Recht

Beschneiung während des Pistenbetriebs

In mehreren aktuellen Gerichtsverfahren war die Frage zu klären, ob eine Beschneiung während des Pistenbetriebs zulässig ist, oder ob sie unterbleiben muss, weil dadurch eine „atypische Gefahr“ geschaffen wird.

Unterschiedliche Schneekonsistenz

In dem ersten Verfahren stellte sich der Sachverhalt so dar, dass eine Skifahrerin im Rahmen des Nachskilaufes ab ca. 19:00 Uhr die von der Bergbahn zur Verfügung gestellten Pisten benutzte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Schneekanonen in Betrieb, seit 17:00 Uhr wurde die Beschneiung durchgeführt.

Die Skifahrerin stürzte gegen 20:30 Uhr auf der Piste im Bereich des Übergangs zwischen Naturschnee und technischem Schnee („Kunstschnee“) und verletzte sich dabei.

Sie klagte die Bergbahn und machte Schadenersatzansprüche geltend. Dies mit der Begründung, dass die Änderung der Pistenverhältnisse im Bereich des Übergangs von Naturschnee zu künstlichem Schnee für sie unterwartet und überraschend aufgetreten sei. Sie habe damit nicht rechnen müssen. Die Schneekonsistenz im Bereich der künstlichen Beschneiung sei viel härter gewesen, als der Naturschnee. Aus diesem Grund sei sie bei der Einfahrt in den Naturschnee unerwartet abgestoppt worden und zu Sturz gekommen. Außerdem sei ihre Sicht durch den Auswurf der Schneekanonen beeinträchtigt gewesen.

Die Klägerin behauptete weiters, dass die Bergbahn ihr plötzliches Abstoppen durch die geänderten Pistenverhältnisse zu verantworten habe und daher für ihre Schäden haften müsse. Die Bergbahn habe durch die Beschneiung während des Pistenbetriebes und die unterschiedlichen Pistenverhältnisse eine „atypische Gefahr“ geschaffen, mit welcher sie nicht rechnen musste.

Beschilderung

Die Bergbahn hat im gesamten Skigebiet durch zahlreiche Hinweistafeln auf die Beschneiung (auch während des Pistenbetriebs) hingewiesen. Diese Hinweise wurden von der Skifahrerin nicht beachtet. Diese Tatsache ist ihr – so das Gericht -selbst vorzuwerfen.

Das Gericht folgte den Argumenten der Bergbahn (die vom Autor dieses Artikels vertreten wurde) und hat diese Klage vollständig abgewiesen. Es hat zunächst anerkannt, dass es richtig ist, dass durch den Kunstschnee eine Veränderung der Pistenbeschaffenheit eintritt und dass die Skifahrerin durch den Kunstschnee abgebremst wurde. Die – durch die Beschilderung angekündigte - Beschneiung während des Pistenbetriebes ist allerdings keine „atypische Gefahr“ und muss jeder Wintersportler damit rechnen.

Eigenverantwortung des Wintersportlers

In einem weiteren Fall stützte eine Skifahrerin ihre Klage gegen eine Bergbahn ebenfalls auf die Behauptung, durch die Beschneiung während des Pistenbetriebs hätte die Bergbahn eine „atypische Gefahr“ geschaffen. Sie brachte dazu vor, dass der Schneistrahl der Schneekanonen die gesamte Pistenbreite abgedeckt hat, so dass sie diesem nicht ausweichen konnte. Der Kunstschnee – so in der Klage weiter – sei sehr „stumpf“ und „matschig“ gewesen. Deshalb sei sie abgebremst worden und zu Sturz gekommen. Die Bergbahn habe gegen ihre Schutz- und Sorgfaltspflichten verstoßen, da sie es zugelassen habe, dass sich dieser – künstlich hergestellte - stumpfe Schnee auf der Piste befindet.

Auch in diesem Verfahren hat das Gericht die Klage abgewiesen. Es hat zunächst klar ausgesprochen, dass jeder Wintersportler selbst für seine Sicherheit verantwortlich ist. Daher muss er sein Fahrverhalten immer an die gegebenen Umstände anpassen, um Unfälle zu vermeiden. Das Gericht bestätigt zwar einerseits, dass der Kunstschnee feucht und stumpfer ist, als Naturschnee (dies auch zum Unfallszeitpunkt). Es weist allerdings anderseits darauf hin, dass dieser Unterschied auch bei verschiedenen Arten von Naturschnee auf Pisten vorkommt und daher nicht unüblich ist. In dem Urteil wurde auch festgehalten, dass es jedem Wintersportler bekannt ist (bzw. bekannt sein muss), dass Kunstschnee eine andere Konsistenz aufweist, als Naturschnee. Sich darauf einzustellen ist die Pflicht des Wintersportlers.

In diesem Fall war die Schneekanone auch von weitem gut sichtbar. Die Skifahrerin hätte sich daher bereits lange vor ihrem Sturz auf die geänderten Schneeverhältnisse einstellen können.

Schlussfolgerung

Die vorliegenden Urteile zeigen erstens auf, dass ein Seilbahnunternehmen durch eine Beschneiung während des Pistenbetriebes keine besondere („atypische“) Gefahr schafft, die zu einer Haftung führen kann (dies entspricht auch den Thesen des Rechtsymposiums des Fachverbandes der Seilbahnen bzw. des Ötztaler Diskussionsforum der Fachgruppe Tirol). Die künstliche Beschneiung ist im Alpenraum mittlerweile Standard und jeder Wintersportler muss sich darauf einstellen.

Vor allem muss den Wintersportlern bewusst sein, dass es bei der Beschneiung zu unterschiedlichen Schneebeschaffenheiten auf der Piste kommt. Diese Tatsache kann einer Bergbahn nicht als (haftungsauslösendes) Versäumnis vorgeworfen werden. Die Beschneiung während des Pistenbetriebs ist zulässig.

Zum Zweiten zeigen beide Urteile wieder auf, wie wichtig eine klare Beschilderung von Skigebieten ist: Die Wintersportler müssen auf mögliche Gefahren durch den Pistenbetrieb bzw. den Einsatz von Geräten oder Maschinen hingewiesen werden. Den Wintersportlern ist bewusst zu machen, welche Gefahren auftreten können und dass sie sich auf diese Umstände einstellen müssen (Stichwort: „Eigenverantwortung“). Eine klare Beschilderung hilft somit Haftungen der Bergbahn zu verhindern.

(erschienen in ISR 6/08, Christoph Haidlen)

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Dr. Christoph HAIDLEN - Experte für Seilbahnrecht und Partner von CHG Rechtsanwälte
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