Immer wieder kann man lesen, dass Skifahren out sei, es immer weniger Skifahrer gäbe und die Jugend – also der Nachwuchs – ausbleibe. Was ist dran an diesen Meldungen, müssen sich alle warm anziehen und schleunigst neue Ideen entwickeln? Der aktuelle Beitrag liefert neueste Zahlen zu Wintersportlern. Erfahren Sie etwas über das tatsächliche Volumen und die Potenziale für den alpinen Wintersport in Europa.
Ein Blick auf die Nachfrage bei Österreichs Seilbahnen belegt, dass es im langfristigen Trend eine sehr positive Entwicklung gibt. Das zeigt die Entwicklung der Skier Days der vergangenen Jahre eindrucksvoll auf. Der Wintersporttourismus in Österreich stellt somit eine jahrelange Erfolgstory dar, wie auch die Entwicklung der Nächtigungen im Winter der letzten zehn Jahre belegt.
Die Darstellungen zeigen einen stetigen Aufwärtstrend, der nur durch den schneearmen Winter 2006/07 und den letzten Winter 2009/10 unterbrochen wurde. Die Analyse des letzten Winters zeigt, dass dies wohl keine Trendumkehr ist, denn in erster Linie waren Wetter und Schnee dafür verantwortlich. Selbst die Wirtschaftskrise, welche die letzten beiden Winter umfasst, führte bislang zu keinen echten Rückgängen. Demnach ist schwer zu glauben, dass immer weniger Skifahrer immer mehr Skitage produzieren.
Skifahrer erstmals in vielen Ländern erhoben
Daher lohnt ein Blick auf Zahlen, wie viele Personen denn nun wirklich Ski fahren. Die Anzahl an Skifahrern und Interessierten ist für die gesamte Industrie, vielerorts einschließlich der touristischen Anbieter, eine immens wichtige Zahl. Ist die Zahl klein bzw. verlieren wir an Potenzialen, gilt es sich (rasch) nach Alternativen umzusehen und Szenarien zu entwickeln, welche ohne alpinen Wintersport funktionieren (mir ist allerdings noch niemand begegnet, der diese kennt).
Gibt es ausreichend Interesse und aktive Beteiligung, sind die Bestrebungen eher in Richtung Vermarktung zu forcieren als in die (Neu-)Produktentwicklung? Wer nun glaubt, dass diese wichtigen Zahlen ohnehin vorliegen, täuscht sich. Wie ich seit der ersten Präsentation der Zahlen gelernt habe, arbeitet man mit Schätzungen, Vermutungen und Analogiezahlen. Dazu kurz angemerkt: Die Zahlen der Skiproduktion bzw. des Skiabsatzes helfen wenig weiter, da sich der Markt mit den Leihangeboten dramatisch (ge)ändert (hat).
Die einzige Chance sind daher bevölkerungsrepräsentative Erhebungen in unterschiedlichen Märkten. Wir haben solche mit Unterstützung einiger Landestourismusorganisationen sowie Partnern aus dem Seilbahnbereich telefonisch in neun Märkten durchgeführt. Ganz essentiell für Interpretationen ist dabei die Definitionsfrage: Als Skifahrer sind die bezeichnet, die aktiv alpinen Wintersport betreiben (d. h. zumindest alle paar Jahre Ski oder Snowboard fahren) oder derzeit eine Pause einlegen, aber danach vorhaben, sicher wieder damit anzufangen.
Das bedeutet, dasssie nicht jedes Jahr fahren, nicht unbedingt Urlaub zum Skifahren verbringenund auch keine Mindesttage zum Skifahren aufweisen müssen.
Die Zahl der Skifahrer wurde bis dato in den meisten Darstellungen unterschätzt!
Es gibt insgesamt rund 53 Mio. Skifahrer zwischen 14 und 70 Jahren in den untersuchten Märkten Deutschland, Österreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Tschechien, Rumänien, Polen und russischen Ballungszentren – das entspricht einem Anteil von 23 %. 13 % oder rund 32 Mio. sind dabei jedes Jahr auf den Pisten zu finden. Der Skifahreranteil reicht dabei von 55 % Skifahrern in Österreich bis zu 12 % Wintersportler in Italien.
Interessant auch, wieviele ganz sicher nicht für Wintersport zu gewinnen sind: 61% aller Befragten zwischen 14 und 70 Jahren wollen definitiv nicht anfangen. Ein erweitertes Potenzial (zumindest aus mentaler Sicht, die Frage der ökonomischen Leistbarkeit ist dabei nicht berücksichtigt) von rund 40% ist aber keineswegs eine Nische und muss wirklich nicht verzagen lassen.
Zusätzliches Potenzial ist für den Wintersport noch vorhanden!
