Im Skigebiet eines von mir vertretenes Seilbahnunternehmens ereignete sich folgender Unfall beim Renntraining: Ein jugendlicher Wintersportler verunfallte bei dem – von seinem Skiverband organisierten und durchgeführten – Renntraining. Das Training fand auf einer von den Bergbahnen zur Verfügung gestellten (abgesperrten) Trainingspiste statt. Der Unfall ereignete sich, da der (spätere) Kläger in einem „ einfachen“ Pistenstück verschnitt, auf der Taillierung weiterfuhr und mit einem von den Bergbahnen am Pistenrand aufgestellten Holzpfosten kollidierte. Normalerweise – so das Gericht – ist davon auszugehen, dass ein Skifahrer beim Verschneiden früher zu Sturz kommt und nicht bis zu diesem Holzpfosten gelangt. Der Pistenverlauf führte parallel an dem Holzpfosten vorbei und stellte dieser Pfosten für die vorgesehene Schrägfahrt kein Hindernis dar. Der Sportler verklagte allerdings die Bergbahnen, da er der Meinung war, sie hätten den Unfall zu verantworten.
Verantwortung für Trainingspiste
Alle drei Instanzen folgten meiner Argumentation, dass keine Haftung der Bergbahnen gegeben ist, und wiesen die Klage daher ab. Zur Haftung einer Pistenbetreiberin wiesen die Gerichte zunächst darauf hin, dass diese – wie allgemein bekannt ist – zu entsprechenden Schutzmaßnahmen verpflichtet ist, wenn „atypische“ Gefahren drohen, die auch für einen verantwortungsbewussten Skifahrer unerwartet oder schwer abwendbar sind und dass in Zusammenhang mit Trainings- oder Rennläufen eine höhere Sorgfaltspflicht besteht.
In dem hier zu entscheidenden Fall handelte es sich nicht um eine „gewöhnliche“ Piste, die für den Publikumsverkehr geöffnet war, sondern um eine abgesperrte Trainingspiste. Sie war aber auch keine (permanente) Rennstrecke, sondern wurde die Piste von den Bergbahnen nur präpariert und dem Skiverband zum Training zur Verfügung gestellt. Die Kurssetzung, der Trainingsablauf, die Durchführung des Trainingsbetriebs, die Absperrung der Piste für das allgemeine Publikum und die Absicherung der Piste (für das Training) gehörte nicht zu den Pflichten der Bergbahnen und wurde dies alles vom Skiverband übernommen.
Trainingsveranstalter ist „Betreiber“ der Piste
Daher sind die Gerichte zu dem (richtigen) Schluss gelangt, dass nicht die Bergbahnen, sondern der Skiverband „Betreiber“ dieser Trainingspiste war. Somit waren die Bergbahnen auch nicht verpflichtet, besonderen Sicherungsverpflichtungen im Hinblick auf diesen Pistenbereich und das Renntraining zu beachten.
Die Besonderheit dieses Falls liegt darin, dass die Bergbahnen – ohne Zusammenhang mit dem Renntraining bzw. der Trainingstrecke – den Pistenrand im späteren Unfallsbereich durch das Aufstellen von vier bis fünf Holzpfosten vom dahinter liegenden freien Gelände abgegrenzt hatten. Allerdings mussten sie – so die Gerichte – nicht damit rechnen, dass diese Pfosten in dem flachen, „geraden“ und ungefährlichen Bereich für einen Sportler eine Gefahr darstellen könnten: Die Bergbahnen hatten auf die Kurssetzung durch den Skiverband keinen Einfluss und der Trainingslauf musste auch nicht zwangsläufig in den Nahbereich des Holzpfostens führen, da die Piste in diesem Bereich breit genug war. Es lag also keine für die Bergbahnen „erkennbare atypische Gefahrenquelle“ vor.
Daher haben sich die Gerichte – in allen drei Instanzen – meiner Meinung angeschlossen und festgehalten, dass den Bergbahnen keine Verletzung der Sorgfaltspflichten vorzuwerfen ist und dass sie keine Haftung trifft.
Mit dieser Entscheidung wird das Haftungsrisiko für Bergbahnen auf von ihnen bereitgestellten Trainingspisten „entschärft“, wenn das Training von Dritten durchgeführt wird und die Bergbahnen lediglich die Piste zur Verfügung stellen.
Christoph Haidlen