Die „Grande Dame“ unter den Seilbahnen bringt die Kurgäste und Touristen seit 1929 auf den Burgberg.
Foto: Roman Gric
Bahnen

AUSSERGEWÖHNLICHE SEILBAHNEN

Burgbergseilbahn – älteste Seilbahn Norddeutschlands

ISR-REPORTAGE Seit 1929 bringt eine klassische Pendelbahn Kurgäste und Touristen auf den Hausberg von Bad Harzburg.

von: Roman Gric

Bad Harzburg ist eine Kurstadt im Nordharz an der Landesgrenze von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Bekannt wegen ihrer Sole-Therme und Sauna-Erlebniswelt, ist Bad Harzburg gut aufgestellt auch im Bereich Kliniken. Mit zahlreichen größeren Städten in der näheren Umgebung besitzt der Harz ein großes Einzugsgebiet. So ist es wenig erstaunlich, dass bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts die ersten touristischen Attraktionen im Harz entstanden. Schon ab 1898 führt eine 19 km lange meterspurige Eisenbahn auf den 1.141 m hohen Brocken, den höchsten Gipfel des Gebirges.

Erste Personenseilschwebebahn im Harz

So ist es auch kein Wunder, dass sich nach jahrelangen Überlegungen schließlich im Oktober 1926 Vertreter der Stadt Bad Harzburg sowie der Seilbahnbaufirma Bleichert aus Leipzig zusammenfanden und eine Gesellschaft für ein Bahnprojekt auf den Burgberg gründeten. Für die veranschlagten Gesamtkosten stand ein Bankkredit in Aussicht, Stadt und Staat trugen je die Hälfte der Anleihe.

Der Bau der ersten Personenseilschwebebahn Norddeutschlands dauerte nur vier Monate. Die Bauarbeiten für beide Stationen und die einzige Trassenstütze gingen ab 18. März 1929 zügig voran. Besonders schwierig war die Gründung der Bergstation. Vor fast 1.000 Jahren wurde im Auftrag des Kaisers Heinrich IV. die Kuppe des Burgbergs begradigt, um darauf eine Burg zu errichten. Die anfallenden Gesteinsmassen wurden auf den Berghang gekippt. Anstatt die Fundamente in den Felsen hineinsprengen zu können, musste ein riesiges Loch im Umfang der gesamten Bergstation ausgeschachtet werden, teilweise bis zu 10 m tief. Erst diese Gründung ermöglichte die Aufnahme der Tragseilspannkräfte. Am 17. Juli 1929 fand schließlich die feierliche Eröffnung der Seilbahn statt.

Die 481 m lange Bahn wurde als klassische zweispurige Pendelbahn mit einem Trag-, einem Zug- und einem Gegenseil sowie einem Hilfsseil gebaut. Der Antrieb befindet sich in der Bergstation. Beide Tragseile sowie auch das Gegen- und Hilfsseil sind in der Talstation gespannt. Dank der kurzen Bahntrasse bringen beide Kabinen für 18 Personen und Wagenbegleiter mit ihrer Fahrgeschwindigkeit von nur 3,5 m/s bis zu 300 P/h auf den Burgberg.

Die Bahn wurde nach der Erfindung des Südtiroler Seilbahnpioniers Ing. Luis Zuegg (System Bleichert-Zuegg) mit einer auf das Tragseil wirkenden Fangbremse ausgerüstet. Im Jahr 1969 bekam die Bahn neue Gehänge und Laufwerke mit zwei Fangbremsen, die neben einem Handabzug aus der Kabine auch bei Schlappseil bzw. Seilriss mechanisch selbsttätig aktiviert werden. Für die Bergung steht ein Hilfsseil mit separatem Antrieb und mit Bergewagen zur Verfügung. Der Einsatz des Bergewagens ist nur im unteren Trassenabschnitt mit dem höchsten Bodenabstand von bis zu 40 m vorgesehen, auf dem Rest der Trasse wird abgeseilt.

