aufwand macht, wenn man sich bemüht, die O.I.T.A.F. in Richtung der gesetzten Ziele zu entwickeln. Ich empfinde das aber als eine sehr spannende und interessante Aufgabe. Von daher bin ich motiviert, hart an diesen Zielen zu arbeiten. Die geografische Nähe meines Wohnorts in Sterzing zum O.I.T.A.F.-Sekretariat in Bozen hilft natürlich hier, um einen regelmäßigen Austausch zu haben, was sich positiv auf den zeitlichen Aufwand auswirkt.