Seit dem Frühjahr 2004 gelten für Genehmigungsverfahren bei Seilbahnen die Bestimmungen des SeilbG 2003 idgF, welches neben der Erstellung von Sicherheitsanalysen für die für das betreffende Projekt zutreffenden Fachgebiete auch die Vorlage eines Sicherheitsberichtes verlangt. Die rechtlichen Grundlagen (insbesondere §§ 57– 60 SeilbG 2003, Richtlinie R 1/04 vom 1. 4. 2004) seien nur zur Vollständigkeit erwähnt.
Die Forderung nach der Erstellung vonSicherheitsanalysen und Sicherheitsberichten ist in der Richtlinie RL2000/9/EG geregelt. Der Sicherheitsbericht wird in Österreich als öffentliche Urkunde betrachtet, damit ist der Kreis der Ersteller von Sicherheitsberichten auf jene (juristischen oder natürlichen) Personenbeschränkt, die befugt sind, in technischen Fachbereichen öffentliche Urkunden zu erstellen (akkred. Stellen gem. AkkG idgF, Ingenieurkonsulenten gem. ZTG idgF).
Im Zuge der Beurteilung der Bauentwürfe durch die zuständigen Behörden wurde vermehrt die Unplausibilität und die Widersprüchlichkeit der im Sicherheitsbericht als erforderlich erachteten Maßnahmen (Auflagen) – sowohl innerhalb eines Fachgebiets als auch verglichenmit anderen Fachgebieten – festgestellt. So liegt die Tatsache vor, dass betreffend viele Auflagen der Sicherheitsbericht perse nicht schlüssig ist.
Es ist jedoch die Aufgabe einer Auflage, technische Sachverhalte und Ausführungen eindeutig zu regeln. Diese Feststellung gilt nicht nur für die Gutachten von Sachverständigen, sondernauch für die in Gutachten zu Sicherheitsanalysen und Sicherheitsberichten festgehaltenen Maßnahmen. Plausibilität bedeutet Stimmigkeit und Richtigkeit, plausibel bedeutet demzufolge etwa annehmbar, einleuchtend, nachvollziehbar.
Widersprüchlichkeit (Kontradiktion) ist die Beziehung zweier oder mehrerer Aussagen, bei der von der Richtigkeit einer Aussage auf die Nicht-Richtigkeit der anderen Aussagen geschlossen werden kann bzw. wenn Aussagen offensichtlich kontradiktorisch sind. Meines Erachtens ist für Plausibilität die Widerspruchsfreiheit (sowohl innerhalb der Maßnahmen im Gutachten eines Fachbereiches als auch zwischen den auf den gleichen Tatbestand bezogene Maßnahmen in den Gutachten verschiedener Fachbereiche) eine zwingend notwendige Eigenschaft.
Ein Grundproblem mag in dem Umstand bestehen, dass eine Vielzahl von technischen Fachrichtungen denselben technischen Sachverhalt zu regeln versuchen (z. B. Seilbahntechnik, Hochbau, Arbeitnehmerschutz, Elektrotechnik). Gefahrenbilder werden daher von unterschiedlichen Personen als relevant erachtet, wobei die Betrachtung auf Grund der individuellen Erfahrungen und Kenntnisse der Verfasser der Gutachten und (Sicherheits-)Analysen erfolgt. In Anlehnungan den seilbahntechnisch spezifischen Begriff der Schnittstelle sei in diesem Zusammenhang der Begriff der Interaktion angeführt, wodurch der Umstand beschrieben wird, dass Sachverhalte (Gefährdungsbilder und die daraus resultierenden Maßnahmen) mehreren Fachgebieten zugeordnet werden können und dadurch eine Überlappung von Fachgebieten hinsichtlich dieser konkreten Sachverhalte besteht, die es durch den Sicherheitsbericht als plausibel und widerspruchsfrei darzustellen gilt.
Diese Feststellung der vorhandenen Interaktionen sei in einer kurzen (nicht all umfassenden), empirisch erfassten Interaktionsmatrix veranschaulicht, wobei die Kennzeichnung mit x bedeutet, dass das angegebene Fachgebiet von dem Begriff (technischen Sachverhalt) berührt ist (d. h. dass die Gefährdungsbilder als relevant erkannt wurden und in den Sicherheitsanalysen betrachtet wurden). In Tabelle 1 ist ersichtlich, dass ein technischer Tatbestand (z. B. Beleuchtung von Verkehrswegen) vier bis fünf unterschiedliche Fachbereiche berühren kann, womit die Anzahl unterschiedlicher Anforderungenan den selben technischen Tatbestand in gleicher Anzahl festgelegt ist, auch bei der Anwendung standardisierter Vorschreibungstexte.