Die Bahn befindet sich bis heute nahezu im Originalzustand. Für die erste Verlängerung der Betriebsbewilligung nach 30 Betriebsjahren im Jahr 1959 waren einige Anpassungen an der Steuerung und am Antrieb nötig. Im 2. Weltkrieg wurden die Baupläne der Seilbahn vernichtet, und so mussten sie nach dem Ist-Zustand neu erstellt werden, da keine Chance bestand, sie von der ehemaligen Firma Bleichert in Leipzig zu bekommen, die sich nun in der sowjetischen Besatzungszone befand. Die ursprünglichen sogenannten Pavillonkabinen wurden im Jahr 1969 durch neue, dem Original sehr ähnlichen Kabinen ersetzt. In die Bergstation ist ein kleines Museum integriert, in dem die Geschichte der von der Leipziger Firma Adolf Bleichert & Co. erbauten Burgbergseilbahn dargestellt wird.

Touristische Bedeutung

Die Bahn löste die ehemalige Beförderung der Sommerfrischler auf den Burgberg mit Eseln und Maultieren ab und hat in ihrer über 90-jährigen Geschichte über 25 Mio. Fahrgäste befördert.

Mit der Burgbergseilbahn ersparen sich die Kurgäste und Touristen den mühsamen Aufstieg auf den Burgberg. Unmittelbar bei der Bergstation befinden sich die Reste der historisch bedeutsamen Burganlage. Rund um Bad Harzburg, dem Tor zum Nationalpark Harz, verlaufen mehrere hundert Kilometer lange Wanderwege, von denen manche bei der Bergstation der Seilbahn anfangen.

Als besondere Attraktion gibt es die Möglichkeit für heiratswillige Paare, in einer Kabine der Seilbahn den Bund fürs Leben zu schließen.

Kurze Geschichte der Firma Bleichert

Im Jahr 1873 in Teutschenthal bei Halle/Saale hat Adolf Bleichert mit seinem Partner und späteren Konkurrenten Theodor Otto die weltweit erste Zweiseilumlaufbahn zur Beförderung von Kohle in eine Parafinfabrik gebaut. Die von Adolf Bleichert in Leipzig-Gohlis im Jahr 1874 gegründete Firma baute im Laufe der Zeit mehr Materialseilbahnen als alle ihre Konkurrenten zusammengenommen. Bereits im Jahr 1899 wurde ihre tausendste Drahtseilbahn (Materialseilbahn) gefertigt. Im Jahr 1912/1913 steigt die Firma Bleichert mit dem Umbau der Kohlernbahn in Bozen in den Bau von Personenseilbahnen ein. Nach dem Erwerb der Patente von Ing. Luis Zuegg im Jahr 1924 wurden nach diesem System in der Zwischenkriegszeit weltweit 36 Personenseilschwebebahnen gebaut. Von den sechs in Deutschland gebauten Bahnen sind immer noch die Burgbergseilbahn und die Predigtstuhlseilbahn nahezu im Originalzustand in Betrieb. Nach dem 2. Weltkrieg kam es zu mehreren Fusionen und Umbenennungen der Firma, bis am 1. April 1993 die letzte Nachfolgerfirma VTA GmbH in Konkurs ging. Damit endete die 120-jährige Geschichte des einst größten Seilbahnherstellers.

 

 

 

Foto: Archiv Roman Gric
Von der Talstation aus überblickt man die ganze 481 Meter lange Trasse mit der einzigen Stütze.
Foto: Archiv Roman Gric
Foto: Roman Gric
In der Talstation wird das Gegenseil (weiter entfernte Umlenkscheibe) und das Hilfsseil (nähere Umlenkscheibe) gespannt. Links und rechts die Tragseile, über Vergussmuffen mit den Spannseilen gekuppelt.
Foto: Roman Gric

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