Nämlich nicht genug damit, dass der Markt derzeit gut aufgestellt ist und es jede Menge Skifahrer gibt – es besteht auch noch Potenzial für den Wintersport. So können 38 Mio. als Potenzial bezeichnet werden, rund 10 Mio. davon als enges. Das Interesse wurde dabei unter ehemaligen Skifahrern, also Aufhörern, genau so wie unter (bisherigen) Skiverweigerern gemessen. Die für mögliche Anfänger interessantesten Märkte sind dabei Deutschland, russische Ballungszentren, Polen und Großbritannien. Bemerkenswert ist, dass Interessierte nicht nur Junge sind, sondern oftmals 40- bis 49-jährige. Im Prinzip sind Interessierte zwar im Durchschnitt jünger als Nicht-Interessierte, aber trotzdem in allen Alterskategorien zu finden.
Interessierte leben öfter mit Kindern im Haushalt und kommen häufiger in höheren Einkommensschichten vor. Das Interesse ist zwar grundsätzlich vorhanden bzw. das Skifahren ist in den Köpfen vieler Nicht-Skifahrer attraktiv. Ob man dieses Potenzial allerdings ausschöpfen kann, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: von der richtigen Produktgestaltung, der richtigen Vermarktung und natürlich auch von der individuellen Leistbarkeit. Interessierte Nicht-Skifahrer fahren nicht Ski, weil sie keine Zeit mehr dafür finden, keine Gelegenheit dazu haben oder weil sie den alpinen Wintersport als zu teuer ansehen bzw. aus finanziellen Gründen.
Allesamt sind das natürlich Gründe, die eines heißen: Es ist nicht interessant genug für diese Gruppen, um die Gegenleistung zu rechtfertigen. Zusätzliche Potenziale sind vor allem durch „sanftere“ Produkte und durch Kommunikation zu gewinnen. Also weniger Wettkampf, weniger Party und mehr Natur, Erholung und Komfort.
Enormes Nächtigungs-Marktvolumen...
und Österreich ist dabei die beliebteste Auslands-Skidestination! Das Marktvolumen in den untersuchten Märkten macht rund 170 bis190 Mio. Nächtigungen aus, wobei Schwankungsbreiten um bis zu plus/minus 10 % zu beachten sind. Fast jede dritte Wintersportnächtigung wird in Österreich verbracht (30 %), das ist beinahe jede zweite Auslandsnächtigung. Abgesehen von den Österreichern sind die größten Österreich-Fans die deutschen und die niederländischen Wintersportler mit einem Österreich-Marktanteil von rund 50 %. Insgesamt zeigt sich, dass Skifahren bei vielen im eigenen Land bleibt. Wo die Angebote da sind, ist meist die lokale Nachfrage auch groß.
Wie bringen wir neue Gäste zum alpinen Wintersport?
Wie kann man Interessierte, die es einmal auf die Pisten geschafft haben, für das Skifahren begeistern? Wichtige Einsichten dazu bringt die Analyse von Anfängern auf österreichischen und bayerischen Pisten aus SAMON, der Seilbahnkundenbefragung von MANOVA. Generell sind für Wintersportler Skigebietsbasics die Top-Entscheidungsfaktoren, wenn es um die Wahl eines Skigebiets geht – sie entscheiden sich aufgrund der Größe des Skigebiets, der Pisten und der Schneesicherheit.
Anfänger suchen zwar auch ein gutes Skigebiet, aber dazu legen sie auch noch auf andere Angebote wert. Für Anfänger sind die Pisten weniger wichtig als für bessere Skifahrer. Noch deutlicher wird das bei der Analyse der Zufriedenheitstreiber, also der Kontaktpunkte, die zu Begeisterung und Weiterempfehlung führen: Die Pisten sind naturgemäß auch hier weniger wichtig, dafür führen Komfort der Liftanlagen, Skischulen, Verleih, Gastronomie im Ort und Alternativangebot stärker zu Begeisterung als in anderen Segmenten.
Anfänger brauchen also Service, das ihnen den Skistart erleichtert, und legen eher auf Abseitsangebot Wert, um auch einmal Gelegenheiten zu finden, sich von einem anstrengenden Skilerntag zu erholen. „Skinachwuchs“ ist noch in allen Altersschichten erzielbar, Komfort, Servicesowie abgerundete Angebote helfen dabei enorm. Diese Botschaft gilt für Vermarktungsorganisationen im Marktauftritt genauso wie für Skigebiete und Destinationen, welche sich für Anfänger spezialisieren wollen. Bei der geringeren Bedeutung von Größe und Pisten sichereine gute Chance auch für die „Kleinen“.
Klaus Grabler