Als Beispiel sei etwa der Begriff „Beleuchtung von Verkehrsflächen“ herangezogen. Entsprechend der in Tabelle 1 angegebenen Matrixbesteht aus seilbahn-, hochbau-, arbeitnehmerschutz- und elektrotechnischer Sicht Bedarf, diesen Sachverhalt zu regeln (z. B. bei Nachtfahrten, großen Stationsgebäuden, im Allgemeinen aus Sicht des Arbeitnehmerschutzes). Die erforderlichen Maßnahmen in den einzelnen Gutachten und Sicherheitsanalysen reichen von
1. unbestimmt und undefiniert in der Form von „ausreichender Beleuchtung der Verkehrsflächen“. Es kann so nicht entnommen werden, welcher Wert durch die Verfasser der Sicherheitsanalysen als „ausreichend“ angesehen werden.
2. über die Angabe der als erforderlich erachteten Mindestbeleuchtungsstärkein der Form „… mit mindestens 30 lx zu beleuchten“oder „… mit mindestens 100 lx zu beleuchten“
3. und der Angabe einer beurteilungsrelevanten Spezifikationin der Formulierung von „… entsprechend der Bestimmungenin der AStV …“ oder „… entsprechend der Bestimmungen inÖNORM EN 12464-1 …“
4. bis zur detaillierten Angabe der Bestimmung in den Spezifikationen „… entsprechend den Bestimmungen unter Pkt.5.3. in ÖNORM EN 12464-1 angegebenen Werte …“ oder „… entsprechend der für Verkehrsflächen in ÖNORM EN12464-1, Abschnitt 5.3 vorgesehenen Mindestbeleuchtungsstärke…“.
Bedingt durch die unterschiedliche Sichtweise der Verfasser der Sicherheitsanalysen und die Übernahme der Maßnahmenin den Sicherheitsbericht besteht die Möglichkeit, dass zu einem einzigen technischen Sachverhalt zahlreiche technisch unterschiedliche Maßnahmen als erforderlich erachtet werden.(Rechtliche) Sicherheit für den Ausführenden, die Sachverständigenund die Behörde, dass alle normativen Bestimmungeneingehalten werden, besteht jedoch auf Grund der unterschiedlich determinierten Angabe von Maßnahmen zu einem technischen Sachverhalt durch mehrere Personen nicht.
Diese (Rechts-)Unsicherheit führt letztendlich zu einer restriktiven und ablehnenden Haltung gegenüber der (zurecht) als erforderlich erachteten Maßnahme, teilweise zur zögerlichen Umsetzung (ggf. Nachbesserungen im Zuge des Betriebsbewilligungsverfahrens), so dass ggf. mit Mehrkosten zu rechnen ist. Aus sachverständiger Sicht fordern alle unredigierten Angaben in Sicherheitsberichten damit nur die Feststellung der Unplausibilität, Unvollständigkeit und der Widersprüchlichkeitheraus.
Insgesamt gilt es daher auf Grund der bestehenden Interaktionen, Widerspruchsfreiheit und Plausibilität im Sicherheitsbericht – insbesondere innerhalb der im Sicherheitsbericht angegebenen und aus den Gutachten zu den Sicherheitsanalysen entnommenen Maßnahmen– zu erzielen, was sich auch aus den Forderungen der Richtlinie, mit der die Verfassung von Sicherheitsanalysen und -berichtengeregelt sind, ableiten lässt.
Die Auflösung der Widersprüchlichkeit und die Herstellung der Plausibilität zwischen den einzelnen Fachgebieten erfolgt durch folgende Einzelmaßnahmen sowie deren Kombinationin der Erstellung der Sicherheitsanalysen und des Sicherheitsberichtes:
1. Vermeidung undeterminierter Phrasen: Unbestimmte Ausdrücke wie etwa „ausreichend“, „hinreichend“, „entsprechend“ oder „zuverlässig“ ohne Angabe einer Fundstelle sind prinzipiell zu vermeiden. Der Verfasser der Sicherheitsanalyse oder des Sicherheitsberichtes hätte zu präzisieren, was als „ausreichend“, „hinreichend“ oder „entsprechend“ verstanden wird oder wie durch welche konkrete Maßnahme das Eintreten eines Gefährdungsbildes „zuverlässig verhindert“ wird.
