Im Beitrag Seilbahnantriebe in ISR 3/2019, S. 6, haben wir uns angesehen, welche Kräfte im Spiel sind, um das Zugseil bzw. Förderseil samt den Fahrzeugen in Bewegung zu setzen und mit der gewünschten Fahrgeschwindigkeit in Bewegung zu halten. Im vorliegenden Beitrag geht es darum, wie man die Seilbahn aus der Bewegung wieder zum Stillstand bringt – klingt trivial, ist es aber nicht. Dieses „Abbremsen“ wird als Stillsetzung der Seilbahn bezeichnet und hat grundsätzlich zwei verschiedene Aufgaben.
Die erste Aufgabe – man könnte sie als „normal“ bezeichnen – ist bei Pendelbahnen das Anhalten der Fahrzeuge in den Stationen zum Ein- und Aussteigen der Fahrgäste sowie zur Fahrtrichtungsumkehr und beim Umlaufbahnsystem das vom Betriebspersonal planmäßig vorgenommene Unterbrechen oder Beenden des Fahrbetriebes.
Die zweite Aufgabe ist die manuell oder automatisch eingeleitete Stillsetzung aus Sicherheitsgründen. „Die sicherste Seilbahn ist die Seilbahn im Stillstand“ heißt ein altes Seilbahner-Sprichwort. Damit ist gemeint, dass die Seilbahn bei gefährlichen Situationen, die im Fahrbetrieb auftreten, sicher zum Stillstand gebracht werden muss. Das können technische Gebrechen sein oder durch Fahrgäste verursachte Gefahrenmomente.
Für die beiden genannten Aufgaben sind verschiedene Bremseinrichtungen vorgesehen, die je nach Situation manuell oder automatisch zum Einsatz kommen.
Arten der Stillsetzung
Es gibt grundsätzlich zwei Arten der Stillsetzung:
- elektrische Bremsung: Stillsetzung mit Hilfe des elektrischen Antriebes,
- mechanische Bremsung: Stillsetzung durch mechanisch wirkende Bremsen.
Für beide Arten der Stillsetzung gibt es eine Reihe von Anforderungen, die in der Seilbahnnorm EN 13223, Sicherheitsanforderungen für Seilbahnen für den Personenverkehr – Antriebe und weitere mechanische Einrichtungen, enthalten sind. Die wichtigsten dieser Anforderungen werden im Folgenden besprochen.
Elektrische Bremsung
In der zitierten Seilbahnnorm heißt es dazu: Bei Seilbahnen muss mindestens eine geregelte Stillsetzung mit möglichst konstanter, überwachter Verzögerung vorhanden sein. Die erforderliche Kraft zum Verzögern der Seilbahn kommt vom elektrischen Hauptantrieb und wird über die selben Elemente der Kraftübertragung auf die Antriebsscheibe übertragen, die für den Antrieb der Seilscheibe erforderlich sind (siehe Abschnitt Aufbau des Hauptantriebes im Beitrag Seilbahnantriebe in ISR 3/2019, S. 10). Zwei Arten der elektrischen Bremsung mit unterschiedlichen Funktionen werden unterschieden:
- Betriebshalt und
- Elektrischer Halt.
Betriebshalt: Diese elektrische Bremsung wird im Normalfall zur betrieblichen Stillsetzung der Seilbahn eingesetzt. Sie bringt die Seilbahn mit einer geringen Verzögerung (meist 0,4 m/s2) zum Stillstand („sanfte“ Bremsung).
Elektrischer Halt: Es gibt auch die Möglichkeit, die elektrische Bremsung als Reaktion auf das Ansprechen von bestimmten Sicherheitseinrichtungen als „Notbremse“ einzusetzen. Diese Art der Bremsung wird als Elektrischer Halt oder Nothalt – Hauptantriebsmotor bezeichnet. Die Bremsverzögerung darf dabei bis zu 1,25 m/s2 erreichen („scharfe“ Bremsung).
Mechanische Bremsung
In der oben genannten Seilbahnnorm wird gefordert, dass jede Seilbahn mit zwei unabhängigen mechanischen Bremsen ausgerüstet sein muss, von denen jede der beiden in der Lage sein muss, die Seilbahn auch im ungünstigsten Lastfall zum Stillstand zu bringen. Es muss sich dabei um passive Bremsen handeln, das heißt, dass die Bremskraft – bei Bremsen moderner Bauart – durch Entspannen von vorgespannten Druckfedern erzeugt und mechanisch über Backen mit Bremsbelägen durch Reibung auf die Bremsflächen der Antriebs- oder Bremsscheibe aufgebracht wird (Scheibenbremsen). Das Vorspannen der Druckfedern (= Offenhalten der Bremsen) erfolgt hydraulisch (selten pneumatisch) über einen Bremszylinder. Durch Ablassen des Hydraulikdrucks über Bremsventile entspannen sich die Druckfedern und die Bremsen werden zur Wirkung gebracht (= Einfallen der Bremsen). Eine mechanische Bremse kann aus einem oder mehreren Bremselementen bestehen.
Wird eine mechanische Bremse betätigt, muss gleichzeitig der elektrische Antrieb abgeschaltet werden, sonst würde dieser gegen die Bremsen arbeiten, weil ja seine Regelung versucht, die gewählte Fahrgeschwindigkeit beizubehalten.
Eine mechanische Bremse ohne Zusatzeinrichtungen übt eine annähernd konstante Bremskraft aus. Das führt dazu, dass bei unterschiedlichen Lastfällen der Seilbahn sich nach dem Einfallen der Bremse unterschiedliche Bremsverzögerungen und damit verschieden lange Bremswege ergeben. Um die Bremsverzögerungen im betrieblich vertretbaren Bereich zu halten, sind meist Zusatzeinrichtungen erforderlich, die in Abhängigkeit vom Lastfall die Bremskraft beeinflussen (Staffelung oder Regelung der Bremskraft). Auf diese Einrichtungen wird hier nicht näher eingegangen.
Die zwei bei jeder Seilbahn erforderlichen mechanischen Bremsen werden als
- Betriebsbremse und
- Sicherheitsbremse
bezeichnet und haben unterschiedliche Funktionen.
Betriebsbremse: Die Betriebsbremse wirkt üblicherweise auf eine Bremsscheibe, die zwischen Antriebsmotor und Hauptgetriebe angeordnet ist, manchmal (systemabhängig) auch auf die Antriebsscheibe. Die Betriebsbremse wird automatisch zum Einfallen gebracht, wenn bestimmte Sicherheitseinrichtungen ansprechen. Diese Art der Stillsetzung trägt die Bezeichnung Nothalt – Betriebsbremse. Auch eine manuelle Auslösung der Betriebsbremse muss von bestimmten Steuerstellen der Seilbahn aus möglich sein. Weiters fällt die Betriebsbremse ein und der Antrieb wird abgeschaltet, wenn bei den elektrischen Bremsungen eine bestimmte Minimalgeschwindigkeit (fast Stillstand) erreicht wird.