2. Werden Annahmen zur Ermittlung von spezifischen Werten in Normen getroffen (Klassifikation von Bauwerken hinsichtlich Erdbebenlasten, Klassifikation von Bauwerken hinsichtlich Blitzschutz, Höhe von Absturzsicherungen, …) so sind diese Annahmen nachvollziehbar anzugeben. Die alleinige Angabe des Ergebnisses zufolge der Bewertung einer Norm in einer Sicherheitsanalyse ist nicht plausibel.
3. Möglichst Angabe der Fundstellen und Verweise auf Spezifikationen (Gesetze, Verordnungen, Normen, Richtlinien), wobei zweckszweifelsfreier Identifikation auf die detaillierte Bestimmung hinzuweisen sein wird, wenn in einer Spezifikation mehrere Regelungenzu einem Sachverhalt gegeben sind.
4. Einmalige Anführung der Auflage mit Verweis auf die betroffenen Fachgebiete.
5. Kumulationsmethode: Kumulative Formulierung der Maßnahmen mit Angabe durch den Verfasser des Sicherheitsberichts, welche Fachgebiete von der Maßnahme berührt sind. Der technische Inhalt ausverschiedenen Sicherheitsanalysen stammender Maßnahmen, diesich auf denselben technischen Sachverhalt beziehen, ist zu extrahieren und zu einer einzigen Maßnahme zusammen zu fassen (z. B.ausreichende Beleuchtung auf Verkehrsflächen: „Die kleinste Beleuchtungsstärke auf den Verkehrsflächen in den Stationen hat den Bestimmungen der AStV sowie der ÖNORM EN 12464-1 zu entsprechen.“).
6. Legistisch-administrative Vereinheitlichung: Die Behörde veranlasst, dass die betroffenen Fachbereiche die Auflagen harmonisieren, um Widersprüche zwischen den Maßnahmen der einzelnen Fachgebiete zu vermeiden. Da die Verfasser der Sicherheitsanalysen und Sicherheitsberichte jedoch nicht im Auftrag der Behörde arbeiten, sondern durch die Seilbahnunternehmen beauftragt werden, wäre eine administrative Vereinheitlichung prinzipiell nicht im Verwaltungswege, sondern nur über technische Komitees (z. B. als Empfehlungendes Fachnormenausschusses) möglich
Am praktikabelsten und schnellsten umsetzbar erscheinen die unter den Punkten 1 bis 3 angegebenen Schritte; die unter Pkt. 4 angegebene Maßnahme ist nur praktikabel, wenn die Maßnahme zu einem Sachverhalt in den Sicherheitsanalysen in technischer Sicht gleichlautend ist und kann in einer Vielzahl der Fälle ebenfalls schnell umgesetzt werden.
Die unter Pkt. 5 angegebene kumulative Festlegungim Sicherheitsbericht wird sich auf Grund des geringen Zeitbudgets für die Erstellung des Sicherheitsberichts und dem überproportionalen Aufwand bei der praktischen Umsetzung (Lesen und Bewerten der Spezifikationen, …) als nicht praktikabel erweisen, stellen jedoch aus Sicht des Verfassers die beste Möglichkeit dar, Widersprüchlichkeiten zu verhindern, Plausibilität zu erzielen und genügt der Richtlinie über die Verfassung von Sicherheitsberichten, die fordert, dass Maßnahmen zusammenzufassen und zu bewerten und nicht (wie dzt. der Fall) einfach unredigiert abzuschreiben sind.
Die in Pkt. 6 angegebene Vereinheitlichungsmethode ist theoretisch möglich, bedingt aber einen hohen Zeitbedarf. Aus sachverständiger Sicht wäre den in den Punkten 1 bis 4 angegebenen Möglichkeiten der Vorzug zu geben, wobei keine Angabe zu einer einzigen Methode erfolgen kann, sondern die einzelnen Methoden dem Anlass entsprechend anzuwenden sind. Die Punkte 1 bis 4 zur Vermeidung von Widersprüchlichkeiten und zur Erreichungvon Plausibilität sind somit bei der Erstellung von Sicherheitsberichten als best practice zu bezeichnen. Es handelt sich um die individuelle Meinung des Verfassers des Artikels.
Dipl.-Ing. Walter Sedlacek - Seilbahntechniker BMVIT